Selbstjustizthriller haben gemeinhin die Gemeinsamkeit, dass die Geschichten stumpf sind, die politische Aussage meist sehr fragwürdig ist und dass sie allesamt in Deutschland indiziert sind. Doch Enzo G. Castellaris Werk "Racket - Bei Anruf Mord" ragt aus diesem Moloch der oberflächlichen Gewaltfilme heraus.
Ein Racket - eine mafiaähnliche Organisation - terrorisiert die Bürger Roms. Angeführt von Rudy (Joshua Sinclair, "Wenn Du Krepierst - Lebe Ich"), rauben, töten und erpressen sie Schutzgeld von Ladenbesitzern. Wenn diese nicht zahlen, drohen ihnen Mord, Vergewaltigung und die vollkommene Zerstörung ihrer Lebensgrundlage.
Inspektor Nico Palmieri (Fabio Testi, "Verdammt Zu Leben - Verdammt Zu Sterben") versucht zunächst mit den Mitteln der Justiz dem ganzen Geschehen Herr zu werden. Als er jedoch an der Bürokratie und Korruption scheitert, beginnt er einen blutigen Rachefeldzug gegen die Gangster...
Action-Spezialist Enzo G. Castellari ("Keoma", "Inglorious Bastards") legte bei diesem Film überraschend viel Wert auf Charakterzeichnung. So beschäftigen sich die ersten zwei Drittel von "Racket" hauptsächlich mit dem Aufbau der Motive, die dann im letzten Drittel die Racheaktionen rechtfertigen.
Nico Palmierei, bekannt für seine brachialen Methoden, versucht die Opfer der Schutzgelderpresssungen zunächst zu einer Aussage zu bewegen. Doch da diese sich meist aus Angst vor Repressionen des Rackets weigern, trifft er nur auf verschlossene Türen und Münder. Einzig ein Restaurantbesitzer (Renzo Palmer) erklärt sich bereit, eine Aussage zu machen. Daraufhin wird seine Tochter von den Gangstern vergewaltigt und begeht im Anschluss Selbstmord.
In der Zwischenzeit versucht Palmieri mehr über die Struktur des Rackets herauszufinden und infiltriert es. Doch wiederum kommt ihm das Syndikat auf die Schliche und lässt den Neffen des Spions Pepe (Vincent Gardenia, "Ein Mann Sieht Rot") von einer aufgebrachten Meute tot trampeln.
Palmieri wird daraufhin von seinem Dienst suspendiert. Er wendet sich an die Opfer und will mit ihnen eine kleine, schlagkräftige Truppe aufbauen, mit der er, in einer einmaligen Aktion, die Verbrecher vernichten kann.
"Als Polizist waren mir die Hände gebunden. Jetzt kann ich diese Schweine auslöschen."
Nico Palmieri
Politisch gesehen bleibt der Film recht einseitig. Das System ist korrupt, bürokratisch und hilft letztendlich doch nur den Gangstern. Das Ganze mag auch heute noch seine Gültigkeit haben, aber Gewalt und Mord als einziges Lösungsmittel zu präsentieren, ist doch sehr bedenklich.
"Du bist nichts Besseres als ich. Du bist auch nur ein Mörder."
Rudy
Trotz allem bleibt die Verzweiflung und Hilflosigkeit des Gesetzeshüters immer präsent. "Racket" ist jedoch nur hintergründig ein politischer Film. Das Werk lebt hauptsächlich, wie soll es bei Castellari anders sein, von seiner grandios inszenierten Action. Shoot-Outs, die an Sam Peckinpah ("The Wild Bunch") erinnern, fesseln mit ihrer herausragenden Choreographie immer wieder. Der Body-Count ist hoch und an Blut wurde auch nicht gespart, doch hält sich dies immer noch in einem erträglichen Rahmen. Und so verkommt "Racket" nicht zu einer hinrlosen Ballerei. Action- und Erzählsegmente werden gekonnt miteinander verknüpft.
Mitreisend verkörpert der ehemalige Stuntman ("Zwei Glorreiche Halunken") Fabio Testi Inspektor Palmieri. Ein Mann, der sowohl gegen Verbrecher, als auch gegen die Mühlen der Justiz kämpfen muss und somit dem System faktisch ausgeliefert ist. Untertstützt wird diese Leistung von der eindrucksvollen körperlichen Präsenz Testis; dem starken Mann, der sich nicht wehren darf.
Für einige Lacher kann der gut aufspielende Vincent Gardenia, als hinterlistiger Straßendieb Pepe, sorgen. Insgesamt bleibt die schauspielerische Riege weit über dem Genrestandart. Die Charakterisierungen wissen zu gefallen und verhindern somit einen Abfall in Klischees.
Einziger Kritikpunkt bleibt der Entwicklungsbogen des Ladenbesitzers. Er wandelt sich in sehr kurzer Zeit vom Opfer zum Soziopathen, der nur das Ziel hat, alle Mörder und Verbrecher dieser Welt "niederzumähen". Aber dieser kleine Wehrmutstropfen trübt das Filmvergnügen nur am Rande.
"Racket" gehört zu den eher unbekannten Highlights des Selbstjustiz-Genres und kann mit Klassikern wie "Ein Mann Sieht Rot" ohne weiteres mithalten. Aber auch Leuten, die einer traditionel inszenierten Action nicht abgeneigt sind, sei das Werk ans Herz gelegt.
7 Punkte