Jaime und Marta, seit vielen Jahren glücklich verheiratet, ziehen mit ihrer pubertierenden, 16-jährigen Tochter Isa in ein neues, luxuriöses Haus um. Es sollte ein perfekter Abend werden: Nachdem die Möbelpacker fort sind, wird der Umzug mit Champagner gefeiert. Doch ihre heile Welt explodiert zusammen mit dem Schlafzimmerfenster in tausend Scherben. Eine brutale Bande dringt in die Villa ein und nimmt sie als Geiseln. Für die verängstigte Familie beginnt eine Nacht unfassbaren Terrors.
Schon mit seinem Kurzfilm "I'll See You In My Dreams" aus dem Jahre 2003 hat Miguel Angel Vivas sein vorhandenes Regie-Potential unter Beweis gestellt, was jetzt 7 Jahre später in seinem Langfilm-Debüt "Kidnapped" so richtig gut zum Ausdruck kommt. Präsentiert er doch einen hervorragenden Terrorfilm, der dem Zuschauer teilweise das Blut in den Adern gefrieren lässt. So bekommt man schon mit den ersten Einstellungen der Geschichte einen äusserst intensiven Eindruck davon, das die Geschichte ganz sicher nicht gerade zimperlich erzählt wird. Das bestätigt sich dann auch schon nach wenigen Minuten, in denen man mit den 3 Charakteren einer Familie konfrontiert wird, die als Opfer eines häuslichen Überfalls auserkoren sind und einem brutalen Einbrecher-Trio zum Opfer fallen. Der räumlich eingegrenzte Schauplatz des Geschehens ist also schnell vorgegeben und lässt schon frappierende Ähnlichkeiten zu Michael Hanekes Meisterwerk "Funny Games" erkennen. So ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, das sich hier die gleiche bedrohliche Grundstimmung entfaltet, die wie eine zentnerschwere Last auf den Schultern des Zuschauers liegt, denn vor allem die Situation der Opfer löst ein extrem beklemmendes Gefühl aus, das einem wirklich unter die Haut geht.
Dabei hat Vivas es ganz erstklassig verstanden, das psychische - und das physische Martyrium der Familie getrennt voneinander in Szene zu setzen, so das für den Betrachter ein noch intensiveres-und erschreckend realistisches Terror-Szenario entsteht, das man fast schon körperlich miterlebt. So wird die psychische Drucksituation durch den Aspekt verstärkt, das der Familienvater von seiner Frau und der Tochter getrennt wird, da er mit einem der Einbrecher die Bankautomaten abklappern muss, um soviel Geld wie möglich von seinen Konten abzuheben. Die beiden Frauen werden in dieser Zeit in ihrem Haus festgehalten und müssen sich insbesondere gegen einen der verbleibenden Gängster immer wieder zur Wehr setzen, der mit zunehmender Laufzeit immer psychophatischere Züge erkennen lässt. Weder die Frauen noch der Vater wissen also, wie es dem anderen in dieser Zeit geht, was die Angst der jeweiligen Personen immer weiter entfacht, das irgentetwas passiert sein könnte, was die ganze Situation eskalieren lässt. An dieser Stelle hält dann auch die visuelle Gewalt Einzug in die Geschichte und diese ist alles andere als knapp geraten.
Gerade die im Haus der Familie stattfindenden Ereignisse haben es dabei wirklich in sich, einer der verbleibenden Einbrecher hat sich nicht länger unter Kontrolle, was ganz zwangsläufig eine immer weiter ansteigende Gewaltspirale nach sich zieht, die letztendlich vollkommen ausser Kontrolle gerät und nicht mehr aufzuhalten ist. Körperliche Übergriffe in Form einer Vergewaltigung und auch die Tötung eines von den Nachbarn alarmierten Sicherheitsbeamten sind eine schon fast logische Folge, die mit brachialer Gewalt kompromisslos in Szene gesetzt wurde. Die Geschehnisse erreichen dabei eine Intensität, die einen mit der Wucht eines Keulenschlags mitten in die Eingeweide trifft. Es ist nahezu unmöglich , sich der erschreckenden Faszination des Treibens zu entziehen, das streckenweise eine Art Ohnmacht auslöst, da man sich vollkommen hilflos -und nahezu paralysiert vorkommt. Dieser Eindruck entseht in erster Linie durch die grandiosen Darsteller, die mit ihrem Schauspiel einen absolut authentischen-und realistischen Eindruck vermitteln. Selten überkommt einen dabei das Gefühl das man sich in einem Spielfilm befindet, denn der Begriff einer erschreckenden Live-Dokumentation wäre hier weitaus angebrachter.
So fiebert man dann auch über die gesamte Laufzeit von knapp 80 Minuten vor allem mit den Opfern mit, für die sich kurz vor dem Ende anscheinend noch alles zum Guten wendet. Doch insbesondere im letzten Drittel des Filmes hat Miguel Angel Vivas einige Wendungen der Geschehnisse eingebaut, die einen in ein ständiges Wechselbad der Gefühle versetzen und mit einem Ende konfrontieren, das härter und brutaler nicht hätte ausfallen können. Zudem hinterlässt es einen extrem bitteren Nachgeschmack und brennt sich förmlich in das Gedächtnis des Zuschauers ein. Man braucht nach der Sichtung dieses Werkes eine geraume Weile, um das Gesehene erst einmal richtig sacken zu lassen, denn "Kidnapped" ist wirklich harter Stoff, dern man nicht so leicht verdauen kann. Zartbesaitete Gemüter dürften ihre Schwierigkeiten mit diesem Film haben, der 80 Minuten absolute Hochspannung und eine Menge Härte offenbart, die sich auf psychische wie auch auf physische Art freisetzt und deutliche Spuren hinterlässt.
Fazit:
"Kidnapped" ist sicherlich keine leicht zu verdauende Filmkost, überzeugt aber durch eine brillante Umsetzung einer Situation, die an Beklemmung-und Bedrohlichkeit kaum zu überbieten ist. Ein absolut authentisches Szenario und herausragende Darsteller machen diesen fiesen Terrorfilm zu einem wahren Erlebnis, das man sich keinesfalls entgehen lassen sollte.
9/10