In Bereichen des Thrillers und des Horrors sorgen die Spanier seit einiger Zeit für positive Überraschungen und nicht erst seit der Neuverfilmung von „REC“ scheinen die Amis darauf zu lauern, dass ein weiterer Quotenhit zum Remake bereit steht.
Das Werk von Guillem Morales wirkt zwar ein wenig wie aus dem Repertoire bewährter Strickmuster für spannende Thriller entnommen, doch mit inszenatorischem Geschick verwandelt er den Stoff in eine phasenweise hoch spannende Geschichte.
Julia (Belen Rueda) droht an derselben Krankheit zu erblinden, die ihre Zwillingsschwester Sara in den scheinbaren Selbstmord trieb. Doch Julia ist sich entgegen der Meinung ihres Mannes Isaac und den Ermittlungen der Polizei nicht sicher und stellt Ermittlungen auf eigene Faust an. Als sie fast auf eine heiße Spur stößt, muss sie sich einer Augenoperation unterziehen, die das wochenlange Tragen einer Augenbinde mit sich zieht. Dabei fällt es Julia zunehmend schwerer, überhaupt noch jemandem in ihrem Umfeld zu vertrauen…
Mit intensiver Kameraarbeit gelingt es Morales, die Perspektive und das eingeschränkte Sichtfeld der Hauptperson zu visualisieren und dadurch auf den Betrachter zu transportieren.
Oft sind nur die Schemen einer Nachttischlampe wahrzunehmen, dann bilden sich schwarze Schleier im Augenwinkel, Konturen werden unscharf und zeitweise tappt man sprichwörtlich völlig im Dunkeln. Während Julias Genesung spielt die Kamera wiederum mit der Sicht auf ihr Umfeld, denn Gesichter werden bewusst vermieden und die Betonung auf Stimmen und Berührungen gelegt. Julias titelgebende Augen werden somit zum Dreh - und Angelpunkt des Treibens.
Und bei diesem wird nicht lange gefackelt, denn nach dem Tod ihrer Zwillingsschwester setzt sogleich die Ermittlungsarbeit an, die zwar viel Routine und Altbewährtes einschließt, aber auch ein paar schaurige Momente unterbringen kann, etwa, als Julia in der Umkleidekabine eines Frauenvereins für Blinde verharrt und hofft, nicht ertappt zu werden.
Ihr Umfeld beschränkt sich auf eine überschaubare Anzahl von Figuren, wie ihren Mann, den Augenarzt, die blinde ältere Nachbarin, einen merkwürdigen Nachbarn mit seiner Tochter und schließlich den Pfleger Ivan, zu dem sie nur sehr langsam Vertrauen aufbaut.
Sicher ist nur: Eine Person scheint etwas vor Julia zu verbergen und möglicherweise mit dem Tod ihrer Schwester zu tun zu haben.
Neben der erstklassigen Kamera und dem zuweilen ordentlich antreibenden Score ist vor allem Hauptdarstellerin Belen Rueda positiv hervorzuheben, denn eine Blinde glaubhaft zu verkörpern ist eine Sache, nur durch bestimmte Körperhaltungen und Gesten Emotionalität zu transportieren eine andere, und das gelingt der Schauspielerin auf ganzer Linie.
Aber auch die übrigen Mimen wissen zu überzeugen, obgleich hier niemand sonderlich gefordert wird.
So kommen immer neue Erkenntnisse ins Spiel und fördern kleine Twists zutage, ein ominöser Schlüssel passt zu keiner Tür in Saras Wohnung, niemand kann sich an das Gesicht von Saras männlicher Begleitung erinnern und am Ende werden die vier verbleibenden Tage mit Augenbinde verdammt lang für Julia, die mittlerweile um ihr Leben bangen muss.
Sonderliche Überraschungen werden beim Finale nicht mehr eingestreut, vielmehr konzentriert man sich auf ein trügerisches Belauern und zwischendurch gibt es ein paar Unwahrscheinlichkeiten zuviel, während der Ausgang in gewisser Hinsicht versöhnlich stimmt.
„Warte, bis es dunkel ist“, „Stiefel, die den Tod bedeuten“ oder auch „Upstairs“, - wenn blinde, oder erblindete Hauptfiguren im Mittelpunkt stehen und die Inszenierung auch nur halbwegs effektiv darauf zugeschnitten ist, ist grundlegend Mitfiebern angesagt und auch in diesem Fall bangt man zunehmend um das Schicksal der Titelfigur.
Einziges Manko bildet die etwas zu schlicht gehaltene Story mit vielen bekannten Mustern, doch dafür entschädigen die saubere Kamera, eine hervorragende Hauptdarstellerin und das grundlegende Gespür für spannende Momente.
7,5 von 10