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Italiens vielleicht berühmtester Regisseur erzählt mit diesem Film die Geschichte der Prostituierten Cabiria (Giulietta Masina), die auf der Suche nach Nähe und menschlicher Wärme immer wieder von egoistischen Männern ausgenutzt wird - und sich trotz aller Rückschläge ihren Lebensmut nicht nehmen lässt.

Wer Fellinis Alterswerk mit seinen surreal-ironisch angehauchten Satiren mag, sollte hier aufpassen: „Die Nächte der Cabiria" gehört formal noch ganz deutlich zu seiner Neorealismus-Phase. Einfache Kamerafahrten und simple, naturalistische Bilder fangen das Geschehen unaufgeregt und wie nebenbei ein - schon die dramatische Eskalation der Einstiegsszene, in der Cabiria von ihrem vermeintlichen Liebhaber in einen Fluss gestoßen wird, damit er ihre Handtasche rauben kann, kommt gerade durch diese inszenatorische Zurückhaltung umso eindringlicher daher. Auch der restliche Film erweist sich so als immer wieder überraschend intensiv, sei es der verzweifelte Besuch einer heiligen Messe, ein verhindertes Schäferstündchen mit einem berühmten Schauspieler oder die Begegnung mit einem wohltätigen Reisenden, der Obdachlose am Stadtrand mit Essen und Kleidung versorgt.

Durch diese klare Bildsprache und die exemplarischen Einzelszenen entsteht wie zufällig ein umfassendes Bild der italienischen Nachkriegsgesellschaft. Armut und Konkurrenz um Arbeit und Nahrung, aber auch Zusammenhalt und Klassenkampf spiegeln sich hier in zahlreichen Nebenfiguren und Handlungsfäden wider. Ohne erhobenen Zeigefinger lenkt Fellini - mit Unterstützung seines nicht minder genialen Regiekollegen Pier Paolo Pasolini - den Blick auf die Missstände der eigentlich wohlhabenden Gesellschaft, die breite Schichten unter moralischen Vorwänden (wer arm ist und sich prostituiert, ist selbst Schuld und verdient keine Unterstützung) verwahrlosen lässt. Ein stiller Höhepunkt des sozialkritischen Neorealismus.

Getragen wird dieses Panoptikum randgesellschaftlicher Existenzen von der wunderbaren Giulietta Masina. Die blutjunge Schauspielerin bildet mit ihrem hübschen Gesicht, den großen, ausdrucksstarken Augen und einer wilden, ungehemmten Mimik und Spielfreude den absoluten Mittelpunkt des Films. Wenn sie durch die Straßen stapft, sich weder von Schickeria noch Grobheit der Männer abschrecken lässt und immer wieder tut, wonach ihr gerade der Sinn steht, spürt auch der Zuschauer diese unbändige Lebenslust, die sie aus jeder Bewegung, jedem Moment ausstrahlt. Konterkariert wird diese selbstbewusste Freude von immer wieder unvermutet einbrechenden Szenen der tiefen Verzweiflung, in denen klar wird, dass Cabiria sich mit ihrem Schicksal nicht abfinden will, aus dem sozialen Abseits ausbrechen und die große Liebe finden will - und dass die immer neuen Enttäuschungen in diesem Bereich ihr ungeheuer wehtun. Cabiria dürfte zu Fellinis sympathischsten und eindringlichsten Figuren gehören, vergleichbar mit den tragischen Schicksalen etwa aus „La Strada" oder „Il Bidone".

Auch wenn die sehr ruhige Inszenierung streckenweise für kleine Längen sorgt und die deutsche Synchronisation wieder einmal ihren Hang zum Totalversagen beweist, ist „Die Nächte der Cabiria" ein wunderbarer, psychologisch kluger und formal ausgereifter Film über eine starke Frau und ihren Weg in einer ungerechten Gesellschaft. Für Fellini-Fans ein absolutes Muss.

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