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Eines der wohl zwiespältigsten Themen in der aktuellen internationalen Politik ist der Einsatz der ISAF-Schutztruppen in Afghanistan. Wie eng eine solche militärische Friedensmission mit dem alltäglichen Grauen des Krieges und dem Kampf um Leben und Tod zusammenhängt, kann man nur aus den regelmäßig vermeldeten zivilen und militärischen Todesopfern erahnen.

Der dänische Dokumentarfilmer Janus Metz lässt uns in seiner Dokumentation „Camp Armadillo“ hautnah an diesem alltäglichen Wahnsinn partizipieren und erschafft hiermit ein Zeitdokument, das in der Gattung der Kriegsdokumentarfilme seinesgleichen sucht. Metz begleitet eine Truppe junger dänischer Soldaten vom Abend vor dem Abflug in die afghanische Provinz Helmand an bis zu ihrer Rückkehr in die Heimat nach sechs Monaten Einsatz im Kampf für den Frieden und gegen die Taliban.

Wir erleben direkt zu Beginn bei den Abschiedsszenen auf dem Flughafen Szenen, die berühren; Szenen, die uns nur vermuten lassen, was im Inneren der Protagonisten vor sich geht. Ist es ein Abschied für immer oder gibt es nach sechs Monaten ein Wiedersehen? Gestandene Männer, Väter, mit Tränen in den Augen, sorgenvolle Blicke von in Tränen aufgelösten Müttern und Lebensgefährtinnen. Das alleine geht – distanziert aber dennoch intensiv von der Kamera eingefangen – dem Zuschauer nahe.

Was jedoch danach kommt, legt noch einmal enorm in seiner Intensität zu. Metz weicht der Truppe zu keinem Zeitpunkt von der Seite, nimmt gemeinsam mit seinem Kameramann nicht nur am Camp-Leben teil, sondern begleitet die Einsatztruppe auch bei ihren routinemäßigen Patrouillen und den Gefechten mit den Taliban. Metz kommentiert nicht, hinterfragt nicht, befragt die Protagonisten nicht. Er lässt alle Beteiligten nur in ihrem gemeinsamen Miteinander der Truppe und den Gesprächen vor, während und nach den Einsätzen zu Wort kommen. So entsteht eine Dokumentation, die ehrlicher nicht sein könnte. Keine gestellten Statements, keine politischen oder religiösen Kommentierungen des Gesehenen. Dem Zuschauer wird keine Meinung aufgezwungen, er wird mit dem Dargestellten allein gelassen und in seiner Meinungsbildung nie beeinflusst. So bleibt es auch jedem selbst überlassen, ob er die Soldaten nun als Kriegshelden ob ihrer Taten im Gefecht ansieht oder – wie nach ihrer Rückkehr in Dänemark geschehen – als Kriegsverbrecher moralisch verurteilt.

Schon alleine die Bilder, die Metz uns präsentiert, beeindrucken und verstören. Was er jedoch durch den Schnitt des Filmes erschaffen hat, ist eine Dokumentation auf einem Niveau, das filmischer Perfektion nahe kommt; und es ist in manchen Szenen, die uns hier präsentiert werden, naheliegend, stilistische Parallelen zu Filmklassikern des Kriegsfilmgenres zu konstatieren.

„Camp Armadillo“ ist ein intensives dokumentarisches Erlebnis, das dem Schrecken, der fast täglich in den Medien vermeldet wird, ein Gesicht – in Person der dänischen Soldaten und der afghanischen Zivilbevölkerung – gibt und den Wahnsinn greifbar, aber nicht zwingend begreifbar macht. Gerade für zeitpolitisch Interessierte ein Must-See. 8,5/10

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