Wie häufig steckt die Botschaft im Detail. Während die Mönche schon freudig erregt zum nahegelegenen Nonnenkloster eilen, erklingt das fröhliche Lied "Padre, Padre, Padre superiore" aus dem Off, in dem es unter anderem heißt:
"Vater, großer Vater,
der du uns mit barmherziger Inbrunst führst und unsere Herzen gegen die Sünde verteidigst,
mit festem Ziel und dem Blick des Asketen zeigst du deiner Herde die glänzende, heilige und göttliche Schrift,
du spornst uns an, förderst unsere Kraft, bist das Schild der Tugend gegen die Bösartigkeit..."
Es ist kaum anzunehmen, dass die katholische Kirche die Lobpreisung Gottes auf dem Weg zur Befriedigung sexueller Begierden gut hieß, aber der Text nahm sich der Sichtweise des im Filmtitel erwähnten "Decameron" an, in dem geschrieben steht:
„Dann aber wussten sie es so einzurichten, dass sie, ohne der Hilfe des Paters (...), in gleicher Freude noch viele Nächte verbringen konnten, zu welchem Glück Gott mir und anderen Christenseelen (...) in seiner Barmherzigkeit auch bald verhelfen möge“
Dieser offen eingeforderte göttliche Beistand zum außerehelichen Sex (der zur Ablehnung des "Decameron" durch die Kirche führte) passte zu einem Film, der sich respektlos der Institution der Ehe näherte, die nach langem Widerstand der Kirche erst seit 1971 in Italien geschieden werden durfte. In vielen italienischen Filmen der 50er und 60er Jahre wurden die Auswirkungen thematisiert, die dieser äußere Zwang verursachte, sobald sich die Ehepartner auseinander gelebt hatten oder eine neue Beziehung eingehen wollten ("Divorzia all'italiana" (Scheidung auf Italienisch, 1961)). Regisseur und Drehbuchautor Joe D'Amato bewies damit schon in seinem ersten eigenständigen Film (bei den parallel 1972 entstandenen Western arbeitete er jeweils mit anderen Regisseuren zusammen) ein Gespür für aktuelle Strömungen, denn die Erotik-Komödie oder "Commedia sexy all'italiana" nahm im italienischen Kino gerade Fahrt auf und erwies sich als idealer Spielplatz für Verstöße gegen die herrschende Moral.
Wie er unmissverständlich in seinem Filmtitel "Sollazzevoli storie di mogli gaudenti e mariti penitenti - Decameron nº 69" (Belustigende Geschichten von erfreuten Ehefrauen und büßenden Ehemännern) erkennen ließ, betrachtete D’Amato die Angelegenheit als großen Spaß, aber die aus heutiger Sicht harmlosen, neckischen Episoden, die in die Rahmenhandlung der sich sexuell auslebenden Nonnen und Mönche eingebettet wurden, waren zu ihrer Entstehungszeit ein Tabubruch. Er selbst glaubte noch nicht daran, dass ihm der Film gelungen wäre, wie er einmal in einem Interview äußerte, weshalb er unter dem Pseudonym "Ernesto Gastaldi" als Regisseur antrat und seinen echten Namen "Aristide Massaccese" nur als Kameramann aufführte. Sein endgültiges Pseudonym "Joe D'Amato" verwendete er erstmals 1973 bei "Diario di una vergine romana", aber erst ab "Emanuelle e Françoise le sorelline" (Foltergarten der Sinnlichkeit, 1975) wurde es zu seinem ständigen Markenzeichen.
D’Amatos selbstkritische Haltung gegenüber seinem ersten Film lässt sich nachvollziehen, denn die einzelnen Episoden kamen über üblichen Komödienstoff nicht hinaus, der vor allem dazu diente, entblößte weibliche Körper ins Bild zu rücken. Die zweite Story ähnelt einem Striptease, wenn der Mönch Giovanni (Ari Hanow) jedes Mal ein wenig mehr von Tonia (Enza Sbordone) erhaschen darf, sobald er ein von ihr gewünschtes Kleidungsstück besorgt hat. Sie nutzt dessen Begeisterung für ihren Körper aus, weil sie von ihrem Mann (Pasquale Fasciano) kurz gehalten wird. Auch der Ehemann, der verfrüht zurückkommt, als sich seine Frau (Maria Piera Regoli) gerade mit einem Anderen vergnügt (1. Episode), oder der als Frau verkleidete Liebhaber (3.Episode) gehören zum Standard-Repertoire volkstümlischer Lustspiele, begleitet von brachialen Humoreinlagen, aber D’Amato verlieh seinen Geschichten einen eigenständigeren Charakter.
Dass der Film die Unmoral feierte und es von „gehörnten“ Ehemännern nur so wimmelte, war angesichts des Filmtitels zu erwarten, aber auch die Liebhaber kommen nicht gut davon. In der ersten Episode wird der vom Dauersex überforderte Bildhauer Raffaello (Attilio Dottesio) rausgeschmissen und gegen die Schwägerin eingetauscht, auf den ihr lästig gewordenen Mönch Giovanni hetzt Tonia ihren grobschlächtigen Ehemann (mit sehr negativen Folgen für Giovannis Libido) und der viel benutzte Lover im dritten Teil darf sich auf eine Dauerstellung als weibliche Arbeitskraft im Haus des wohlhabenden Geschäftsmann Ignazio (Gianni Ucci) vorbereiten – nicht einmal seine männlichen Gesichtszüge und die Offenbarung seines Penis bewahren ihn davor.
Der plakative, austauschbare deutsche Titel „Hemmungslos der Lust verfallen“ wirkt aus heutiger Sicht übertrieben, da sowohl die Nacktdarstellungen, als auch die sexuellen Spielarten Niemanden mehr hinter dem Computer herlocken, aber D’Amatos Film zelebrierte auf unterhaltsame Weise einen lässigen Umgang mit Sex, der nur einen Sieger kennt – die Frauen. (7/10)