Phantasm (1979) von Don Coscarelli
Phantasm II (1988) von Don Coscarelli
Phantasm III - Lord of the Dead (1994) von Don Coscarelli
Phantasm: OblIVion (1998) von Don Coscarelli
Phantasm: RaVager (2016) von David Hartman
Verlust in Serie
Bindet die einigermaßen beständige Fortführung eines Films über eine ganze Filmreihe den Ausgangsfilm stärker an die Gegenwart – oder rückt sie ihn nicht vielmehr um so deutlicher in die Ferne? Man kann sich sicherlich heutzutage einen bald 60 Jahre alten "Lawrence of Arabia" (1962) ansehen, ohne von einem Gefühl des Verlusts beschlichen zu werden. Im Gegenteil mutet der Film geradezu mythisch zeitlos an, was sicher auch der charismatischen Hauptfigur und der kanonischen Stellung des Films innerhalb der Filmgeschichte geschuldet ist. Nimmt man also einen weniger gewichtigen "Boccaccio '70" (1962): ein bisschen Nostalgie wird vielleicht mitschwingen, eine gewisse Altbackenheit bei dem einen oder der anderen sich einstellen – aber mit Melancholie oder gar echter Trauer wird man eher nicht auf diesen Film schauen. Bei einem "Dr. No" (1962) mag das schon anders aussehen, denn man wird – halbwegs gesunde cineastische Halbbildung einmal vorausgesetzt – den Film nicht ohne die anderen Bond-Filme gucken können. Und schon zu Zeiten eines George Lazenby wurden die früheren Connery-Bonds noch einige Male so augenzwinkernd wie wehmütig in Erinnerung gerufen, was noch deutlicher im ironischen "Never Say Never Again" (1983) geschehen sollte. Heute guckt man einen "Dr. No" mit dem Bewusstsein für eine 59 Jahre, 25-26 Filme und sechs Hauptdarsteller fassende Bond-Film-Geschichte, deren Filme seit Sam Mendes zudem recht schwermütig gerieten... Das ist Ballast, den man beim Schauen nicht so schnell verdrängen kann. Schwerer wiegt er vielleicht im Fall einer Filmreihe wie "Star Wars" (1977) samt Sequels und Prequels: hier agieren teilweise manche Hauptdarsteller noch nach Dekaden in derselben Rolle, derweil die Filmreihe nicht beständig rebootet, sondern die Figuren zeitlich in jede Richtung des Zeitstrahls verfolgt... Es entsteht eine sonderbare Bindung zwischen Publikum und Kunstfigur, von der gerade auch langlebige TV-Serien (und letztlich auch das kommerzielle Franchising) profitieren...
Diese Nähe zur Melancholie, die sich bei Filmreihen nicht nur dort einstellt, wo man in allerneuesten Sequels mit gealterten Figuren und gealterten Darsteller(innen) konfrontiert wird, sondern eben auch dort, wo man – im Wissen um diese Alterungen – die Jahre zurückliegenden Leinwandauftritte noch einmal auffrischt, betrifft ganz besonders auch die Phantasm-Reihe, die eine eingefleischte, kleine Fangemeinde besitzt, aber einem jüngeren Mainstream-Publikum sicher nicht einmal mehr präsent ist. Denn hier gehörten Melancholie und Verlust quasi schon von Anfang an fest dazu... und das macht sich ganz besonders nach "Phantasm: RaVager" bemerkbar, wie noch zu zeigen sein wird...
"Phantasm" ist [Achtung: Spoiler!] ein Horror- und Science-Fiction-Mix – der nicht zuletzt aber auch ein Familiendrama und ein Coming-of-Age-Film ist. Ein Coming-of-Age-Film, bei dem der Heranwachsende Mike (A. Michael Baldwin) gleichberechtigt neben dem bereits erwachsenen Bruder Jody (Bill Thornbury) und dessen nochmals etwas älteren Freund und Bandkollegen Reggie (Reggie Bannister) steht: hier geht es durchaus auch darum, was den Erwachsenen im Gegensatz zum Heranwachsenden bereits abhanden gekommen ist – und nicht ausschließlich um den Initiationsritus eines jungen Mannes, der sich dem Ernst des Lebens zu stellen hat.
Man sollte sich vielleicht einmal kurz die Geburtsjahre der Beteiligten in Erinnerung rufen: Regisseur und Autor Don Coscarelli wurde im Februar 1954 geboren, Thornbury im Mai 1952, Bannister bereits 1945, Baldwin im April 1963. Baldwin, der den dreizehnjährigen Mike spielt, war zum Zeitpunkt der (bei diesem relativ kostengünstigen Herzblut-Projekt unter Freunden äußerst langwierigen) Dreharbeiten 13-14 Jahre alt.[1] In diesem Alter erlebten Coscarelli und Thornbury gerade die Gegenkultur auf ihrem Höhepunkt (derweil Bannister als älterer Vertreter der '68er-Generation die Zeit des Auf- und Umbruchs bereits wesentlich gereifter und bewusster wahrnehmen konnte).
Diese Gegenkultur der Jahre um 1968, dieser Sozialisierungszeitraum der erwachsenen Filmschaffenden steckt in "Phantasm" zum einen wegen der Altersdifferenz zwischen Mike und den Erwachsenen, die ihre kindliche Unschuld, Mikes Blick (der als erster Blick das Unglaubliche wahrzunehmen versteht), hier schon verloren haben: Reggie verfügt (wie sein Darsteller mit Anfang/Mitte 30) über einen Haarkranz, wobei der Verlust des Haupthaares für diesen pferdeschwänzigen Langhaarfrisur-Sympathisanten sicherlich eine Verlusterfahrung dargestellt haben dürfte. Wie Jody hat Reggie zudem gerade (zu Beginn des Films) einen engen Freund, den gemeinsamen Bandkollegen Tommy, durch vermeintlichen Selbstmord verloren. (Das Publikum weiß bereits: eine Frau, die sich anschließend in einen hochaufgeschossenen älteren Mann (Angus Scrimm) verwandelte, hat ihn in der Nacht beim Vorspiel im Freien erstochen.) Und Jody wird etwas später einen alten Freund, Toby, wiedersehen, den erst Tommys Begräbnis wieder in die alte Heimat zurückgeholt hat. Vor allem aber hat Jody – wie sein jüngerer Bruder Mike zwar auch – ein, zwei Jahre zuvor die Eltern verloren, wird aber anders als der heranwachsende Bruder als tatsächlich bewusst und reflektiert unter der Verlusterfahrung Leidender eingeführt: Gleich in der dritten Szene von "Phantasm" schreitet Jody zum Grab der Eltern, die laut Gravur 1977 – 46jährig bzw. 44jährig – verstorben sind, derweil Mike in der nächsten Szene weit weniger besinnlich mit seinem Mofa über den Friedhof rast (und sich scheinbar nur für seine Maschine interessiert, sowie kurz darauf für die ungewöhnlichen Vorgänge an diesem Ort). Jody wird zudem über seinen Namen deutlich enger an den toten Vater gekoppelt, der am Grab als Jody, sr. aufgeführt wird. Natürlich werden später die Alpträume erwähnt, die Mike nach dem Tod der Eltern gehabt habe: aber das ist bereits die entscheidende Abweichung: Mike, dem es noch leicht fällt, an übernatürliche Monstren zu glauben, und der gutgläubig eine Wahrsagerin in der Nachbarschaft aufsucht, verarbeitet den Tod der Eltern über Alpträume, Jody hingegen über die konventionellen Trauerzeremonien und -rituale sowie ein Bewusstsein für die Vergänglichkeit der Dinge. Und die verlorene Unschuld eines Jody fällt nun also genau in die Jahre um 1968; in denen Reggie, dessen Filmalter man nicht erfährt, dessen Darsteller jedoch um 1968 etwa 22, 23 Jahre zählte, sicher nicht mehr kindlich-unschuldig war, aber zumindest erheblich weniger Verlusterfahrungen gemacht hatte: weder der Tod des Bandkollegen, noch der Tod der Eltern des anderen Bandkollegen waren zu beklagen – und vermutlich hatte Reggie auch sein volles Haupthaar noch weitestgehend gehabt... Und da ist noch etwas, was nicht passé war: die Jahre von 1968 selbst.
