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Fahrer. Killer. Cop. Keine Namen, nur Bezeichnungen. "Faster" definiert sich ganz offensichtlich über berufliche Rollenbilder aus dem wohl am meisten beackerten Themenkomplex des Kinos überhaupt: demjenigen des Verbrechens und der Rachegelüste.

Während er nach und nach Dutzende von Schachfiguren auf seinem Brett platziert, jongliert Regisseur George Tillman Jr. nach Belieben mit Genreversatzstücken. Seine Figuren, soviel hat er aus seinem Milieufilm über Notorious B.I.G. mitgenommen, haben in erster Linie zu funktionieren. Die Rollengebundenheit führt speziell anfangs zu diversen Guy-Ritchie-Etablissements: Namenseinblendungen zu eingefrorenen Bildern, nicht zuletzt auch coole Mucke, unter anderem das aus "Lock, Stock & Two Smoking Barrels" bekannte "I Wanna Be Your Dog" von den Stooges und das schon bei "The Big Lebowski" gebrauchte "Just Dropped In" – ganz zu schweigen vom 70er-Jahre-Flair, das der Soundtrack versprüht, als Dwayne Johnson mit Tunnelblick das Gefängnis verlässt und sein Musclecar Marke Chevelle abholt.

Ist das nun ein weiterer "Smokin' Aces"? Ein "Transporter"? Ein "Extreme Rage"? Ein "Fast and the Furious"? Tillman Jr. möchte sich seine Optionen scheinbar offen halten, denn keiner Marschrichtung schenkt er sein ganzes Vertrauen. So misst man den Weg, den "Faster" einschlägt, zwangsläufig an seinem Hauptdarsteller. Dwayne Johnson wird in den Credits nicht mehr bei seinem Künstlernamen "The Rock" genannt, doch nirgends sah er bislang mehr nach Steinbrocken aus als in diesem. Hässliche Sternnarbe am Hinterkopf, ungepflegt rasierter Schädel, sehniger Nacken, schmutzige Kleidung, unansehnliche Tattoos und ein kompromisslos angepisster Blick. Nicht einmal in "Doom" war seine Erscheinung dermaßen freudlos. Aber nicht auf ihn, sondern auf den gesamten Cast legt sich der Dreck nieder: auf Billy Bob Thornton etwa, der ausschaut wie direkt aus der Gosse gekrochen. Oder Carla Gugino, auf deren Gesicht gnadenlos jedes Zeichen des nahenden Alters aufgedeckt wird.

Einzig Oliver Jackson-Cohen strebt in dem Wust aus Ungepflegtheit nach Ästhetik – weniger bei seiner wunderschönen Freundin (Maggie Grace), vielmehr bei sich selbst. Sein "Killer" mit den stahlblauen Augen ist in dieser Welt der gnadenlosen Abrechnung auf der Suche nach einem Tupfer selbstzweckhafter Freude. Er verzweifelt an dem Bild, das sich ihm als Auftragsmörder bietet: in seinen Missionen trifft er auf Produkte ihrer Umwelt, die sich allesamt selbst auffressen, und er kann nicht glauben, dass das alles sein soll. Er selbst macht seine Berufung zu einem Kunstwerk, das nur leider niemand anzuerkennen weiß.

Das Scheitern der Figur des "Killers" ist der Schlüssel zum Scheitern des gesamten Films. Tatsächlich spielt Jackson-Cohen nämlich nicht die beabsichtigte Analogie zum romantischen Spätwesternhelden, der im Duell noch etwas Ehrenhaftes sieht, vielmehr mutet er an wie eine selbstmitleidige Jammergestalt. Das mag auch daran liegen, wie inkonsequent und undankbar die Rolle geschrieben ist. So wird beispielsweise der Versuchung erlegen, die Hauptfigur, den "Fahrer", weiter zu mystifizieren, indem er beim "Killer" mit seinem Auftreten Bewunderung hinterlässt. Dabei verkörpert der "Fahrer" das, was der "Killer" eigentlich verabscheut, im absoluten Maß: mechanischen Rachereaktionismus. Vielleicht geht der einzige gute Gag zwischen all den poststrukturalistischen Humoreinlagen deswegen fast unbemerkt unter: ein Handy, das anhand von "Spiel mir das Lied vom Tod" einen neuen Auftrag ankündigt, kurz nachdem der "Killer" noch davon sprach, wie sehr es ihm bei seiner Berufung um das Leben geht.

So wäre zu entscheiden gewesen, in welche Linie man das Rachemotiv eingebettet hätte – in die des Gangster- und Actionfilms oder in die der Spätwestern-Analogie. Als Ersterer funktioniert "Faster" nicht, weil er schlichtweg nicht oberflächlich genug ist. Der Sinn von Leben und Tod wird hinterfragt, Vergebung gepredigt, Komplexität beansprucht. Und ohnehin wird die Action-Klientel, die auf Grundlage des Posters und des Titels die Kinokarte gelöst hat, mit allenfalls einer unzureichenden Autostuntsequenz abgespeist, unterstützt höchstens von ein zwei anachronistischen Schusswechseln, stilecht mit Revolver und Nachladen (eine seltene Delikatesse!), gepaart mit modernen Strobelighteffekten. Umgekehrt gilt: Wenn man Dwayne Johnson schon einen Neuanstrich verpasst und bewusst auf seinen samoanischen Charme verzichtet, kann man nicht im gleichen Atemzug doch wieder die Kleinkriminellenschiene ausspielen, die sich seit "Reservoir Dogs" nicht nur exponentiell von selbst repliziert, sondern dies vor allem fast immer mit ironischer Brechung. Der Ansatz eines Charakterdramas kollabiert immer wieder mit Rollenstereotypen, die eben nur im unernsten Ritchie-Umfeld bestehen können, nicht aber in einem Rachedrama. Kleine fette Jungs, die Baseball mögen, Versagerväter, "Kill Bill"-Racheschwüre, afroamerikanische Gospelprediger, Kinderschänder… sie alle ziehen selbst den blauäugigen Auftragskiller in den Klischeeabgrund. Dabei hätte er so viel mehr sein können. Ohne ihn und seinen todernsten Widersacher wiederum aber auch die anderen. "Faster", ein gescheiterter Eklektizismus.

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