Der deutsche Satirefilm „Is' was Kanzler!?!“ entstand Mitte 1983 unter der Regie Gerhard Schmidts („Der Idiot im Hintergrund“) nach einem zusammen mit Jochen Busse verfassten Drehbuch. Er war eine Reaktion auf den Sturz des SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt durch ein Misstrauensvotum 1982, die Wahl des CDU-Kandidaten Helmut Kohl als dessen Nachfolger und den Gewinn der vorgezogenen Bundestagswahlen im nächsten Jahr durch die CDU, wodurch Kohl in seinem Amt bestätigt wurde. Die Folgen waren eine „konservativ-liberale“ (eigentlich: reaktionär-kapitalistisch-marktradikale) Regierung bis ins Jahr 1998, die geprägt war von Korruption, einer übereilten, unter vom Westen diktierten Bedingungen erfolgten „Wiedervereinigung“ der BRD mit der DDR, Privatisierung staatlichen Eigentums, Massenarbeitslosigkeit, Erstarkung des Rechtsextremismus, Ausbremsung technischen Fortschritts (z.B. Kupfer- statt Glasfaserkabelverlegung) und Politikverdrossenheit. Kohl prophezeite ab dem Wahlkampf 1980 euphemistisch eine „geistig-moralische Wende“, die er mit der neuen Koalition gekommen sah. „Is' was Kanzler!?!” kam im März des Jahres 1984 in die Kinos.
Die Bundesrepublik Deutschland im September 1982: Die CDU/CSU- und FDP-Führungsriegen hecken den Sturz Helmut Schmidts aus, sein Nachfolger soll Helmut Kohl werden – doch die CIA hört im Auftrag der USA heimlich mit. Das Wiesbadener BKA wiederum setzt Erwin Reinke (Tommi Piper, „Schwarz-Rot-Gold - Kaltes Fleisch“) auf die CDU-Sekretärin Rosemarie Heller (Constanze Engelbrecht, „Diese Drombuschs“) und die Fremdsprachenkorrespondentin Vera Hattenhofer (Claudia Amm, „Der letzte Zeuge“) an, die nebenher für die CIA spionieren und eine Videokassette mit brisantem Material in ihren Besitz gebracht haben sollen. Reinkes Chef (Günter Lamprecht, „Das Boot“), von ihm stets verballhornend „mein Führer“ genannt, betreibt zum Schein einen Pornoladen, in dem er sich konspirativ mit Reinke austauscht. Die optisch frappierend an die Blues Brothers erinnernden Geheimagenten Ehrlichmann (Klaus Höhne, „Tatort“) und Igelburger (Karl-Heinz Vosgerau, „Blitz“) wiederum sollen, US-gesandt, ebenfalls Kontakt mit den beiden Damen aufnehmen. Reinke verwickelt Heller kraft seines Charmes und Sex-Appeals in einen Flirt und landet prompt mit ihr im Bett. Kurz darauf gibt es jedoch den ersten Toten dieses Agentenpokers zu beklagen: Im Swimmingpool des Beraters (Gert Haucke, „Die Supernasen“) des neuen Kanzlers treibt die Leiche eines Mannes, der Helmut Kohl zum Verwechseln ähnlichsieht. Der echte Helmut, liebevoll „Birne“ genannt, schwört jedoch gerade im Bundestag den Amtseid. Oder…? Reinke nimmt die Ermittlungen auf und wird Zeuge einer geheimen Geldübergabe. Heller verschwindet spurlos. Was hat es mit der Videokassette auf sich? Lebt Heller noch? Wer ist der Tote im Pool, was planen die US-Amerikaner und wozu das alles…?!
