Warum gerade 72 Tenants of Prosperity die Majorität der Bevölkerung zum Verlassen des Trauten Heimes und Betreten prall gefüllter Lichtspielstätten zu veranlassen wusste, ist neben der Flucht in die Kunst und zugleich in die Vergangenheit auch gerade mit dem unterhaltenden Material zu erklären, welches das Massenmedium Fernsehen anbietet. Der Film als Breitbandversorgung, als erneute Co-Produktion zwischen den altgedienten Shaw Brothers, deren Tore sich nach einer Krise in den Achtzigern zwischenzeitlich über einen größeren Moment bereits geschlossen hatten, und den seit der gleichen Ära überaus populären, trotz Konkurrenz fast eine monopolistische Position einnehmenden TVB, deren Fernsehserien tagein tagaus die Gemüter an die Mattscheibe fesseln.
Jeweils ein Massenkommunikationsmitel, das Eine einst, das Andere seitdem und bis heute, gelingt es in dieser Verbindung die ideale, zweckbestimmt für das Volk gemachte Befriedigungskultur anzubieten; eine Tatsache, die gerade zum Starttermin des Chinesischen Neujahres entsprechend dessen auch ganze Familien anlockte und den direkten Wettstreiter All's Well End's Well Too 2010 sowohl inner Landes als auch in den angrenzenden asiatischen Märkten jeweils übermächtig düpierte. [Nach einer engen Startphase wurde letztlich gut das Doppelte eingespielt.]
Dabei fußt die Produktion gar mehr auf der Kommunikationssoziologie des Anderen als dieser selber, greift der Aufbau doch neben einer proklamiertem Remake bzw. einer Fortführung des 73er House of 72 Tenants zudem arg auf die in den Achtziger einschleichend gefestigte Formel der turbulenten Verteidigung von gesellschaftlichen Werten und Träumen auf engsten Raum zurück. Dort, wo die Wohnungen klein, die Wände hellhörig, die Probleme arg und die Hoffnungen mal düster und mal rosig sind, und letztlich im Finale zumindest auf der Leinwand sich eben doch alles in das entscheidende Happy End auflösen kann, ist die Schicht zwischen dem Unerbittlichen der Realität und dem Idyllischen der Fiktion ein für die 90min sicherer Puffer voll Glücksbelehren. Familie, Freundschaft und Liebe der Menschen untereinander helfen über selbst das Schwerste hinweg; dies wusste erst die It's A Mad Mad World Reihe und schließlich auch die damals angelegte All's Well End's Well Sage mustergültig auszunutzen, und dessen aufgetragene Rolle auf dem folgerichtig vorgezeichneten Weg auch das hiesige Werk zu bedienen weiß:
Einst die besten Freunde, haben sich Shek Kin [ jung: Raymond Lam, alt: Jacky Cheung ] und Ha Kung [ jung: Justin Lo, alt: Eric Tsang ] über die gleiche Frau, in diesem Fall die nunmehr per Los an Ha Kung gegangene Pinky [ Anita Yuen ] zerstritten. Zu allem Pech wohnen die beiden Zankhähne auch noch direkt gegenüber und teilen sich zudem denselben Verkaufsmarkt für ihre Telefongeschäfte. Ein ständiges Überbieten und versuchtes Ausboten des Erzfeindes ist die Folge, was auch ihre Kinder, jeweils eine Tochter und Sohn [ Bosco Wong, Stephy Tang, Wong Cho-nam, Linda Chung ] unfreiwillig mit einbezieht. Wie es der Zufall will, verlieben diese sich natürlich dennoch und sehen sich nunmehr einer gesellschaftlich als ungehörig angesehen Versuchung gegenüber. Dass sich ein Großmogul aus dem Festland China [ Chiang Tao ] für den Kauf der gesamten Straße interessiert, parallel dazu die Mieten empfindlich erhöht werden und allerletzt auch Jemand in immer kürzeren Abständen lebensgefährliche Säure von einem Häuserdach aus inmitten die Allee wirft, schweißt schließlich auch die Gegenparteien zu einer einheitlichem Halt zusammen...
Ironischerweise sind die ersten Minuten, das Nachstellen des Inszenierungs- und Schauspielstils des Originals auch die besten Szenen im gesamten Film, der sich diese Vorgeschichte nur als dramaturgischen Unterbau und auch als Zuschnappen der nostalgischen Falle ausnutzt. Rasch ist der Spuk der Verklärung vorbei, auch wenn man gerne noch ein Weilchen in diesem längst ausgestorbenen Isotop besserer Zeiten verbracht hätte, wird man auf unsanfte Weise in das Jetzt von Hier und Heute verschleppt. Der Schock sitzt tief, hat sich die Gegend doch in einen Menschenzoo voll mit Konsum und Marketing verwandelt, in dem das Gewinnstreben an vorderster und das dafür nötige Buhlen um das Portemonnaie des Anderen an zweiter Stelle des Alltags steht. Die einst so ruhige Sai Yeung Choi Street in Mongkok hat sich zu einem Boulevard der dauerhaft berieselnden Werbung verwandelt, in dem sich dicht an dicht ein Verkaufsgeschäft an den anderen drängt, scheinbar sogar alle das Gleiche anzubieten haben und die Aussicht mit grellbunten Angebots- und Preisofferten geradezu bombardiert ist. Ein Schrecken beherrschenden Irrationalismus und entfremdender Erkenntnisquellen, der prompt auch mit einem Stelldichein an Cameos gepflastert wird, dessen Who's Who schier unmöglich, aber wohl auch mit der Schlüssel zum Geldschrank des Publikums ist.
Die schiere Starpower in Klein-, Kleinst- und Winzigstrollen und diese entgrenzende Spiellust hilft allerdings nicht drüber hinweg, dass ausgerechnet die Hauptdarsteller nicht viel dazu beitragen können, das Gesehene und Erlebte auf eine angenehme Sphäre über all den plumpen Tricks unsäglichen Kommerz hinweg zu heben. Nicht nur, dass die Älteren in ein Spiel zurückfallen, dass man die Jahre davor schon nicht gebraucht und dessen Fehlen man in der dankbaren Pause danach auch nicht verpasst hat, auch können die Jüngeren keinen positiven Kontrast dazu darreichen und ist somit die bloße Anwesenheit all der Gesichter auf einem Fleck wohl schon das alles andere bestimmende Verkaufsargument. Zugegeben, die Geschichte gibt nicht viel her, aber wird hier noch uninteressanter als so schon, auch noch zugepflastert mit säuseligen Geklimper auf dem Klavier, und allzu bemühten Anpreisungen an viel cleveres Komödienstadl der Brüder um Michael Hui, von Working Class bis hin zu Chicken & Duck Talk erzählt.
So dehnt sich die Lauflänge, wirkt vieles nur wie ein beinah anstrengend ungezügeltes Stegreifspiel, eine Art Speed Dating, in dem vieles an einem vorbei rauscht, aber das Meiste davon nur schicke Fassade und absolut unwichtig ist. Karnevalsbräuche in exzessiver Erfüllung, bloß unterbrochen und angeheizt durch die geheimnisvollen Säureattentate, die für jeweils Sekunden ein Element vergleichsweise bedrohlicher Spannung initiieren, aber natürlich nicht die auf bloße Amüsement angelegte Atmosphäre bestimmen können.