Review

Eines muß man diesem kruden Machwerk lassen: Es vergeudet keine Zeit mit solchen "Lappalien" wie Handlungsaufbau oder Figureneinführung, es kommt gleich zur Sache, wie ein notgeiler Matrose im Bordellzimmer einer nackten Hure, der nach einem Jahr auf hoher See endlich mal wieder einen Landurlaub spendiert bekommen hat. Bereits in Minute Eins wird eine Frau namens Linda (Michelle Meyer) Opfer eines wüsten Gang-Rapes einer Truppe von Bauarbeitern. Keine drei Minuten später liegt ein dicker Schmierlappen, wohl einer der Vergewaltiger, mit Nägeln gespickt tot am Boden seiner schäbigen Bude. Verursacher seines vorzeitigen und schmerzhaften Ablebens ist ein unbekannter Typ im Tarnanzug, mit schwarzem Helm (mit integriertem Stimmverzerrer) über dem Kopf und einer klobigen Druckluft-Nagelpistole mit scheinbar unendlich Munition in den Händen. Es folgt der simpel gehaltene Vorspann, unterlegt mit grauenhaft verzerrtem Jammern, Brüllen und Lachen auf der Tonspur. WTF? Nach Minute Sechs kann man einen weiteren Punkt auf der "Liste der Dinge, die ein Slasherfilm beinhalten muß" abhaken, da eine Frau ihre wohlgeformten Brüste stolz der Kamera präsentiert. Und nur um sicherzugehen zoomt der Kameramann dann auch noch ganz dicht an die prallen Möpse ran.

Wir schreiben Minute Elf, und die nächsten zwei Männer segnen bei Waldarbeiten das Zeitliche. Auch ihr Fleisch wird auf gewaltsame Weise von mehreren Nägeln penetriert, wobei es sich der mörderische Psychopath nicht nehmen läßt, einem der Typen durch die weiße Unterhose den Schniedel zu löchern. Autsch! Und in dieser Tonart geht es munter weiter, die ganzen (langen, sehr langen) zweiundachtzig Minuten lang, unterbrochen nur von ätzend langweiligen Szenen, in welchen die zukünftigen Opfer dummes Zeugs labern bzw. in welchen der Sheriff (Ron Queen) und sein Arzt (Rocky Patterson) planlos und blöd glotzend durch die Gegend stolpern und die verschiedenen Leichen aufsammeln. Im Schnitt wird einem alle fünf bis sechs Minuten ein Mord vor den Latz geknallt, eine durchaus sinnvolle Maßnahme der Macher, um den Zuschauer zumindest halbwegs bei Laune zu halten. Denn wenn man vom lächerlich hohen Bodycount mal absieht, hat The Nail Gun Massacre kaum noch etwas zu bieten. Zwei weitere weibliche Brustpaare werden entblößt, die Schamgegend eines Mannes und einer Frau schwindeln sich ins Bild, und ein klein wenig Sex bzw. lustloses Gefummel bekommt man ebenfalls noch zu sehen. Und das ist dann auch schon das Ende vom Lied; der Rest ist öde Stümperei zum Fremdschämen.

Ja, The Nail Gun Massacre ist ein amateurhafter Baddie, wie er im Buche steht. Unglücklicherweise zählt er jedoch nicht zur beliebten Gattung "so schlecht daß er schon wieder gut ist", weshalb er selbst für Fans eine Herausforderung darstellt. Der von mir sehr geschätzte Oliver Nöding vergißt bei der Besprechung des Filmes auf seinem Blog Remember it for later sogar seine gute Stube, bezeichnet den Streifen unter anderem als "nichtsnutzigen, schlicht potthässlichen und unverschämt dummen Film" sowie als "Müllhaufen" und "unentschuldbarer Scheißdreck". Daß der spottbillige Film, in der falschen Stimmung "genossen", selbst sanften Gemütern die Zornesröte ins Gesicht treibt und den Aggressivitätsspeicher zum Kochen bringt, ist aber auch irgendwie nachvollziehbar. Daß der Film mißlungen ist, okay, geschenkt, das kann jedem mal passieren. Aber bei The Nail Gun Massacre hat man den Eindruck, als ob den Machern das Ergebnis völlig egal gewesen wäre. Hauptsache, der Streifen ist im Kasten, kann auf den (damals boomenden Video-)Markt geworfen werden und bringt Kohle. Mich dünkt, als hätte sich niemand sonderlich Mühe gegeben, um hier was Brauchbares auf die Beine zu stellen. Leidenschaft, Kreativität, Einsatz... alles Fehlanzeige. Aber möglicherweise täusche ich mich ja auch, wer weiß?

Immerhin kann ich festhalten, daß The Nail Gun Massacre nicht der Bodensatz des Genres ist; ich habe da schon wesentlich Schlimmeres gesehen. Darüber hinaus habe ich den Schund überstanden, ohne laut zu lachen. Ehrlich, ich stand einige Male kurz davor, hysterisch loszugackern, konnte mich aber jedes Mal noch rechtzeitig zurückhalten. Es ist aber auch ein ziemliches Trauerspiel, was man hier geboten bekommt. Der Streifen hangelt sich lust- und spannungslos von einem Mord zum nächsten, wobei die "Spezialeffekte" viele Wünsche offenlassen. Zu sehen gibt es nämlich meist nur das Hinterher, also die sich totstellenden Darsteller, denen man an diversen Stellen abgezwickte Gumminägel angeklebt hat, welche man mit etwas Kunstblut geträufelt hat. Zum Kopfschütteln sind auch die lahmen Sprüche des mysteriösen Killers (so man sie denn überhaupt versteht; der Ton ist eine Frechheit!) sowie das bescheuerte Finale in einer Schottergrube (mit einem irgendwie drolligen Autostunt). Der Rest ist ödes Gelaber von Amateuren, die sich als Schauspieler versuchen. Bill Leslie und Terry Lofton haben mit The Nail Gun Massacre einen auf das Wesentliche reduzierten Slasher geschaffen, dabei aber auf eine wichtige Regel des Filmemachens komplett vergessen: Du sollst dein Publikum nicht langweilen.

Und doch muß ich gestehen, daß mich The Nail Gun Massacre auf eine abartige, verquere Weise fasziniert. Wieso? Keinen Schimmer. Vielleicht ist es die sonderbare Stimmung des von Oktober bis November 1985 in Texas heruntergekurbelten Streifens. Vielleicht ist es der schizophrene Ton, der zwischen harter, selbstzweckhafter Exploitation und straightem Wald-und-Wiesen-Slasher-Fun pendelt, der sich nicht entscheiden kann, ob er sleazig fies, comichaft überdreht oder unfreiwillig komisch sein soll. Vielleicht sind es die schäbigen Schauplätze, die talentfreien Darsteller, die grausame Musik oder die planlose Regie (weder Bill Leslie noch Terry Lofton sollten je wieder einen Film drehen), die dem Flick eine gewisse Einzigartigkeit verleihen. Vielleicht ist es das ungewollte, in dieser Form selten gesehene Zusammenspiel aller möglichen Faktoren und das daraus resultierende grandiose Scheitern, welches den wunderlichen Reiz ausmacht. Vielleicht sind es die unzähligen Goofs (z. B. wurde der Killer von mehreren Personen - darunter zwei Frauen - gespielt, welche in der Größe variieren und sich verschiedenartig bewegen), die beim Betrachter für einen masochistischen Kick sorgen. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Auf alle Fälle ist The Nail Gun Massacre ein Film für alle Bad-Movie-Freaks, die denken, sie hätten schon alles gesehen.

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