„Is' was Kanzler!?!“ erfordert ein gewisses Hintergrundwissen über die damaligen politischen Verhältnisse und Geschehnisse in der Bundesrepublik und ist infolgedessen nicht sonderlich gut gealtert. Wer jedoch über entsprechendes Geschichtswissen verfügt und nicht unbedingt Fan von Kohl und dessen Mischpoke ist, dafür aber eine gewisse Affinität zur Politsatire hat, dem dürfte dieser Film den einen oder anderen Schmunzler entlocken. Tommi Piper („Schwarz-Rot-Gold – Kaltes Fleisch“) macht seine Sache als Hauptdarsteller sehr ordentlich und Konstantin Wecker hat mehrere Auftritte als Moritatensänger, der Jochen Busses Text „Für alles im Leben muss man bezahlen“ schmettert, und wird nur von Dieter Hallervorden getoppt, dessen Auftritte mit dem Gassenhauer „Ich glaube wirklich jeden Mist, bloß nicht, dass Birne Kanzler ist“ die humoristischen Höhepunkte des Films darstellen – obwohl sich Hallervorden schizophrenerweise persönlich im Wahlkampf für die CDU/FDP-Koalition eingesetzt hatte. War das der Versuch einer Wiedergutmachung? * Darüber hinaus geben sich damals bekannte Namen des bundesdeutschen Kabaretts wie Dieter Hildebrandt, Wolfgang Neuss, Lore Lorentz und Rainer Basedow die Klinke in die Hand. Und nicht zuletzt weiß auch das ‘80er-Zeitkolorit zu gefallen.
Um jede Anspielung zu verstehen, musste aber auch ich recherchieren: So handelt es sich bei den Namen Ehrlichmann und Igelburger um Anspielungen auf reale US-Politiker. Das Motiv von der Besatzungs- und NATO-Macht USA ferngesteuerter deutscher Politiker hingegen, das der Film sehr wörtlich aufgreift und umsetzt, mag in heutigen Zeiten wie Unfug grenzdebiler Verschwörungsideologen klingen, war damals aber alles andere als weit hergeholte Kritik an der Abhängigkeit Deutschlands vom „großen Bruder“ überm Teich. Und wie die DDR im Kalten Krieg bis zu einem gewissen Grad ein Satellitenstaat der Sowjetunion war, der die innerdeutsche Grenze des Warschauer Pakts zum NATO-Gebiet bildete, war die BRD eine wichtige US-Verbündete an eben jener Grenze zwischen den Weltmächten und Systemen.
Trotz einiger recht direkter Gags zeigt sich die satirische Handlung des Films jedoch nicht sonderlich pointiert und schon gar nicht dramaturgisch versiert. In Verbindung mit dem eingangs erwähnten Zahn der Zeit, der bei derart starker Bezugnahme aufs politische Tagesgeschäft logischerweise an der Satire nagt, erweist sich „Is' was Kanzler!?!“ mehr als interessantes Zeitdokument (inklusive einigem Archivmaterial) denn als zeitlose Satire zum Ablachen. Andererseits ist er in einem Maße konfrontativ, dass man den Verantwortlichen auch heute durchaus noch Respekt für diesen Frontalangriff auf das Kohl-Regime zollen kann. Und bis der Begriff „Wende“ (hier als Kurzform für die oben beschriebene „geistig-moralische Wende“ verwendet) ganz anders besetzt wurde, sollten damals ja immerhin noch einige Jahre ins Land ziehen…
Erschwerend hinzu kommt, dass, allein schon aufgrund Deutschlands NATO-Mitgliedschaft noch immer eine enge Kooperation Deutschlands mit den USA besteht und diese so von hierzulande stationierten Militärbasen aus völkerrechtswidrige Kriegshandlungen vollziehen. Dies abzulehnen hat nichts mit etwaigen antiamerikanischen Ressentiments zu tun. Ein Einfluss US-amerikanischer Politik auf Deutschland aus Bündnisinteressen heraus kann nicht von der Hand gewiesen werden, wenngleich die von „Is' was Kanzler!?!“ verwendeten Allegorien mittlerweile eher platt erscheinen und der Kalte Krieg einer etwas komplexeren Gemengelage mit China als dritter Großmacht gewichen ist.
*) Hallervordens politische Schizophrenie scheint sich durch sein ganzes Leben zu ziehen: Sein intelligentes politisches Kabarett steht im Widerspruch zu seiner bis heute währenden FDP-Unterstützung. Anscheinend ist ihm nicht bewusst, dass die FDP einen großen Teil seiner Kritik- und Angriffspunkte verkörpert. Stattdessen scheint er sie für eine progressive politische Kraft zu halten – möglicherweise auf Grundlage der eigentlichen, positiven, von der FDP jedoch pervertierten Definition von Liberalismus.