Um das zu verdeutlichen, soll noch einmal abgeschweift werden: auf die Rolling Stones. Jody trägt – während er einmal mit Reggie unverbindlich musiziert in einem der wenigen rundum ausgelassenen Momente des Films, der zu den liebenswürdigsten und harmonischsten im Horrorkino der 70er Jahre zählt – ein T-Shirt mit dem berühmten tongue and lips-Logo der Rolling Stones. Allein das 1970 kreierte Logo war zu diesem Zeitpunkt bereits acht bis neun Jahre alt... die Band selbst bereits 17 Jahre alt, wobei der Durchbruch etwa 15 Jahre zurücklag. Und der Austritt von Gründungsmitglied und Leadgitarrist Brian Jones im Jahr 1969 lag bereits zehn Jahre zurück. 1969 ist für die Rolling Stones noch in anderer Hinsicht ein bedeutendes Jahr: Während ihres Auftritts auf dem Altamond Free Concert im Jahr 1969 war ein Mann im Publikum erstochen worden, nachdem Mick Jagger im Vorfeld nicht so ganz glücklich die bereits aufgeheizte Stimmung zu beruhigen versucht hatte. In "Gimme Shelter" (1970), einem der wichtigsten Musik- und Konzert-Dokumentarfilme aller Zeiten, findet man die Ereignisse bestens dokumentiert. Mit den Tate-Morden der Manson Family im selben Jahr, denen und dem sich Tarantino jüngst noch einmal auf eher ungewöhnliche Weise widmete, gilt das Altamont Free Concert mit dem tragischen Todesfall als verstörendes Gegenstück zum 1967er Summer of Love – und die Ära der Flower Power- und Love and Peace-Bewegung hatte einen heftigen Dämpfer verpasst bekommen, dem etwa bis Watergate eine schleichende Resignation der '68er-Bewegung nachfolgte. Auch das steckt in "Phantasm" drin: Es geht nicht einfach nur um das Heranwachsen und um den Verlust der Kindheit, sondern auch um das Vergehen von Bewegungen und Lebensgefühlen, das in diesem Fall einem besonders heftigen Übergang von einer utopischen Aufbruchsstimmung in die Resignation (der zweiten Hälfte der 70er Jahre) entspricht.[2]
Das ist der größere Kontext, in welchem man die ja eigentlich offenkundige und unter Phantasm-Fans tatsächlich auch weithin geläufige Coming-of-Age-Geschichte sehen muss, die – kurz gerafft – etwa so aussieht: Ein geheimnisvoller Tall Man verwandelt als Bestatter auf dem Morningside-Friedhof die Körper der (teils durch sein Wirken) Verschiedenen in zwergenhafte Sklaven für Arbeiten auf einem fernen Planeten, zu welchem metallene, Stimmgabeln gleichende Röhren eine Pforte, ein Dimensionsportal erschaffen, derweil metallene Flugbälle mit integriertem Bohrer all dies zu schützen verstehen. Und Mike, der traum-affine Junge mit Glauben an Hellseherei, vermag es als erstes, diese Vorgänge tatsächlich wahrzunehmen, derweil Jody und Reggie erst nach 45% der Laufzeit dank Mike Wind davon bekommen...[3] Kindliche Aufgeschlossenheit darf hier ihre Vorteile in einer Welt der festgefahrenen Perspektive der Erwachsenen unter Beweis stellen.
"Phantasm" stellt anders als nicht-phantastische Coming-of-Age-Filme einen doppelten Prozess vor: Zum einen wird der Heranwachsende mit Tod und Vergänglichkeit und Gefahr (und – als Voyeur – mit Sexualität) konfrontiert und darf sich in mancherlei Erwachsenendingen (Fahren, Trinken, Schießen) behaupten, zum anderen werden aber die Erwachsenen eine Offenheit für das eigentlich ja Ausgeschlossene zurückerlangen. (Und ganz nebenbei: Die großteils hellsichtigen Frauen, die Wahrsagerin und ihre zauberkundige Enkeltochter, sind hier weitgehend schon auf der Seite des Kindes, bloß die Männer müssen diese – positiv konnotierte – Perspektive neu erlernen: Hellsichtigkeit und psychic links, die letztlich auch bei Mike und Jody zu bestehen scheinen, sind für diese Frauen teils ganz natürliche Vorgänge; und eine Lektion in Sachen Angstbewältigung, die Mike von ihnen geboten wird, dient dazu, die Macht der Vorstellungskraft darzulegen.[4] Immerhin: Reggie, der kreative Musiker, arbeitet in allererster Linie als Eiscreme-Verkäufer – eine kindliche Seite des heimlichen Helden der gesamten Reihe deutet sich hier an.) Und weil die ganze Phantasm-Reihe diesen Lernprozess weiterverfolgt, derweil Mike im Laufe der Filme selber das Erwachsenenalter erreicht, bekommt dieser Punkt enorm viel Gewicht (wenn auch, wie in Fußnote 4 angedeutet und im folgenden Abschnitt sowie gegen Ende des Textes dargelegt, insbesondere der erste und der letzte Teil der Reihe durchaus Platz lassen, die Ereignisse als Einbildungen zu deuten)...
Noch etwas ist in "Phantasm" angelegt, was im Laufe der Sequels mehr und mehr Gewicht erhalten wird – und Teile des Publikum begeistert und andere Teile enttäuscht. Es handelt es sich um die irritierenden Brüche und Wendungen der Handlung, die mit jedem Teil gravierender geraten. In "Phantasm" etwa scheint der Tall Man zu verbrennen, wird Reggie dann aber doch von der Frauengestalt des Tall Man erstochen, können Mike und Jody fliehen und den Tall Man abermals töten... doch dann ist alles anders: Reggie steht Mike bei, dessen Erinnerungen an das Vorherige pure Fantasie zu sein scheinen. Jody sei vor Kurzem bei einem Verkehrsunfall umgekommen, Mike habe sich in seine Alptraumvorstellungen geflüchtet (was Jody anfangs über Mikes Reaktionen auf den Tod der Eltern verlauten ließ)... Reggie jedenfalls sei immer für Mike da. Doch dann wird Mike doch noch Opfer des Tall Man, der ihn als Erscheinung – erst als Spiegelbild, dann auch im Zimmer – überrascht, woraufhin Mike durch den Spiegel hindurchgezogen wird... Ein wenig "Through the Looking-Glass, and What Alice Found There"-Metaphorik, die freilich – ohne Berücksichtigung der späteren Sequels – noch offen lässt, ob Mike tatsächlich seiner puren Vorstellungskraft zum Opfer fällt, mit der er sich vom Tod seiner engsten Verwandschaft ablenkt (was aus "Phantasm" ein ganz natürliches Drama machen würde, in welchem dann aber gerade die kindliche Vorstellungskraft als ein wenig problematisch erscheint) oder ob hier tatsächlich unheilvolle Kräfte wirken, denen dann aber auch schon in "Phantasm" selbst die innere Handlungslogik zum Opfer fällt (was aber mit der Alptraum-Atmosphäre mancher Sequenzen und mit den teils surreal anmutenden Arrangements ganz gut harmoniert).[5]
Diese Uneindeutigkeit von "Phantasm" ist mit "Phantasm II" und den weiteren Teilen keinesfalls vom Tisch – da grundsätzlich kein Film eindeutiger wird, bloß weil ein späteres Sequel ihn auf eine konkretere Weise auslegt und fortsetzt –, aber sieht man "Phantasm" eben mit beengenderem Blick als Beginn der durch die Sequels fortgeführten Linie, sieht man eben nicht die fünf Filme als einzelne Punkte, sondern sieht man die reine Reihe selbst, dann hat man es schon hier eben mit einem ersten der vielen Logikbrüche zu tun.[6]
"Phantasm II" beginnt jedenfalls mit einem irritierenden Bruch, obgleich einigermaßen direkt an den Vorgänger angeknüpft wird: Reggie habe den damals von den Zwergen des Tall Man durch den Spiegel gezogenen Mike retten können. Doch Reggie weiß davon nichts mehr und Mike, der lange therapiert worden ist, muss seinem Therapeuten gegenüber beteuern, dass er all diese Ereignisse nun ganz klar als pure Einbildung (an)erkannt habe. Mike kann Reggie jedoch von seiner vermeintlich wahnhaften, eigenen Wahrheit überzeugen, indem er den Tod von Reggies Verwandten vorhersagt, die kurz darauf vor ihren Augen durch eine Gasexplosion umkommen, nachdem Reggie den frisch entlassenen Mike auf dem örtlichen Friedhof aufgegabelt hat – wo Mike zu seinem Entsetzen trotz längerer Graberei keine Leichname mehr finden konnte. Vorhergesehen hat all das auch eine junge Frau, Liz, die über einen psychic link Zeugin der Ereignisse rund um den Tall Man und Mike geworden ist: schon seit Jahren, seit den Ereignissen des ersten Teils. Auf sie trifft der inzwischen auch nochmals deutlich hellsichtigere Mike mit Reggie, nachdem beide zur Jagd auf den Tall Man geblasen haben, der längst eine Spur der Auslöschung durch die kleineren Ortschaften gezogen hat. Das mag fast plausibel für einen phantastischen Horrorfilm klingen: doch hätte ja, wenn der ganze übernatürliche Tall Man-Teil des ersten Films keine Einbildung Mikes gewesen wäre, Jody noch leben und Reggie schon tot sein müssen. Der Umstand, dass Reggie noch lebt, Jody aber in diesem Teil – wie auch die toten Eltern, um deren Fortbestehen als Zwergensklaven auf fremden Planeten man sich im ersten Teil noch gesorgt hatte – gar nicht mehr weiter thematisiert wird, würde eigentlich bedeuten müssen, dass die Ereignisse rund um den Tall Man reine Einbildung sind. Doch genau diese Lesart sabotiert nun "Phantasm II". Hinzu gesellt sich ein weiterer Bruch: James Le Gros ersetzt hier Baldwin als Mike...
