Review

Das Ausrufezeichen hinter "Goethe!" scheint nichts Gutes zu verheißen, denn es klingt nach Imperativ, großer Geste oder kulturellem Rundumschlag, als ob man den berühmten deutschen Dichter wieder mit Nachdruck ins Bewusstsein der Massen bringen müsste, wo er zu seiner Lebenszeit schon war. Darin, dass der Mensch Goethe heute nur noch wenig bekannt ist, liegt aber auch die Chance eines solchen Films, denn über seine Herkunft, seinen Charakter und seinen Werdegang, sind die Wenigsten wirklich informiert.

Diese Tatsache macht sich der Film zu nutze, um eine Geschichte über einen jungen Mann zu erzählen, der in seiner Art auch in der Gegenwart gut ankäme. Bekanntlich war Goethe der Dichter des „Sturm und Drang“ und auch, wenn man vor über 200 Jahren noch etwas anderes darunter verstanden hat, macht sich Alexander Fehling gut als aufmüpfiger Student, der sein Unwissen in der Jura-Prüfung mit einer frechen Rede zu überspielen versucht. Darüber können die Herren Professoren natürlich nur lachen, aber nicht sein Vater (Henry Hübchen), der keine Lust mehr hat, das Studentenleben seines Sohnes zu finanzieren, und ihn deshalb in die Provinz nach Wetzlar schickt, wo er unter dem strengen Gerichtsrat Kestner (Moritz Bleibtreu) Frondienste für die Gerichtsverhandlungen leisten muss. So soll der junge Goethe den Anwaltsberuf von der praktischen Seite aus lernen. Doch stattdessen freundet er sich mit dem Kollegen Jerusalem (Volker Bruch) an, der ebenfalls unter der Knute des Chefs leidet, und versucht auch in Wetzlar, Ablenkung zu finden.

Mit dem realen Leben Goethes hat das natürlich nur wenig zu tun, der, bevor er nach Wetzlar ging, schon ein paar Jahre als Anwalt im eigenen Büro gefristet hatte, und der dort keineswegs unter Kestner arbeitete, sondern als dessen Kollege. Doch „Goethe!“ ist kein Bio-Pic, sondern erzählt eine Geschichte im Stil der „Feuerzangenbowle“ – nur, dass der Schüler hier kein erwachsener Mann ist, sondern eben der berühmte Goethe, was aber nur der Betrachter schon zu Beginn weiß. Aus dieser Mitwisserschaft zieht der Film seinen Reiz, indem er dem jungen Mann zwar die schönsten Bonmots in den Mund legt, aber ihn von Banausen umgeben sieht, die seine künstlerischen Qualitäten nicht erkennen können.

Trotz der modernen Attitüde des Protagonisten macht der Film aber nicht den Fehler, eine gegenwärtige Geschichte im altmodischen Gewande zu erzählen, sondern nutzt die damaligen Sitten und Gebräuche, um daraus eine wunderbar altmodische Liebesgeschichte zu entwickeln, die gerade dadurch funktioniert, dass Goethes berufliche Stellung tief unten, sein Auftreten, Witz und Intelligenz aber ganz oben angesiedelt ist. Bei einem abendlichen Tanzvergnügen lernt er Lotte (Miriam Stein) kennen, die sich schnell als ebenbürtig herausstellt. Geradezu klassisch ist die Situation, als Goethe und sein Freund Jerusalem, der sich mit einer verheirateten Frau eingelassen hat, nach einer erfolgreich bestandenen Strafarbeit, die sie die Nacht nicht schlafen ließ, die plötzlich gestattete Freizeit, zu einem spontanen Besuch bei Lotte nutzen.

Dabei ist nicht die zu erwartende Annäherung zwischen Lotte und Goethe das Spannende, sondern die Umstände, unter denen diese abläuft. In ihrem Selbstverständnis sind Beide sehr modern, aber die damaligen Anstandsregeln und die wenigen Möglichkeiten zur Kommunikation, belassen dem Film ein großes Spektrum an Emotionen. Diese werden noch dadurch verstärkt, dass ausgerechnet Goethes Boss Kestner ganz konkret um Lotte wirbt, ohne es voneinander zu wissen. Doch Lottes Vater (Burghart Klaußner) hat eigene Vorstellung zur Vermählung seiner ältesten Tochter, denn der Witwer muss für eine große Kinderschar sorgen, weshalb ein potenter Ehemann wie Kestner sehr willkommen ist.

Diese Story böte sich natürlich auch für einen reinen Komödienstoff an, aber trotz allen Tempos und Goethes lockerer Art, bleibt der Film jederzeit ernsthaft in der Beschreibung der Emotionen, verzichtet auf eindimensionale Charaktere und leistet sich auch tragische Momente. Gerade Moritz Bleibtreu ist sehr gut in der Rolle des strengen Chefs, der in einer etwas linkischen Art auch sehr nett sein kann. Erst durch diese Ernsthaftigkeit bewahrt der Film letztlich auch die Tragweite, die die Beziehung zwischen Lotte und Goethe tatsächlich bedeutete, auch wenn der Dreh am Ende zur Entstehung der „Leiden des jungen Werther“ wieder frei erfunden wurde.

Doch das ist letztlich egal, denn zuvor erzählt „Goethe!“ eine romantische Liebesgeschichte, die beweist, dass die unerfüllten Träume manchmal die schönsten sind (8,5/10).

Details
Ähnliche Filme