Review

Im Grunde hat Kidnapped fast alles, um ein spannender Film zu werden: Vor allem gute Darsteller, jedenfalls in Reihen der Familie, eine gute Kamera sowie ein solides Drehbuch. Dass der Härtegrad der visuellen Gewalt recht niedrig bleibt, tut dem Film ebenfalls sehr gut. Auch die Grundidee, dass die häusliche Sicherheit durch Eindringlinge aus ihren Angeln gehoben wird, ist eine interessante Grundlage für einen supensereichen Film.

Aber: Genau diese Spannung kam für mich leider nicht auf. Kidnapped hat mich nur in wenigen Szenen wirklich gefesselt. Etwa zu Beginn, wenn der Vater einhändig und mit zufriedenem Gesicht ins neu bezogene Haus fährt - so, als ob nichts seinem sicheren Leben einen "Strick" durch die Rechnung machen könnte. Latent fühlt man aufgrund der interessant gedrehten Eingangssequenz, dass das Unheil naht. Aber genau das war auch das Problem des Films: Es fehlten die Überraschungen - so etwa bei den Figuren. Die Gangster wirken sehr sterotyp: Ein eiskalter Boss, ein durchgeknallter und gewaltgeiler Komplize und ein Dritter, dessen schlechtes Gewissen durch das Geschehen alarmiert wird. Letztlich versinkt all dies in einem Gangster-Gruppen-Chaos, das ich schon in anderen Filmen zu häufig gesehen habe. Und die Familie: Nun, der Vater versucht möglichst besonnen zu sein, damit seiner Familie nichts passiert, und die beiden Damen des Hauses befinden sich fast ununterbrochen in der Opferrolle - zu "schwach", um aus einem Kellerfenster zu entfliehen.

Die grundsolide Inszenierung des Films birgt auch nichts wirklich Mitreißendes. Mir fehlte z. B. ein beengendes Gefühl im Haus, so wie es in Inside zu sehen war. Je verzweilfelter die Situation wird, umso kleiner werden die (filmischen) Räume. Die Inszenierung von Kidnapped blieb aber gleich, die Ausleuchtung oder die Kamera änderten sich genauso wenig wie die Interaktion der Figuren : Nervöse Gangster halten zwei Frauen (meist schreiend) in Schach, der Oberboss holt mit Papi Geld. Auch fehlte mir ein spürbarer Tempowechsel, der kommt erst in der letzten Sequenz. Und dort findet sich auch das, was ich am meisten vermisste: die Kompromisslosigkeit. Am Ende entlädt sie sich in totaler Gewalt. Der Oberboss macht sein Versprechen wahr: Er geht den einfachen Weg, er tötet alles, was ihm Probleme bereitet.

Diese Kompromisslosigkeit hätte ich mir während es ganzen Films gewünscht. Aber nicht in blutiger Gewaltentladung, sondern im psychlogischen Zusammenspiel der Figuren. Die Vergewaltigung der Tochter wirkt sehr bemüht, genauso wie das Auftauchen ihres Freundes und eines Polizisten. Bei mir hat dies keine Spannung erzeugt.

Kidnapped fehlt es an Ideen. Das zeigt sich nicht nur in der Vergewaltigung und den Nebenfiguren. Die Szene mit dem Polizisten, in der einer der Gangster in die Rolle des Familienvaters schlüpft, verliert durch das oberflächliche Gelaber und den doch recht raschen Kehlenschnitt (wenn das Sterben des Polizisten auch sehr derbe anzusehen war) sehr schnell an Spannung. Visuell ist die Einfallslosigkeit am zweiten Spliscreen-Einsatz zu sehen, der überhaupt nicht funktioniert. Auch entwicklen sich Figuren kaum. Inside zeigte, wie dies funktioniert: Die kompromisslose Killerin, die eine sehr traurige Seite hat, das anscheinend wehrlose Opfer, das übermenschliche Kräfte entwickelt, um das Baby zu schützen. Das fehlt Kindapped leider fast völlig.

Fazit: Erst gegen Ende des Films kommt das Terrorgefühl richtig rüber, nämlich dann, wenn die Opfer aus lauter Verzweiflung selbst zu Tätern werden. In ihrer Handlung ist der Terror, der von den Eindringlingen ausgeht, zu erkennen. Sie sehen keinen anderen Ausweg mehr, als alles auf eine Karte zu setzen und nicht mehr still zu halten. Ansonsten bedient der Film zu viele Klischees (Figuren, Vergewaltigung) und bleibt in seiner durchaus hübsch anzusehenden Inszenierung zu eindimensional. Da Kidnapped kaum Twists bietet und die angedeuteten (Polizist oder Freund) rasch außer Gefecht gesetzt werden, kommt für mich kaum Spannung auf. Der Film hat seine starken Momente - nur leider davon zu wenige, um über die gesamte Laufzeit zu fesseln.

4/10

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