"Phantasm" und "Phantasm II" erscheinen im Doppelpack somit als Anfänge einer Serie, in der die einzelnen Teile lediglich für sich allein gesehen werden können: So wie man "Phantasm" ohne die Sequels sehen muss, um sich die volle Bedeutungsbandbreite – also auch die eines nirgends übernatürlichen, reinen Dramas – offenzuhalten, muss man "Phantasm II" ohne den Vorgänger schauen und sich alleine auf die abweichende Zusammenfassung des Vorgängers in "Phantasm II" verlassen, um einen Film ohne Logikfehler rezipieren zu können.[7]
Auf einer Ebene, einer vielleicht eher vordergründigen Ebene der puren Unterhaltung, ist "Phantasm II" also etwa das: Ein recht anständig budgetierter schwarzhumoriger Horrorfilm mit Science-Fiction-Elementen, der Buddy-Movie-Motive aufgreift und sich lose an Roadmovie-Strukturen orientiert; der die Wahn-oder-Wahrheit-Elemente des Vorgängers gegen völlig eindeutige psychic link-Szenarios in der innerfilmischen Realität austauscht, der die surrealen Momente des Vorgängers leicht abschwächt und einen späten 70er-Jahre-Independent-Look in eine späte 80er-Jahre-Studioästhetik überträgt, der all dies mit etwas drastischeren Splatterszenen und größeren Actionszenen garniert... Angus Scrimm und Reggie Bannister erhalten hier mit denkwürdigen Auftritten und eigenwilligen Zügen mehr Profil und werden recht erfolgreich zu kleinen Genre-Stars ausgebaut: dass Reggie hier vergeblich auf Chancen beim anderen Geschlecht hofft, sollte zum runnig gag der Reihe geraten.
Schon auf dieser ersten Ebene ist das Verlust-Thema des ersten Teils wieder präsent: Reggie hatte zu Beginn seine Erinnerung an die (traumatisierenden?) früheren Ereignisse verloren, danach sein Haus, seine Familie und sein geregeltes Leben; Liz verliert ihre Großeltern, Liz' Großmutter zuvor ihren Ehemann... das Vergangensein der 1968er Jugendzeit mit all ihren Hoffnungen lastet hier indes nicht mehr auf Reggie (oder irgendwem), sein fortschreitendes Alter wird mit der recht profanen Feststellung, dass er ein Eiscreme-Verkäufer mit Glatze sei, der auf die 50 zugeht, etwas flappsig und durchaus humorvoll thematisiert und spielt im Grunde keine echte Rolle mehr, da dieser 50jährige Eisverkäufer mit Glatzenbildung immerhin dabei ist, zahlreiche Menschen vor allerlei Unheil zu bewahren... Das Verlust-Thema verliert hier merklich an Tiefe, die echte Melancholie weicht hier einer holzschnittartigen Thematisierung von allerlei Verlusten, welche die Handlung vorantreiben sollen, aber keine Wehmut mehr in den Figuren aufscheinen lassen...
Alles ist etwas größer, etwas teurer, etwas geschliffener und gelackter, aber auch etwas emotionsloser und oberflächenorientierter. Insofern enttäuscht "Phantasm II" sicherlich gehörig.
Da ist aber auch noch eine weitere, abstraktere Ebene. Auf dieser Ebene ist "Phantasm II" (wie jeder andere Phantasm-Teil auch) etwa das: Teil einer aufeinander aufbauenden Reihe, welcher allerdings darauf beharrt, ihn doch auch unabhängig vom vorangegangenen (oder nachfolgenden) Teil zu betrachten. In diesem Schon-Reihe-aber-doch-auch-unbedingt-und-notwendigerweise-noch-einzelner-Teil scheint dann aber eine philosophische Problematik auf, die dort im Verborgenen bleiben muss, wo sich Teil und folgender Teil problemlos zu einer Reihe zusammenfügen. Dieses Reihe-Teil-Problem verweist im Grunde auf das Linie-Punkt-Problem, auf ein philosophisches Paradoxon... oder eher: auf philosophische Paradoxa. Man könnte Zenons fliegenden Pfeil nehmen, der in jedem einzelnen Moment seines Fluges unbeweglich sein muss. Oder man könnte Zenons Bild von Achilles und der Schildkröte, die Achilles nicht überholen könne, nehmen. Natürlich weiß jeder, dass ein fliegender Pfeil nicht unbeweglich ist und dass Achilles mit höherer Geschwindigkeit eine Schildkröte natürlich überholen kann. Aber Zenons Paradoxa berühren das schwierige, seit Parmenides zur Philosophiegeschichte gehörende Verhältnis von Vielheit und Einheit, manchmal räumlich, manchmal zeitlich: Der (Zeit-)Punkt besitzt keine (zeitliche) Ausdehnung, soll aber im Verbund mit anderen (Zeit-)Punkten einen ausgedehnten (Zeit-)Raum ergeben können.
Die Philosophie hat diverse Herangehensweisen an dieses grundsätzliche Paradoxon parat – und jede dieser Herangehensweisen wird ganz unterschiedlich bewertet, eingestuft und ihrerseits kritisiert. Für die Phantasm-Reihe ist aus zwei Gründen die Herangehensweise Henri Bergsons von Interesse: einmal ganz direkt über die große Rolle der Erinnerung und der subjektiven Zeitwahrnehmung (der Figuren, aber auch des Publikums); einmal weniger direkt über Gilles Deleuzes direkt auf Bergson aufbauende Philosophie des Films...
