James Wahles "Frankenstein" gilt neben dem im gleichen Jahr erschienenen "Dracula" heute als einer der Klassiker des Horrofilms schlechthin. Im Gegenzug zu seinem blutsaugenden Mitbewohner in den Universal-Studios wird aber das Patchwork-Monster seinem Ruf durchaus gerecht!
Whale erschuf die Verfilmung von Mary Shelleys visionärem Roman mit großem Verständnis für den Grundplot (mehr blieb vom Roman auch nicht erhalten) und einmaligem Gespür für die visuelle Ausgestaltung. Zudem wirkt der Ton nicht wie einfach einem Stummfilm aufgesetzt und die Narration verläuft wesentlich flüssiger als bei "Dracula".
Gott sei Dank hat man es unterlassen, das Monster zu einer rein bösartigen Figur zu degradieren und hat sorgfältig die Tragik dieser Kreatur erhalten und sie zeitweise sogar in den Mittelpunkt gerückt. Boris Karloff gelang dabei eine eindrucksvolle Darbietung des ungelenken und massigen Flickwerks und tatsächlich hat es nie wieder eine bessere Darstellung des Monsters gegeben. Karloffs Darstellung trägt tatsächlich den Film zu großen Teilen .De Niros Darstellung in Brennaghs 1994 entstandener Version geht in eine vollkommen andere Richtung und lässt sich meines Erachtens gar nicht zum Vergleich heranziehen.
Die Kritikpunkte fallen insgesamt bei "Frankenstein" für einen 80 Jahre alten Film eher gering aus. Die Figur Fritz, der bucklige Diener, ist als solche natürlich fast ebenso klassisch wie das Monster selbst. Aber die Szene mit dem Diebstahl des Gehirns zeigt, dass die Güte der Inszenierung auch ihre Grenzen hat. Dies liegt auch zum Teil am vom Stummfilm geprägten Schauspiel und man ist froh, wenn das Monster sich nachher seines Peinigers entledigt.
Technisch hat man sich sichtlich bemüht, das Publikum zu beeindrucken. Das Labor, der Turm, der Friedhof: Die Kulissen sind ebenso kitschig wie gelungen und wohl nur deswegen kitschig, weil sie immer wieder Blaupause für weitere Filme waren.
Die Kameraführung und der Schnitt wirken lange nicht so angestaubt wie in "Dracula" und arbeiten in Einklang mit dem Ton, der hier so viel besser in seinen Möglichkeiten genutzt wird, dass man nie auf die Idee kommen musste, mit nachträglicher Musik Atmosphäre zu schaffen, wie es bei "Dracula" ja der Fall war.
Einzig störend empfinde ich wie bei allen Universal-Interpretationen klassischer Stoffe die immerzu offensichtlichen Amerikaner in Rollen europäischer Figuren. Die Kostüme, die Frisuren und die Darstellungen wirken fast immer, als spiele die Geschichte im Kalifornien des Jahres 1930. Lediglich die Dorfszenen schmälern diesen unpassenden Eindruck in Teilen des Films. Obwohl die Aufnahmen des Festes auch den Eindruck erwecken könnten, der Führer käme gleich zum Wahlkampfbesuch.
Mit freudiger Erwartung harren die Bewohner des kleinen Dorfes nahe Nürnberg der Ankunft des Mannes, der Deutschland wieder Hoffnung schenkt und dem Deutschland das Vertrauen schenken will, als er mit einem Flugzeug wie der Heiland vom Himmel schwebt...
Hat man da Material geliehen?
FAZIT:
"Frankenstein" verdient seinen Ruf und weiß erstaunlicher Weise auch heute noch zu unterhalten. Karloffs Darstellung schafft es dabei, selbst jenseits der Nostalgie den Zuschauer noch zu packen. Auch die Inszenierung mitsamt Kamera, Kulissen, technischen Tricks und Masken ergibt ein stimmiges und auch heute noch funktionierendes Gesamtbild. Tatsächlich eine Klassiker!
It's definitely alive!