Review

Was soll man über so einen Film schreiben? Einen Film, der schon hunderte Male in allen Bestandteilen und bis ins Detail auseinandergenommen, analysiert, zerkaut und wieder zusammengesetzt wurde. Dessen Handlung und Bilder längst zu Bestandteilen der Popkultur wurden, und von dem so unendlich viele Nachfolger, Remakes und Neuauflagen gedreht wurden, wie immer man sie nun auch nennen mag.

Drei Dinge fallen mir zu solch einem Film ein: Großartig, genial, und wundervoll!

Großartig: Das dämonisch-übertriebene Spiel Colin Clives als Henry Frankenstein, der sich an genau den richtigen Stellen zurückhält um nicht ins Overacting zu verfallen, und der damit die Blaupause eines halbwahnsinnigen Wissenschaftlers gibt, der zwischen seinen grausamen Versuchen, seinem Ehrgeiz und der Liebe zu einer Frau schier zerrissen wird, während er mit blutunterlaufenen Augen „Meine Arbeit! Meine Experimente …!“ stammelt.
Genial: Boris Karloff, der das „Monster“ mit so viel Gefühl und Zärtlichkeit ausstattet, dass wir ab dem ersten Moment Mitleid mit ihm haben. Die geschundene Seele im grotesken Körper erkennen können, und ihm insgeheim die Daumen drücken, dass er seinen irrsinnig erscheinenden Schöpfer irgendwann an die Wand nagelt und mit Elsa Lanchester in den siebten Himmel fliehen kann. Ach nee, die kam ja erst einen Film später … Aber die Leistung Karloffs, die Kreatur als zutiefst menschliches Wesen darzustellen, kann gar nicht hoch genug gewertet werden, gibt sein Schauspiel dem „Monster“ und damit dem Film doch erst die Seele.
Wundervoll: Die bizarren Kulissen des Wachturms, die direkt aus den Berliner Expressionismus-Studios nach Hollywood importiert werden, die mit Perspektiven non-euklidischer Geometrie spielen und damit ein sehr nachhaltiges Gefühl einer verschobenen Realität modellieren. Auf der anderen Seite dann der liebevoll dargestellte Ort Goldstadt mit seinen trink- und tanzbegeisterten Bewohnern, ganz offensichtlich nach einer süddeutschen Stadt einer romantisierten Zeit erschaffen, und, wenn man mal ehrlich ist, ein Ort zum richtig Wohlfühlen ist. Gemütliches Flair, freundliche Bewohner, ein kauziger alter Baron, gutes Wetter, ein nettes Monster in der Nachbarschaft …

Auch wenn mich FRANKENSTEIN dieses Mal nicht so richtig packen konnte (was an persönlichen Gründen liegt, nicht am Film), ist er zu Recht einer DER Klassiker des Horrorfilms. In 70 Minuten eine komplette Geschichte spannend zu erzählen, den Grundstein für Karloffs Karriere zu legen, ikonische Bilder zu erschaffen und atmosphärisch und narrativ einen Höhepunkt nach dem anderen zu erzeugen, das wird nicht vielen Genrefilmen in den kommenden 90 Jahren gelingen. FRANKENSTEIN ist für alle, die gotische Stimmung über blutiges Geschmodder stellen, eine Wucht an Film, den man gewissenlos in schöner Regelmäßigkeit in den Player schieben kann. Im Kino dürfte der Streifen dann allerdings noch ein paar Ecken stärker wirken, da bin ich mir sicher …

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