Bei Bergson liest sich das Linie-Punkt-Paradoxon – in "Introduction à la Métaphysique" (1903) – folgendermaßen: "Wenn ich die Dauer als eine Vielheit von Augenblicken betrachte, die untereinander durch eine Einheit verbunden sind, die wie ein Faden durch sie hindurchgeht, so sind diese Augenblicke, mag die gewählte Dauer noch so kurz sein, von unbegrenzter Zahl. Ich kann sie so nah aneinanderrücken, wie es mir gefällt, es gibt immer zwischen diesen mathematischen Punkten wieder weitere Punkte und so ad infinitum. Vom Standpunkt der Vielheit aus betrachtet, wird sich die Dauer also in eine Staubwolke von Augenblicken verflüchtigen, von denen keiner dauert, da jeder von ihnen eine Momentaufnahme ist. Wenn ich andererseits die Einheit in Betracht ziehe, die die Momente miteinander verbindet, so kann sie ebensowenig dauern, da nach Voraussetzung alles, was veränderlich und im eigentlichen Sinn dauernd in der Dauer ist, auf Rechnung der Vielheit der Augenblicke kommt. Diese Einheit wird mir also in demselben Maße, wie ich tiefer in ihr Wesen eindringe, als ein unbewegliches Substrat der Bewegung erscheinen, gewissermaßen wie eine zeitlose Essenz der Zeit: diese Essenz nenne ich Ewigkeit, – Ewigkeit des Todes, weil sie nichts anderes ist als die Bewegung, aus der die Beweglichkeit, die ihr Leben ausmachte, herausfiltriert worden ist."[8] Wie man es also dreht und wendet, ob man sich nun an diese unbewegliche Ewigkeit oder aber an die dauerlosen Augenblicke halten möchte: stets erscheine "die Zeit vom psychologischen Gesichtspunkt aus als eine Mischung von zwei Abstraktionen, die weder Abstufungen noch Nuancen vertragen."[9] Bergson weist hier die intuition als die angeratene Herangehensweise aus (die nicht völlig deckungsgleich ist mit dem, was man hierzulande unter Intuition gemeinhin versteht). Die intuition vermag es bei Bergson, anstelle der "Ewigkeit des Todes"[10] eine "Ewigkeit des Lebens"[11] zugänglich zu machen, wie gleich gezeigt werden soll. Allerdings – das ist der völlig berechtigte Einwand gegenüber der bergsonschen Herangehensweise an das Paradoxon – stellt die intuition keine Lösung des Paradoxons dar: sie umgeht das Paradoxon schlichtweg nur. Denn "man begreift, daß feste Begriffe durch unser Denken aus der Beweglichkeit abstrahiert werden können, aber es gibt kein Mittel, um mit der Festigkeit der Begriffe die Beweglichkeit des Beweglichen wiederzugewinnen."[12] Das Problem sieht Bergson letztlich also in einer Art Irrweg der antiken Philosophie: "Diese ganze Philosophie, die mit Platon anfängt, um mit Plotin zu enden, ist die Entfaltung eines Prinzips, das wir so formulieren würden: 'Im Unveränderlichen ist mehr als im Bewegten, und man geht vom Stabilen zum Unstabilen durch eine einfache Abschwächung über.' Das Gegenteil aber ist die Wahrheit."[13] Bergson umgeht das Paradoxon, indem er eine – durchaus auf Intelligenz angewiesene – intuition neben den reinen Intellekt stellt, als ein Erkennen der Dauer durch das in der Dauer seiende Subjekt. In seinen späteren Hauptwerken wird er zunehmend die erkannte, die erlebte Dauer gegen das lineare Zeitstrahl-Konzept ausspielen.
Drängt einen die Phantasm-Reihe also zunächst auf vermeintlich regelwidrige, anschlussfehlerbehaftete Weise dazu, die Reihe selbst aber eben auch die Teile für sich zu betrachten und notwendigerweise eine irritierende Unvereinbarkeit von beidem wahrzunehmen, so könnte man quasi mit Bergson dieses Problem der Unvereinbarkeit umgehen und eher auf die erlebte Dauer setzten: Schon im ersten "Phantasm" wird ja die Möglichkeit eröffnet, dass Mike einfach unter falschen Erinnerungen leidet, derweil er die Tatsachen verdrängt. "Phantasm II" führt das gleich zu Beginn fort, wenn sich erst die neu eingeführte Liz an die früheren Ereignisse erinnert, dann Mike: beide kommentieren aus dem Off das Vorgeschehen und "Phantasm" – sowie die Phase zwischen "Phantasm" und "Phantasm II" – wird im Sequel eindeutig als erinnertes Geschehen ausgewiesen. Und jetzt darf sich ein Publikum einmal kurz gewahr werden, dass es sich selber beim Filmegucken permanent an das bereits Ges(ch)ehene zu erinnern hat: was etwas leichter fällt, wenn man sich über die Dauer von "Phantasm II" hinweg an all die Ereignisse aus "Phantasm II" erinnern muss – wobei bereits dies unmöglich ist, wenn man sich wirklich und wortwörtlich an all die Ereignisse erinnern will, sofern der Begriff des Ereignisses jedes noch so kleine Detail, jede noch so kleine Nuance abdeckt –, was aber schon schwieriger wird, wenn man sich zu Beginn von "Phantasm II" an "Phantasm" erinnern soll, den man vielleicht neun Jahre lang nicht mehr gesehen hat... Und 1988 war es nicht so leicht wie heutzutage, so eine Sichtung schnell noch einmal aufzufrischen. Die Phantasm-Reihe ist vielleicht nicht für das gemacht, was man heute als Binge Watching bezeichnet; vielleicht ist sie viel eher dafür gemacht, sich die Teile mit ihren jeweils neun-, sechs-, vier- und achtzehnjährigen Abständen zwischen den Teilen anzuschauen, damit man auch als Publikum – das heute wie gesagt jederzeit alles auffrischen und zudem beständig vor- und zurückspulen kann – die Option der trügerischen Erinnerung für sich selbst in Erwägung ziehen kann. Dann kann man nicht so ohne weiteres verifizieren, wer sich falsch erinnert: man selbst – oder die Phantasm-Reihe? Das ist eine Qualität der Reihe, die allerdings verloren geht, je verfügbarer die Filme geworden sind und je häufiger und genauer ein Publikum sie gesichtet hat: Film kann zwar die unzuverlässige subjektive Perspektive des Gedächtnisverlustes oder des Wahnsinns liefern, ist dann (und vor allem heutzutage) aber – wiederholt sicht- und stets durchspulbar – ausgesprochen zuverlässig und objektiv in Bezug auf das, was er zeigt. Das ist von Vorteil, wenn etwa in einem "Fight Club" (1999) die Fehlfunktionen von Wahrnehmung und Erinnerung aufgehellt werden; es ist aber von Nachteil, wenn etwa in der Phantasm-Reihe der Schauer des unaufdröselbaren Wahns, der Phantasmen, des Unzuverlässigen und (Alp-)Traumhaften selbst das Ziel ist. Hier führt die wiederholte Sichtung, führt der Vergleich bloß zur Feststellung, dass der Film das enthält, was man gemeinhin Fehler nennt. Wobei die Phantasm-Reihe diese Fehler aber bewusst einbaut – und einem bewusst den Schlüssel zur Erklärung vorenthält: ein Kontext, in dem dann sogar die ganzen goofs bestens ins Konzept passen (wobei ja goofs, trotz Abweichung vom vielleicht gewünschten Ergebnis, streng genommen nie als echte Fehler einzustufen sind, da sie als Elemente des Films dessen Realität erst errichten, die dann halt mit der außerfilmischen Realität schlicht nicht deckungsgleich ist, was aber eben erst einmal vollkommen zulässig ist). Binge Watching führt im Fall der Phantasm-Reihe also eher nur dazu, dass man bemerkt, wo sich die Reihe falsch erinnert, derweil aber die Möglichkeit, anzunehmen, dass man selbst die Filme falsch erinnert, zerstört wird... Die Reihe wird ein wenig entzaubert – aber man erfährt nachträglich, wie sie einen vielleicht einmal verzaubert hat.
Man könnte natürlich einwenden, dass der obige Verweis auf Zenons Paradoxa auf einer unzulässigen Analogie beruht: Die Phantasm-Teile verweigern sich ja deshalb der Phantasm-Reihenbildung, weil die Teil-Inhalte nicht zueinanderpassen, derweil sich ja die Punkte nie zu einer Linie fügen können, weil sie schlicht keinerlei Raum einnehmen. Hier ist nun der weniger direkte Grund, weshalb Bergsons Herangehensweise an Zenons Paradoxa für die Phantasm-Reihe von Interesse ist, relevant, da er auch erklärt, weshalb Zenons Paradoxa eben doch eine passende Analogie bilden, auch wenn die Phantasm-Teile durchaus Raum einnehmen...
