Nach einem Dracula Review darf auch ein Frankenstein Review nicht fehlen, auch wenn dieser Film der deutlich schwächere der beiden großen Klassiker des frühen amerikanischen Horror-Tonfilms ist.
Dabei hat man es hier mit einem Film zu tun, der zweifelsohne Horror-Maßstäbe setzen konnte und Boris Karloffs Weg zum Schauspielstar ebnete, aber leider doch viel mehr von seinem Vermächtnis lebt, als von echter filmischer Qualität.
Zugegeben, die Settings sind fantastisch, ein düsterer Friedhof, ein dunkles Labor in einem alten Wachturm, ein pittoreskes Dorf und eine alte verlassene Windmühle. Genau das freut den Freund von klassischem Gruselstoff. Auch die Spezialeffekte können - ebenso wie die Maske - überzeugen - doch abseits der Technik und Optik bietet der Film im Vergleich zu anderen Horrorklassikern wenig Grund zur Freude. Platte Charaktere, wenig Story, ein stummes, debiles Monster als unverstandener Sympathieträger und ganz viel Nichts. Natürlich schafft es Karloff, ein Monster zu verkörpern, dass Mitgefühl hervorruft, doch fehlt Karloffs Monster Stringenz, Charme und Gruselfaktor. Das mag an der Zeit liegen, doch auch mit Wohlwollen und Kontextualisierung ruft Frankensteins Monster in mir nur ein müdes Lächeln hervor, da hilft auch kein Pionierstatus. Während Karloffs Mimikspiel durchaus überzeugen kann, bleiben seine Bewegungen für ein Monster zu menschlich - Slapstick Rangeleien verstärken den Eindruck zudem. Nicht umsonst lehnte Charakterdarsteller Lugosi die Darstellung des Monsters ab, aus Angst schauspielerisch unterfordert zu sein.
Dabei bietet die klassische Frankenstein Story von Mary Shelley eigentlich alles, um daraus einen guten Film zu erschaffen: Ein unberechenbares, aber kindlich naives Monster erschaffen aus Leichenteilen und ein Gott spielender Wissenschaftler eingebettet in eine altertümliche Umgebung - Kult. Doch viel zu selten schaffen es die Darsteller diese Rollen mit Leben zu füllen. Karloffs Augen sind noch das Beste, während z.B. Colin Clive zu keiner Zeit den Wahnsinn des Dr. Frankenstein auf seine Figur übertragen kann und Mae Clarke schmückendes Beiwerk bleibt. Baron Frankenstein, gespielt von Frederick Kerr nervt bisweilen sogar mit Eindimensionalität. Gleichzeitig wird die Story in knapp 65 Minuten abgefrühstückt, keine Zeit für Atmosphäre, keine Zeit für Charakterentwicklung oder Beziehungen der Figuren untereinander.
Frankenstein ist, trotz ansprechender Settings, insgesamt für einen Horrorfilm zu unatmosphärisch, für einen Gruselfilm zu wenig gruselig und für ein Drama zu plump. Sicher, Szenen wie der Tod der kleinen Maria werden 1931 das Publikum schockiert haben, dies ist nicht von der Hand zu weisen. Doch auch mit Wohlwollen und Hinblick auf die filmhistorische Relevanz bleibt "Frankenstein" letztlich nur ein durchschnittlicher Film - im Hinblick auf seinen großen Namen und verglichen mit zeitgenössischem Horrorkino wie "Dracula" oder "Nosferatu" sogar enttäuschend schwach.
5/10