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„Nur gemeinsam können wir die Brut erledigen!“

Nachdem der italienische Regisseur Enzo G. Castellari („The Riffs“), der sich mit seinen Western, vor allem aber mit seinen Actionfilmen einen Namen gemacht hat, u.a. mit Filmen wie „Ein Mann schlägt zurück“ und „Tote Zeugen singen nicht“ das Poliziesco-Genre bedient und dafür mit Franco Nero zusammengearbeitet hatte, drehte er im Jahre 1976 mit „Racket“ einen weiteren Selbstjustiz-Poliziesco, diesmal mit Fabio Testi („Das Geheimnis der grünen Stecknadel“) in der Hauptrolle.

Ein sog. „Racket“, ein Ring skrupelloser Schutzgelderpesser, hält Rom in Atem und presst kleine Geschäftsleute aus wie Zitronen. Die Verbrecher gehen dabei immer dreister vor und sogar sprichwörtlich über Leichen – kein Wunder, wenn die Polizei wenig motiviert scheint, konsequent gegen die Übeltäter vorzugehen und spätestens gewiefte Anwälte ihre Mandanten im Falle von Verhaftungen wieder freiboxen. Inspektor Palmieri (Fabio Testi) ist es leid, tatenlos zusehen zu müssen und nutzt seine Suspendierung vom Dienst dafür, unter den Opfern des Rackets Mitglieder für seine zu allem entschlossene Privatarmee zu rekrutieren, um den Gangstern endgültig den Garaus zu machen…

„Racket“ ist natürlich nicht der erste Vertreter eines Genrefilms, in dem ein Bulle das Gesetz selbst in die Hand nimmt, weil man ihm – aus welchen Gründen auch immer – von behördlicher Seite Steine in den Weg legt. Reaktionäre Beispiele bemängeln die Gesetzeslage und sehnen sich nach „Law & Order“-Sheriffs in Wild-West-Manier, intelligentere Exemplare betreiben tiefergehende Ursachenforschung, spüren manch Komplott auf und legen sich mit den großen Fischen an. Manche dieser Filme erscheinen angesichts eines anscheinend verbrieften Rekordhochs in Sachen Verbrechen im Italien der 1970er emotional und wütend, wie aus dem Bauch heraus gedreht, andere gehen wohlüberlegt vor und sensibilisieren den Zuschauer für Ungerechtigkeiten im Verborgenen, einige geben Antworten auf Fragen, andere werfen erst Fragen auf. Und natürlich gibt es auch diejenigen Filme, bei denen die Handlung zur Nebensache gerät und die auf Schauwerte wie auch krachende Action setzen und/oder die ihre Geschichte comichaft überzeichnen, bis kaum noch Parallelen zur Realität zu ziehen sind.

So ein bisschen eine Mischung aus allem, in erster Linie aber ein Muster für letztgenannte Erscheinungsform des Selbstjustiz-Poliziescos ist „Racket“, mit dem Castellari sein Talent für unterhaltsame Actionkost unter Beweis stellt, indem er Schönling Fabio Testi als aufgebrachten Inspektor in einen wahren Krieg ziehen lässt, in dem keine Gefangenen mehr gemacht werden. Von vornherein geht’s hier rund, so dass der Zuschauer recht schnell regelrechten Hass auf die interessanterweise gemischtgeschlechtlichen Schutzgelderpresser (bzw. deren ausführende Handlanger) entwickelt, die selbst vor Mord und Vergewaltigung einer Minderjährigen (die sich im Anschluss das Leben nimmt) nicht zurückschrecken. Das tendiert zwar stark zur Schwarzweiß-Malerei, wenngleich die Gangster zwar das absolut Böse verkörpern, Palmieri jedoch alles andere als ein Engel ist, rege Kontakte zu kriminellen Informanten unterhält und seine Kompetenzen im Umgang mit Verdächtigen tatsächlich dann und wann überschreitet. Vor allem aber ist auch er in Gefahr vor dem Racket, wie eine großartig gefilmte Sequenz zeigt, in der man ihm die Autoscheiben einschlägt und ihn mitsamt seinem Gefährt eine Klippe hinunterstößt. Natürlich wird er zur Identifikationsfigur für den Zuschauer, wenn es auch etwas eigenartig anmutet, dass er selbst einem irren Amokläufer zum Ausbruch verhilft, um mit ihm sein Team zu verstärken.

Doch zur Sache: Castellari inszeniert Stunts und Prügeleien, heftige, blutige Schießereien, teils in Zeitlupe und sehr gut choreographiert, einen Überfall auf einen Sportschützen und dessen Frau an der Grenze des Erträglichen, spickt seinen Film mit ein wenig durchaus willkommenem Humor und wählt manch originelle Kameraperspektive, beispielsweise wenn er Palmieri durch eine Waschpulverpackung filmt. Zu allem ertönt ein zweckmäßig-versierter Soundtrack der De-Angelis-Brüder. Einerseits erscheint „Racket“ recht simpel gestrickt, andererseits steckt er voller Überraschungen (wie z.B. dem Heraufbeschwören eines Lynchmobs) und bietet bis zum Castellari-typischen ausufernden Baller-Finale geschürte Rachegelüste und Spannung en masse. Einige Charakterfressen gesellten sich zu Testi, Renzo Palmer („Die Killer der Apocalypse“) trifft auf Orso Maria Guerrini („Keoma – Melodie des Sterbens“) trifft auf Romano Puppo („Fireflash - Der Tag nach dem Ende“) u.a. – und alle sind voll bei der Sache; es ist ein Vergnügen, ihnen zuzusehen. Selbst auf Testi ist einmal mehr Verlass und es gelang, ihm einen rauen Charme zu verpassen.

Schade ist jedoch, dass man nicht erfährt, wie Palmieris kleinkrimineller Freund an seine Informationen kommt oder welches das Rachemotiv des Amokläufers ist, wenn laut Palmieri jeder eines hat. Auch gibt es häufig blutig Schusswunden zu sehen, des Öfteren jedoch auch gar nicht, obwohl ganze Magazine auf eine einzelne Person abgeschossen werden. Wurde da geschludert? Und dass Palmieri gleich drei Autos durch einzelne Schüsse zur Explosion bringt, gibt es wohl auch nur in Filmen wie diesen. Das Schöne an „Racket“ jedoch ist, dass er trotz derartiger Ungereimtheiten prächtig funktioniert und wunderbare Action-Unterhaltung für große Jungs (und Mädels) bietet.

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