Denn entscheidend ist bei den Punkten und der Linie, dass sich keine Punkte finden lassen, zwischen welche sich nicht doch noch weitere Punkte quetschen ließen. Und für die Entstehung der Linie müssten eben alle Lücken zwischen Punkten geschlossen sein. Und das betrifft nun auch die durchaus Zeiträume einnehmenden Filme (mit ihren 89, 97, 91, 90 und 85 Minuten): Diese Filmreihe kann sich nie über ihre einzelnen Teile hinwegsetzen, weil es eben Lücken zwischen diesen Teilen gibt (in denen die Erklärung liegen muss, wie es zu den Abweichungen in den Fortsetzungen kommt). "Phantasm" endete wie oben dargelegt noch mit einem Entweder-oder, wobei nur eine Option (nämlich: das Übernatürliche ereignet sich tatsächlich (aber Reggie ist dennoch nicht tot)) bereits Erklärungslücken generierte. Aber solche Erklärungslücken sind innerhalb eines einzigen Films noch keine Lücken, welche später eine Reihenbildung verhindern. Der (gewollte) Anknüpfungsfehler eines Sequels jedoch, das ja nicht den Bildfluss eines früheren Films direkt und flüssig fortsetzen kann,[14] führt zu einer Hemmung, die irritierende Abweichung vom bekannten Geschehen als zulässig zu akzeptieren. (Insbesondere dann, wenn die Filmschaffenden gewechselt haben: in diesem Fall nimmt man es den neuen Filmschaffenden geradezu übel, gewissermaßen mit dem Innenleben eines Franchises gebrochen zu haben.) Selbst wenn "Phantasm" also keine einigermaßen schlüssige Erklärungsmöglichkeit der Ereignisse geboten hätte (nämlich: fast alles war Mikes Einbildung, nichts Übernatürliches war geschehen, bloß die wenigen Minuten mit Mike und Reggie vor dem Kamin waren Abbildungen objektiver Wirklichkeit, davor und danach wütete kindliche Einbildungskraft infolge eines Traumas) und die innere Logik schon ohne Sequels, in "Phantasm" selbst, erschüttert worden wäre, wäre das weniger gravierend gewesen: Der Film hätte ein Unerklärliches geboten, dessen Aufhellung er verweigert. Das scheint legitimer als der Fall eines Sequels, das eine unerklärliche Abweichung von einem Vorgänger etabliert, die dann nicht mehr erhellt wird (und auch in weiteren Sequels nie mehr erhellt werden wird).
Der weniger direkte Grund, weshalb Bergsons Herangehensweise an Zenons Paradoxa für die Phantasm-Reihe von Interesse ist, sollte ja in Deleuzes bergsongeprägter Philosophie des Films liegen. Bergsons Plädoyer für die Dauer ernst nehmend, entwickelte Deleuze eine Theorie des Zeit-Bildes, welches den modernen Film begleitet. Anstelle des Bewegungs-Bildes mit seinem Aktions-Reaktions-Schema etablierte das Zeit-Bild ein Kino der direkten Abbildungen von Zeit und der erlebten Dauer, die besonders bei Alain Robbe-Grillet und Alain Resnais (und heute könnte man ergänzen: David Lynch) auch in das Reich der Virtualität vorstößt, in ein Reich der Ununterscheidbarkeit "zwischen dem Realen und Imaginären, dem Objektiven und Subjektiven, dem Physischen und Mentalen, dem Aktuellen und Virtuellen"[15], in ein Reich der "unentscheidbare[n] Alternativen zwischen den Vergangenheitsschichten"[16], in ein Reich des "Kristallbild[es]"[17], in dem sich (Aktualitäten und) Virtualitäten ununterscheidbar spiegeln, in ein "intellektuelle[s] Kino des Gehirns"[18]. In einem solchen Konzept von Kino sind natürlich vermeintliche Anschlussfehler nichts anderes als explizite Wegweiser in die Virtualität: "Der falsche Anschluß ist kein Übergang im kontinuierlichen Zusammenhang, auch kein Bruch oder diskontinuierlicher Übergang. Der falsche Anschluß ist, für sich genommen, eine Dimension des Offenen, das den Ensembles und ihren Teilen entgeht."[19]
Inmitten der Phantasm-Reihe, die mit (Alp-)Träumen und Wachen, mit Wahn und Wirklichkeit sowie mit falscher Erinnerung spielt, fügen sich falsche Anschlüsse und goofs wunderbar ein: Schaut man sich den Anfang von "Phantasm II" an, der eine Brücke zum Vorgänger zu schlagen bemüht ist, so fällt auf, dass der Raum, in dem Reggie Gitarre spielt, derweil Mike eine Etage höher vom Tall Man und seinen Handlangern überwältigt wird, sich überraschend verändert, als Reggie die Kampfgeräusche vernimmt. Nüchtern könnte man sagen: Die 1988er Inszenierung vermochte nicht hundertprozentig an das verwendete alte 1979er Material anzuknüpfen; da wurde etwas nachlässig gearbeitet; da wurde geschlampt. Man könnte auch sagen: Etwas an dem Raum hat sich auf wundersame Weise geändert – oder vielmehr, da es sich um erinnerte Eindrücke handelt: die Erinnerung an den Raum hat sich plötzlich verändert. Und schon hätte bereits diese mutmaßliche Schlamperei, dieser mutmaßliche Flüchtigkeitsfehler jenes Phantasm-Motiv des Trügerischen ins Boot geholt. Mit einem entspannten Gemüt auf diese Szene blickend ließe sich also attestieren: Kein frustrierendes Weder-so-noch-so des Raums wird einem geboten, sondern ein Sowohl-als-auch des Raums. Es mag so gewesen sein (mit Kaminbesteck links neben dem Kamin, mit Stuhl links/hinter Reggie), es mag aber auch so gewesen sein (ohne Kaminbesteck links neben dem Kamin, ohne Stuhl links/hinter Reggie), wir bekommen aber eben beides. Das ist jene besagte Öffnung in die Virtualität (für die – soviel sei gespoilert – "Phantasm: RaVager" treffende Bilder findet: Parallelwelten, welche die Virtualität in die Außenwelt projizieren, und geistige Verwirrtheit, welche die Virtualität ins demenzkranke Hirn pflanzt... hier werden die Lücken dann doch gestopft, die Virtualität allerdings beibehalten).
Die Phantasm-Reihe verweist ständig ins Virtuelle, besonders am Beginn eines jeden neuen Sequels. Insofern gleichen die gewollten und ungewollten Fehler den metallischen Portalen des Tall Man, die an ferne, unbekannte Orte führen. Und so ließen sich dann die Lücken zwischen den Teilen doch wieder schließen: indem man die Erklärung der Abweichung im Virtuellen ansiedelt. Die Filmreihe über übernatürliche Dimensionsportale, trügerische Erinnerungen, Wahnvorstellungen und (Alp-)Träume bietet einen Kontext, in dem das ganz gut klappt. In der erlebten Dauer, die für Bergson und Deleuze so wichtig ist, liegen Vergangenheit und Gegenwart dicht bei- oder vielmehr ineinander, liegen somit – aufgrund des potentiell Trügerischen der Erinnerung – Virtualität und Aktualität dicht bei- oder vielmehr ineinander. Und in jener Virtualität, die von allen gewollten und ungewollten Fehlern befeuert wird, liegt des Rätsels Lösung... oder besser: in jener Virtualität liegen alle nur denkbaren Lösungsmöglichkeiten. Bloß wird in der gesamten Phantasm-Reihe keine dieser Möglichkeiten jemals aktuell – derweil das Rätsel immer verworrener gerät...
"It's never over!"[20], verkündet der Tall Man am Schluss von "Phantasm III - Lord of the Dead"; da hatte Coscarelli vermutlich längst gewusst, dass die Phantasm-Reihe ein unabschließbares Franchise geworden ist, voller unerklärlicher Brüche und Abweichungen, die sich zunehmend in einer immer weiter ausufernden Handlung ausbreiten, die immer deutlicher auf die Virtualität verweist, in der allein die (an keiner Stelle aktualisierten) Erklärungsmöglichkeiten ruhen. Und tatsächlich hat Teil 3 fortgeführt, was "Phantasm II" als erstes Sequel eingebracht hatte: die konsequente Inkonsequenz.
