Review

Eine fröhliche Vorwarnung an alle Pazifisten unter den Genrefilmfreunden: Dieser Streifen scheißt auf all eure Überzeugungen! Mit Genuss wohlgemerkt.


Der Vorspann, in dem sich eine unsympathische Saubande im nächtlichen Rom zur gemeinsamen Trümmertour durch die Einkaufsstraßen sammelt, der ungewohnt harsche Rocksoundtrack der De Angelis - Brüder sowie die teilweise psychedelisch wirkenden Zeitlupenaufnahmen der gezeigten Zerstörungswut geben ein eindeutiges Signal, wo die Fahrt hinführt: mit Vollgas die Abwärtsspirale der Gewalt hinab!

Die Im Intro auftauchenden Kotzbrocken sind das aktuellste Problem von Nico Palmieri, dem von Fabio Testi gespielten langen Arm des Gesetzes, der in diesem Film alles tut, um dieser Erpresserbande Herr zu werden. Alles. Alles! Und wenn es wider jeglicher Moral und Logik widerspricht!

So wird schon mal gerne ein befreundeter Altgauner mitsamt Neffen vom gerade so geduldeten Touristenbeklauen zu Banküberfällen unter Polizeischutz abkommandiert, um sich als neue Fachkraft für und eventueller Spitzel innerhalb der Bande attraktiv zu machen und ein preisgekrönter Sportschütze, der das olympische Motto "Dabei sein ist alles!" in einer Schießerei zwischen Racket und Polizei allzu wörtlich nimmt wird nicht etwa wegen seiner Einmischung in einem Polizeieinsatz (IN TATEINHEIT MIT MEHRFACHEM MORD WOHLGEMERKT!), sondern von Polizei und Presse im Chor gelobt! Zum Glück alles ohne die Handlung komplett in der braune Suppe zu ertränken, die einem bei Betrachtung anderer Poliziottesci aus dem Fernseher entgegenquillt. Wobei der extrem anarchistische Ansatz von Testis Charakter nicht weniger fragwürdig ist, der hier wie in jedem Film des Genres gegen die Ignoranz seines Vorgesetzten ankämpfen muss.

Letzten Endes erfüllt der Film final die Genreformel, die da besagt, dass erst ein Haufen Kollegen und Ziviisten auf unangenehme Weise Schaden nehmen oder sterben müssen, bis der Protagonist (hier Testi) die Schnauze ausreichend voll hat, um eine endgültigere Lösung des Problems in Betracht zu ziehen. Und so wird flux eine Handvoll Betroffener zu einer Selbsthilfegruppe in Sachen Schutzgelderpressung zusammengerafft, darunter der oben erwähnte Schütze, dessen Frau der Rache des Rackets zum Opfer fiel sowie der ebenfalls erwähnte Altgauner, dessen Neffe von der durch die Bandenmitglieder aufgehetzten Geiseln eines Überfalls totgeprügelt wird: beides sehr unangenehme Szenen wie effektive Szenen.

Hinzu gesellen sich ein psychisch stark angeschlagener Restaurantbesitzer, dem die Bande die Tochter nahm und der für den Mord an einigen Gangern verhaftet wurde (nur, um im Knast heiterst weiter zu killen), ein Discothekenbesitzer, der vom Racket zu Muß geprügelt sein Leben in einem Stützkorsett fristen muss sowie das letzte fragwürdige Ass im Ärmel Palmieris: ein verurteilter Amokläufer, der den Amateurrambos im Austausch für Geld und einen gefälschten Pass Feuerschutz geben soll. Let's get ready to rumble!

Bei aller Fragwürdigkeit der Handlung haben wir hier einen soliden Actioner der alten Schule. Das heißt, dass wir nicht von Explosionen im Sekundentakt malträtiert werden, keine radikalen Epilepsieschnitte erwarten müssen und uns handgemachter Effekte erfreuen können. Das alles wird von Regisseur Castellari temporeich und mit solider Kameraarbeit eingefangen, die natürlich auch viel Freiraum für das liebste Stilmittel des Regisseurs lässt: die Zeitlupe. Im Zusammenspiel mit dem Oliver Onions - Score, der sich diesmal vollkommen aus den heiteren Gefilden der Spencer / Hill - Soundtracks bewegt kommen hier durchaus knackige, manchmal sogar surreale Szenen zustande. Highlights sind Testis unfreiwillige Talfahrt im umgestoßenen Auto, die Erschießungshalluzunationen von Orso Maria Guerrinis Charakter, dem Sportschützen, und natürtlich das Endmassaker des Filmes, dass sich vor keiner anderen Produktion dieses Genres verstecken braucht.

Wie bereits oben angedeutet bleibt der Zuschauer auch von jeglicher rechten Rhetorik, die man dem genre gerne nachsagt verschont. Der vermeitliche Ausweg der Gewalt führt zu guter Letzt ins Nichts, wie dann auch ein hochgradig frustrierter Fabio Testi feststellen muss. Auch spart man sich hier, auf der politischen Opposition jener Tage rumzuhacken: im Gegenteil zum genretypischen Abwatschen der politischen Linken wird hier mit einer Randaleszene in einem Supermarkt, in der unter pseudomarxistischen Parolen Regale zu Kleinholz reduziert werden damit gespielt, wie die Erpresser mit ihrem klischeehaften Politgeplärre den Verdacht von der organisierten Kriminalität ablenken, indem sie eine andere Angst der damaligen Gesellschaft bedienen. Der Verweis, dass die Racket - Masche in der Form aus den USA stammt sowie die Anmerkung eines korrupten Staatsanwaltes, dass die amtierenden Politiker das verursachte Chaos der Bande zu schätzen wüssten, weil es Wählerstimmen garantiere sind weitere nette Seitenhiebe. Dennoch ist dies hier nicht etwa eine gewaltsame Politsatire, sondern ein einfaches und erdiges Stück Actionkino. Auch, wenn ich Castellari und seinen Mitautoren durchaus zutraue, Anspielungen auf die bittere Realität in ihr Werk eingestreut zu haben

Der Erfolg sollte dem Film recht geben, denn ein Jahr später sandte Castellari Testi erneut als Polizisten aus, um sich an die Versen der titelgebenden "Dealer Connection" zu heften. Ein paar Gesichter aus diesem Film traten dort ebenfalls in Erscheinung und insgesamt ist auch dieser Film trotz seines langsameren Tempos durchaus sehenswert, kommt aber leider nicht ganz an die Klasse der ersten Castellari - /Testi - Kollaboration heran. Während Dealer Connection ein Poliziotesci zum Vorglühen eines Italocrime - Filmabends ist stellt Racket das eindeutige Main Event dar. Als Nachspeise dann noch "Das Syndikat des Grauens" von Lucio Fulci nachgelegt und man hat das volle Testi - Testosteronpaket.

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