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Zweitgeborene haben es öfter schwerer.
Zumindest wenn in Hollywood das alte Spielchen mit dem zweifach bearbeiteten Grundthema aufs Tapet gebracht wird: ein Paar von Filmen, das in Sachen Genre, Thema, Plot, Epoche oder Figur ähnlich, wenn nicht sogar identisch ist. Zwei Robin Roods, zweimal Bedrohung der Welt durch Asteroideneinschlag - immer muß einer schlechter als der Andere abschneiden und in den überwiegenden Fällen trifft es den Zweiten am Start ("Armageddon" ist gegenüber "Deep Impact" eher eine Ausnahme).

Jetzt also zwei Animationsfilme über Superhelden, bei denen die Identifikationsfigur der Superschurke ist.
Nach Universals "Ich - einfach unverbesserlich" folgt kurz darauf "Megamind" - nur eben abzüglich eines betonten Niedlichkeitsfaktors (in Form von knuffig-lustigen Kinderfiguren und gaaaaaaaaaaaanz vielen gelben kleinen Helferchen) und zuzüglich einer für jüngste Zuschauer eher erwachsen angehauchten Geschichte.
Ansonsten sind die Geschichten sich überraschend angenähert, außer daß die Hauptfigur während ihres Reifeprozesses hier nicht um den Platz in der Rangliste der Superschurken kämpft, sondern ihre Identität wiederherstellen will, um die Balance überhaupt herzustellen, da ohne "Gut" das "Böse" durchaus wirkungslos geworden ist.

Diese Unterschiede sind marginal, allein richtet sich "Megamind" an etwas ältere Kinder und Erwachsene, präsentiert es seinen Übergangsritus vom Symbol zur entwickelten Persönlichkeit doch anhand der üblichen Superheldenklischees, die man aus "Superman" und Konsorten zur Genüge kennt. Die bekannten Elemente und Versatzstücke werden hier einfach neu angeordnet und ein wenig durch den humorvollen Wolf gedreht - nur das die "Lois Lane" dieser Geschichte an dem "Helden" an sich einfach kein romantisches Interesse hat. Fehlerhaftigkeit - Megaminds "Bösartigkeit" ist eine freie Entscheidung aufgrund von Lebensenttäuschungen, mangelnden Erfahrungen und seinem natürlichen Talent - ist einfach entwicklungsfähiger als die Perfektion des Supermannes, so daß das Spiel mit den Tarnidentitäten hier dem Bösen zufällt, der zwar einen treuen Gehilfen an seiner Seite hat, aber schlußendlich sich einfach nur (berechtigt) unfair behandelt fühlt und sich nach Akzeptanz sehnt.

Das gibt den Machern die Gelegenheit, die übliche Balance flott durch den Wolf zu drehen: der Held stirbt, der Böse ist von seinem Erfolg so überwältigt, daß er unter der plötzlichen Macht und Arbeitslosigkeit leidet. Doch verkehrte Welt - auf dem Weg zum Guten, bemüht sich aus Gewohnheit, der Böse zu bleiben und bei all den aufrechten Bemühungen kommt nur etwas noch Böseres heraus.

Nicht daß das jetzt sonderlich orginell wäre, im Gegenteil: "Megamind" ist ziemlich vorausberechenbar, aber wenn die Dreamworks-Animateure auch ihren Kollegen von "Pixar" erzählerisch nicht das Wasser reichen können (oder auch nur ein Erfrischungstuch), so stimmt doch die flüssige Animation, der ausgezeichnete Einfallsreichtum, 3D-geeignete Momente überbordender Agilität zu kreieren und der allgegenwärtige In-Joke-Humor, der sowohl aus Superheldenklischees wie aus Sitcoms oder SF-Klassikern zusammen getragen wurde.

Neben den erfrischenden deutschen Stimmen von Bastian Pastewka und dem Comedy-Duo Oliver Kalkofe und Oliver Welke, die die deutsche Fassung beträchtlich bereichern, ist es vor allem das Dauerfeuer an augenzwinkernden Sidegags, die den beschwingten, wenn auch nicht sonderlich tiefgründigen Spaß ausmachen. Liebe, Einsamkeit, Selbstverwirklichung, das sind die alten, aber immer noch wirksamen Themen, die ständig ziehen und ein Bösewicht, der mit seinen riesigen Augen so treuherzig megalomanisch herumkaspert, dem kann man einfach nichts übel nehmen.
Wenn der helfende Alien-Fisch dann aber im Film ständig in einem fellbedeckten Roboteranzug integriert herumläuft, der so pfundig an den berühmten (und hierzulande fast unbekannten) Schund-SF-Streifen "Robot Monster" und seinen "Ro-Man" erinnert, dann weiß man, daß sich die Macher durchaus eine schöne Zeit gemacht haben - von der Mentorenfigur für den neuen Helden, der Marlon Brandos genuscheltem "Jor-El"-Auftritt aus "Superman" geschuldet ist, ganz zu schweigen.

Also heißt es: Augen auf und die vielen schönen Seitenhiebe registrieren, während die Action die kleineren Zuschauer beschäftigt, dann fällt es auch nicht ganz so auf, daß der Höhepunkt gegenüber dem ersten Drittel doch etwas abfällt und eigentlich keine sonderlichen Überraschungnen bereit hält.
So ist "Megamind" ein rundum lustiges Vergnügen geworden, aber nicht halb so originell, wie er vielleicht gedacht war (bzw. er überholt sich meistens selbst in seiner postmodernen Überhöhung des typischen filmischen Superheldengeschehens, was auch wieder komisch ist) - und daher auch eher für eine einmalige Sichtung herhalten sollte, während der Spaß sich bei Wiederholungen eventuell etwas einreduziert, von der kunstvollen Animation und den zahlreichen kleinen Details mal abgesehen.
Immerhin serviert man uns einen der sympathischsten Antihelden der letzten Jahre in geschmackvollen Farben - das ist doch schon mal was. Weiterüben, Dreamworks! (7/10)

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