In "Phantasm II" hatte man den Tall Man zunächst vernichten können. Dennoch ist Reggie am Schluss scheinbar tödlich neben jenem Leichenwagen zusammengesackt, in dem Liz und Mike vom Tall Man und seinen Geschöpfen entführt werden, um dann – als Hommage an den Vorgänger – von einigen Klauen durch die Rückscheibe gerissen zu werden. In "Phantasm III - Lord of the Dead" stellt sich abermals alles etwas anders dar: Reggie ist nie reglos für längere Zeit auf der Straße zusammengesackt, sondern war bloß leicht verwundet und erschöpft. Und Mike wird in dieser Rückblende wieder von Baldwin dargestellt, der nach 15 Jahren wieder mit dabei ist. Reggie kann ihn – anders als Liz – vor dem Tall Man und dessen Geschöpfen bewahren und bringt ihn ins Krankenhaus, wo auch Bill Thornbury erstmals nach dem Original wieder einen Auftritt als Jody in Mikes Nahtoderfahrung hat. Auch Reggie wird im dritten Teil in seinen Träumen von Jody aufgesucht, der sich beiden auch im Wachzustand zu zeigen versteht. Er ist tot, vielleicht aber auch doch nicht: teils ein Geist, teils eine jener metallenen phantasm spheres, die als Waffen des Tall Man Löcher in ihre Opfer bohren; und er ist auf der Flucht vor dem Tall Man, der sich auch Mike holen wird und Reggie allein – bzw. mit Jodys kaum kommunikationsfähigem Geist in einer arg lädierten phantasm sphere – zurück lässt...
Warum? Weshalb? Das wird natürlich nicht beantwortet werden. Dafür verzweigt sich der dritte Teil in allerlei Enthüllungen und neue Elemente, welche die Phantasm-Reihe keinesfalls voranbringen: Reggie jagt dem einzigen Anhaltspunkt ins ausgelöschte Städtchen Holtsville nach. Drei Gangster und ein kleiner Junge namens Tim, der alle drei in bester "Home Alone"-Manier um die Ecke bringt, kreuzen seine Wege zunächst. Der Junge hat seine Eltern an den Tall Man verloren, ist – obgleich der Film noch immer etwa 1987/1988 spielt – die Mitt-90er-Jahre-Variante des jungen Mike und tritt hier an die Stelle von Liz. Mit Tim trifft Reggie auf die kampferprobte Rocky, die ihre Heimatstadt, ihre ganze Familie sowie ihre Freundin an den Tall Man und eine der phantasm spheres verloren hat, und gemeinsam kann man den Tall Man aufspüren – der zwischenzeitlich die toten Gangster zombifiziert hat – und (unterstützt von Jody) Mike befreien. Dieser erfährt von Jody, dass die spheres von den hineinverpflanzten Hirnteilen der geschrumpften Leichname, die dem Tall Man als Sklaven zu Diensten sind, gesteuert werden:[21] Zweck von alledem wären die Eroberungspläne bezüglich fremder Welten anderer Dimensionen... Mike erinnert sich an die schon in "Phantasm" angedeutete Reaktion des Tall Man auf Kälte – und gemeinsam kann man ihn schließlich einfrieren. Doch wurde Mike zwischenzeitlich vom Gegner einer Operation unterzogen, die ihn als Mischwesen irgendwo zwischen den gelbblütigen Zombie-/Zwergenwesen, der metallischen sphere und einem gewöhnlichen Menschen zurücklässt. Er verlässt die Gruppe, gefolgt von Jody, der Reggie rät, nicht alles zu glauben, was er sehen würde... Auch Rocky entzieht sich. Tim und Mike geraten am Ende dann doch in eine Falle des weiterhin lebenden Tall Man: "It's never over!"
Vorbei ist der dritte Teil dann aber dennoch: Nachdem er eher als phantastische Actionkomödie, kaum noch als Horrorfilm, zur ursprünglichen Trauer- und Verlust-Thematik auch nicht mehr als "Phantasm II" beizusteuern wusste – also bloß: 08/15-Mainstreamfilm-Standard-Versatzstücke – und sich eher auf den ziellos anmutenden – und somit ins Virtuelle deutenden – Ausbau der verwendeten Motive verlegte. Fortschritte gibt es bloß in dem Sinne, dass das Genre stärker in die Gefilde von Komödie und Actionfilm gleitet. Und Reggie, der Eiscreme-Verkäufer mit Glatze, der auf die 50 zugeht und sich dennoch mit einigem Erfolg gegen das Böse stellt, mutiert hier gänzlich zum sympathischen Underdog, der von Frau und Kind (freilich: nicht seine Frau, nicht sein Kind) untergebuttert wird.
"It's never over!" war am Ende von Teil 3 – der mit wieder etwas verringertem Budget nach dem verhaltenen Einspielergebnis von "Phantasm II" knapp an einer Kinovermarktung vorbeilief und direkt in die Videotheken gelangte – auch die Verheißung eines vierten Teils, der nach relativ kurzer Zeit noch in derselben Dekade erscheinen sollte. "Phantasm OblIVion" knüpfte fast 20 Jahre nach dem Erstling tonal wieder etwas mehr an diesen an, wobei er vor allem auf nicht verwendetes Material von damals zurückgriff (als hätten solche Resteverwertungen in der Filmgeschichte jemals zuvor sonderlich gut funktioniert). Der komödiantische Ton wird wieder etwas abgemildert, Erinnerungen an die ausklingenden 70er Jahre holen noch einmal das Gefühl der Wehmut zurück – und in "Phantasm OblIVion" gilt: Nicht bloß 1968 ist passé – selbst 1979 ist es mittlerweile ganz gehörig...
Mike ist längst erwachsen geworden in diesem Film, der vermutlich auch Ende der 90er Jahre spielen dürfte, nachdem der dritte Teil als zeitlich direkt anknüpfende Fortsetzung des zweiten Teils noch Ende der 80er Jahre spielte. Zwar schließt auch "Phantasm: OblIVion" direkt an seinen Vorgänger an – aus dem allerdings die Figur des Tim nachträglich herausgestrichen wird, sodass Reggie nach neuester Erzählvariante von Mike in der Falle des Tall Man zurückgelassen werden musste –, aber nur in Reggies eigener Zusammenfassung, die er offenbar Jahre später vorträgt: Reggie wurde, kaum eingefangen von einer Überzahl bedrohlicher spheres, vom Tall Man freigelassen und auf das "final game" vorbereitet, um seitdem als Kämpfer gegen das Böse durch entvölkerte Städte zu ziehen. Und Mike ist nach seiner Manipulation durch den Tall Man quasi im Rahmen eines Selbstfindungsprozesses in die Wüste gegangen... (fast so wie der Darsteller Baldwin selbst, der sich zum Zeitpunkt der Dreharbeiten des zweiten Teils auf spirituelle Selbstsuche begeben haben will).
Keine konventionelle Dramaturgie führt mehr durch diesen Film, derweil es ein bisschen so wirkt, als habe Coscarelli jede Menge Lynch gesehen oder aber jede Menge Deleuze gelesen. Die erinnerte Vergangenheit – also die in "Phantasm" nicht verwendeten 1979er Aufnahmen, die auch wieder den ersten Teil rückwirkend um-schreiben bzw. ihn in einem ganz anderen Licht neu erinnern –[22] spiegelt sich in Ereignissen der Gegenwart, Mike spiegelt sich im Tall Man. Aus diesen auffälligen Dopplungen ergibt sich eine stärkere Betonung der womöglichen Täuschungen der Erinnerungen sowie der Projektionen.
Aus Mikes früherem psychic link ist längst die Fähigkeit zur Telekinese geworden: sei es aus eigener Kraft heraus oder durch den Eingriff des Tall Man. Dieser wiederum hatte schon zu Bürgerkriegszeiten gelebt: als philanthropischer Forscher Jedediah Morningside, der mit Dimensionsportalen den Tod zu ergründen versuchte – und dessen Mutter jener Hellseherin gleicht, zu der Mike einst gegangen ist (oder gegangen zu sein glaubte). Dimensionsportal-Reisen führen Mike einmal in seine Nähe... Mike, dessen Geist mittlerweile also über die Materie triumphieren kann und zu telekinetischen Bravourstücken in der Lage ist, reist hier dimensionsportalbedingt gänzlich uneingeschränkt durch die Zeiten und durch die Räume, möglicherweise gar durch Paralleluniversen. Die Materie, die objektive Realität, scheint indes für diesen Geist keine allzu große Rolle mehr zu spielen, so sehr verliert er sich – wie des Films Dramaturgie – zwischen den Zeiten und Räumen, worunter der Spannungsbogen allerdings erheblich leidet, der in den früheren Filmen noch gegeben war, hier jedoch nur gelegentlich für kurze Episoden gespannt wird. So laufen sich Reggie und Mike nach etwa 70 Minuten nur einmal kurz über den Weg: Reggie reichlich planlos, Mike mit dem noch recht jungen Entschluss, die Tall-Man-Werdung Jebediah Morningsides zu verhindern, was kurz darauf beachtlich unspektakulär gehörig misslingt. Zumindest Jody, der sich als Handlanger des Tall Man entpuppt, kann Mike, dessen eigene Verwandlung aus "Phantasm III - Lord of the Dead" keine große Rolle mehr zu spielen scheint, gegen Ende entleiben... oder doch nicht, wie sich kurz darauf zeigt...
Am Schluss bleibt Mike dann verwundet und allein zurück, Reggie setzt die Jagd auf den Tall Man ohne Begleitung fort – derweil Mike ein schönes Erlebnis aus Jugendtagen mit Reggie erinnert... oder imaginiert... genau weiß man sowas in der Phantasm-Reihe längst nicht mehr.
"Phantasm OblIVion" hatte – nachdem "Phantasm 1999 A.D." bzw. "Phantasm's End" als geplante Großprojekte gescheitert waren – als kleine Low-Budget-Produktion die immer stärker sich abzeichnende Linie der Unzuverlässigkeiten und Ununterscheibarkeiten, der Irritationen und inneren Brüche radikal zugespitzt, das ursprüngliche Verlust-Motiv wieder etwas stärker betont, den traditionellen Spannungsbogen aber beinahe vollständig aufgegeben...Das Ergebnis wirkte dann aber eher zerfahren, vielleicht auch deshalb, weil "Phantasm OblIVion" an zwei Stellen noch immer "Phantasm's End"-Ideen und generell Material aus den früheren Filmen enthält.
Das schien dann Tief- und Gipfelpunkt der Reihe zugleich zu sein: qualitativ ganz unten, in Sachen Radikalität ganz oben. Auf jeden Fall aber schien es der Endpunkt zu sein. Um 2005 wurde dann ein Reboot in Trilogie-Form von New Line Cinema geplant und wieder verworfen, aber letztlich sollte dann nach 18 Jahren doch noch ein viertes Sequel der Phantasm-Reihe herauskommen: noch einmal mit Angus Scrimm in seiner Paraderolle – gerade noch rechtzeitig, verschied er doch im Januar 2016, dem Erscheinungsjahr von "Phantasm: RaVager", den David Hartman nach einem Buch inszenierte, das er zusammen mit Coscarelli geschrieben hatte. Und "Phantasm: RaVager" ist doch noch einmal radikaler, als man es für möglich gehalten hätte – aber auch nochmals unbefriedigender, wenn man eine Rückkehr in klassischere Genre- und Mainstrem-Konventionen erwartet hat.
"Phantasm: RaVager" ist fast eine Parodie aller Phantasm-Allüren: Reggie ist demenzkrank, wird von Mike besucht und muss zwecks Beschäftigungstherapie seine Geschichte erzählen. Das hat er in der Viertelstunde zuvor schon getan, aber nun gibt es halt einen weiteren neuen Einstieg, diesmal jedoch mit offensichtlicherer Selbstironie: Es sei alles so wie immer gewesen, man kommt aus irgendwelchen Dimensionsportalen, weiß gar nicht einmal so genau, woher eigentlich, dann ist da natürlich wieder die schöne Frau, die man aufgabelt... und auch ihr erzählt Reggie dann in seiner Geschichte noch einmal seine Geschichte. Sie findet sie ungewöhnlich, er findet sie episch... ein paar 70er-Jahre-Decken und -Dekorationen wirken wie Relikte,[23] ehe Reggies Bericht einen Alptraum erwähnt, in dem er Jebediah Morningside in einem Altenheim oder Hospiz begegnet ist, wo dieser dann in die Frauengestalt des Tall Man (noch einmal: Kathy Lester) übergegangen sei, die Reggie in "Phantasm" einst vermeintlich erstochen hatte. Immer wieder bricht Reggie seine Geschichte ab, setzt neu an, bekommt die Fäden nicht zusammen, nimmt aber alles ganz verbissen ernst, derweil Mike dem wohl demenzkranken alten Mann Gesellschaft leistet... durchaus gesprächsbereit und freundlich, unter anderem über Paralleluniversen-Theorien plaudernd, was Reggie, der sich zwischendurch immer wieder in phantastische Kampf- und Endzeitszenarios gezogen wähnt, im Grunde Futter geben würde: er will jedoch lieber eine Schrotflinte, keine theoretischen Bücher... Und dann führen ihn die Gedanken oder die Ereignisse auch noch einmal in das Jahr 1979 und in die Gedanken des Tall Man, ehe Reggie in einem Endzeitszenario wieder erwacht, in welchem er nun ebenfalls sein Gedächtnis zu verlieren droht, ehe Mike ihm in diesem Szenario erklärt, er sei seit ihrem Abenteuer in der Wüste für über ein Jahrzehnt eingefroren gewesen...
Und so geht es knapp 90 Minuten: mit und ohne Demenz, durch die unterschiedlichsten Parallelwelten, wobei sich Mike vom scheinbar demenzkranken Reggie dann doch überzeugen zu lassen scheint, was man aber auf unterschiedlichste Art und Weise ausdeuten kann. Letztlich läuft alles darauf hinaus, dass sich alle Abweichungen der Reihe über Parallelwelten oder aber über Wahn und Gedächtnisverlust der Erzählenden erklären ließen... wobei nach wie vor nicht klar ist, was davon nun der Fall ist. All das ist konsequent in der zugespitzten Verwirrung, konsequent auch in der Beibehaltung des Verlust-Motivs, das hier das Gedächtnis selbst in aller Deutlichkeit trifft, all das ist nach wie vor sympathisch in der Zeichnung der unter Fans enorm liebgewonnenen Charaktere und durchzogen von Gastauftritten kleinerer Phantasm-Darsteller(innen)... aber leider auch allzu kostengünstig und mit allzu durchschaubaren Effekten umgesetzt und in der völligen Richtungs- und Orientierungslosigkeit auch nochmals unbefriedigender als der ohnehin schon auf wenig Gegenliebe gestoßene Vorgänger. "Phantasm: RaVager" ist letztlich mit all seiner Radikalität näher dran an einem "Revenge of the Alligator Ladies" (2012) als an einem "Inland Empire" (2006)...
Und so trifft der Verlust in der Phantasm-Reihe – neben dem Verlust der kindlichen Unschuld, neben dem Verlust der Hippie-Utopien im Erstling, neben dem Verlust des Realitätssinns, neben dem Verlust des Gedächtnisses, neben dem Verlust der Kohärenz – nicht zuletzt auch die Qualität der Filme selbst, die von Teil zu Teil immer weiter abbaut. Und "Phantasm" selbst indes ist mit jedem Sequel – in dem die Hauptfiguren und die Hauptdarsteller sichtlich gealtert sind und welches man bei der erneuten Sichtung von "Phantasm" unweigerlich im Hinterkopf behält – ein Stück weit mehr in die Ferne gerückt, als es ohnehin schon der Fall gewesen wäre: denn mittlerweile muss man auf den 1979 bereits kahlen 33jährigen Hobby-Musiker und Eiscreme-Verkäufer blicken, während man zugleich bereits sein 70jähriges, womöglich demenzkrankes Altenheim-Alter-Ego automatisch mitdenkt... (So ist das mit der erlebten Dauer im Vergleich mit dem linearen Zeitstrahl.)
7,5/10 für "Phantasm", 6,5/10 für "Phantasm II", 5,5/10 für "Phantasm III - Lord of the Dead", 4,5/10 für "Phantasm: OblIVion", 3,5/10 für "Phantasm: RaVager"...
1.) Zum Herzblut-Projekt unter Freunden: "Phantasm" ist freilich kein Amateurfilm, keine Frage; aber die Darsteller(innen) hatten ihre Filmerfahrung teils erst bei früheren Coscarellis gesammelt; und es ist bezeichnend, dass sich etwa auf der Beerdigungsfeier zu Beginn die Eltern der Hauptdarsteller tummeln... oder dass Bill Thornbury nach 1984 bloß noch für Coscarelli und David Hartman und die Phantasm-Filme vor die Kamera trat, derweil Kathy Lester (die mörderische Frauengestalt des Tall Man) von Anfang an ausschließlich in Phantasm-Filmen spielte.
2.) Ein Detail, das sich schnell übersehen lässt, rückt das Jahr 1969, das mit der Handlung selbst ja eigentlich nichts zu tun hat, zudem zusätzlich ins rechte Licht: Neben Mikes Kinderzimmerbett befindet sich an der Wand ein zimmerwandfüllendes Plakat mit einem Erdaufgangs-Motiv, das an das 1969er Earthrise-Foto der NASA erinnert. Ein Ereignis, das ein Jody oder ein Reggie eher aus technischer oder politischer Sicht betrachten (und in die vergangene Ära zurückdatieren) würden, das aber aus der kindlichen Perspektive Mikes unmittelbar neben der Schlaf- und Traumstätte eher auf das Abenteuer des Außerirdischen und Phantastischen hindeutet.
3.) Der Junge, dem man die wahre Kunde von übernatürlichen Ereignissen nicht abkaufen mag: zumindest seit "Invaders from Mars" (1953) gehört dieses Motiv zum phantastischen Kinderfilm hinzu, während es im kinderuntauglicheren Horrorfilm bis heute – zuletzt etwa in "The Wretched" (2019) – Coming-of-Age-Aspekte begleitet.
4.) Allerdings: Legt man den Film aufgrund eines möglichen Plot-Twists gegen Ende so aus, dass es sich tatsächlich überwiegend um Fantasien eines Jungen handelt, der den Tod von Eltern und Bruder nicht verarbeiten kann, dann wäre die Lektion in Sachen Angstbewältigung eher die innerhalb der Fantasien gefilterte Aufforderung, sich gerade nicht von irgendwelchen Fantasien ins Bockshorn jagen zu lassen, sondern sich den Tatsachen zu stellen. So wäre in letzter Konsequenz dann auch Jodys Äußerung über Mikes Alpträume nach dem Tod der Eltern zu lesen: Mike würde dann in seiner Fantasie dem herbeifantasierten Jody diese Äußerung in den Mund legen, die tatsächlich von Reggie stammt.
5.) Komponist Fred Myrow, der immerhin schon Soundtracks für "Leo the Last" (1970) oder "Soylent Green" (1973) abgeliefert hatte, hat für "Phantasm" und diesen Mix aus Alptraum-Atmosphäre und Wehmut (gemeinsam mit dem ausschließlich für diese Reihe tätigen Malcolm Seagrave) einen perfekten Score erschaffen, der aus der Reihe nicht mehr wegzudenken ist: schrille, dissonanten Spitzen und tiefe, aufwühlende Trommelwirbel verkünden zwischendurch drohendes Unheil und ein zyklisch strudelndes, äußerst kurzes, etwa acht Töne enthaltendes Leitmotiv erklingt fast permanent in einer nur minimal variierten Folge rascher Wiederholungen, derweil tiefes Dröhnen, klagende Chöre oder sanfte Schlagzeug-Passagen einen anderen Rhythmus, eine andere Melodie darüberlegen. Diese Wiederholung im Soundtrack sorgt für einen Zustand der Schwebe: die permanente Wiederholung scheint das (oftmals musikalisch zuvor schon angedeutete) Unheil aufzuschieben, hinauszuzögern... die Noten kehren wieder zum Anfang zurück und halten somit die Beklemmung und Beunruhig aufrecht, halten den durchaus auch erlösenden Schock vielfach in der Ferne. Und zugleich scheint diese fast zwanghafte Wiederholung perfekt zur Trauerarbeit Mikes zu passen, der entweder mit wiederkehrenden Alpträumen auf den Tod der Eltern reagierte oder aber mit einer beständigen Flucht in eine alptraumhafte, wahnhafte "Wirklichkeit" den Tod des Bruders verarbeitet: die Wiederholung fixer Ideen als Spiel von Verdrängung und Heimsuchung von Verlusterfahrungen. Die Rolle eines quasi magischen Abwehrzaubers für zwangsneurotische Erscheinungsformen, mit denen vielfach Verlust(ängst)e bewältigt werden, ist weithin bekannt. Man kann also in der permanenten Wiederholung des musikalischen Phantasm-Leitmotivs neben der Aufschiebung angekündigten Unheils auch die Reaktion auf Verlust(ängst)e sehen, die in "Phantasm" Melancholie und Trauer generiert.
6.) Dass Coscarelli wohl ohne festes Drehbuch gearbeitet und sein Konzept einige Male umgekrempelt haben soll (wofür auch nicht verwendetes Material, das dann aber in "Phantasm: OlIVion" auftauchen sollte, spricht), lässt erahnen, dass Coscarelli solche Brüche von Anfang an in Kauf genommen hat. Andernfalls müsste man schon arg umständliche Theorien entwickeln – etwa dass vor der Kaminszene Mikes erinnerte Version aller Ereignisse zu sehen war, die sich von der Wirklichkeit bloß dadurch unterschieden hätte, dass Mike Jodys Ableben auf Reggie projiziert haben müsste... solch verwickelte Konzepte, für die der Film deutlich zu wenig Anhaltspunkte liefert – zumal er ja eine nicht-übernatürliche Lesart ohne innere Widersprüche anbietet, die lediglich zu den Sequels nicht mehr so recht passen sollte –, harmonieren zwar teils ganz gut mit den 1979 noch gar nicht geplanten Sequels: diese würden ihre Logikfehler aber nach wie vor noch aufweisen.
7.) Horrorfilm-Aficionados kennen das bereits aus dem im Vorjahr erschienenen Sequel "Evil Dead II" (1987), der ein ähnliches Problem hatte. Die Phantasm-Reihe wird jedoch eine verquere Methode daraus machen...
8.) Henri Bergson: Einführung in die Metaphysik. In: Ders.: Denken und schöpferisches Werden. EVA 1993; S. 208-209.
9.) A. a. O.; S. 209.
10.) A. a. O.; S. 209.
11.) A. a. O.; S. 211.
12.) A. a. O.; S. 213.
13.) A. a. O.; S. 217.
14.) Das Sequel wird vom Vorgänger mindestens über die Erfahrung von Ab- und Vorspann getrennt, meist noch die Erfahrung eines Saal-, VHS-, DVD- oder Blu-ray-Wechsels und noch weit häufiger die Erfahrung eigener – minuten-, stunden- oder tagelanger – Erlebnisse zwischen zwei Filmsichtungen.
15.) Gilles Deleuze: Das Zeit-Bild. Kino 2. Suhrkamp 1997; S. 139.
16.) A. a. O.; S. 156.
17.) A. a. O.; S. 96.
18.) A. a. O.; S. 263.
19.) Deleuze: Das Bewegungs-Bild. Kino 1. Suhrkamp 1997; S. 49.
20.) Phantasm II. 01:23:55 (DVD: Black Hill Pictures / Koch Media, 2017).
21.) Die spheres sind Emblem der Filmreihe wie der Virtualität selbst: Sie beherbergen Hirne, später auch Augen, und spiegeln als Kugeln in alle Richtungen ihre gesamte Umgebung; im Hirn, im Auge, fällt alles andere drumherum zusammen, fast wie in einem borgesken aleph.
22.) Mike und Jody sind dem Tall Man schon vor den Ereignissen aus "Phantasm" flüchtig auf einer Landstraße begegnet, wie sich Mike noch genau zu erinnern meint. Und mit Jody habe er den Tall Man einst erhängen können. Zugleich kann er sich an Jodys Begräbnis im Jahr 1978 erinnern, derweil ihrer beider Eltern noch quicklebendig waren; dass es ein Verkehrsunfall war, wie Reggie es einst behauptet hatte, weist Jody aber als Lüge zurück – ihn habe vielmehr der Tall Man entführt. Am Ende von "Phantasm: OblIVion", nachdem Jody als Geschöpf des Tall Man enttarnt wurde, wird dann aber doch wieder der Unfalltod ins Spiel gebracht...
23.) Eine Decke gleicht frappierend jener, die Mike im 1979er "Phantasm" besitzt: neben der offenkundigen Virtualität der durchschaubaren CGI-Effekte, die Jody später beim Blick aus seinem Krankenzimmer erspäht, ist das einer der Hinweise darauf, die Phantasm-Ereignisse insgesamt als reinen Wahn abtun zu können. Dennoch lässt "Phantasm: RaVager" auch der anderen Deutungsmöglichkeit genügend Raum...