Das Genre des ruppigen Gangster-Films bietet allen Anschein nach einen vergnüglichen Spielplatz, auf dem sich Regie-Neulinge nur allzu gern austoben: Die Debüts von Quentin Tarantino (“Reservoir Dogs”) sowie Guy Ritchie (“Bube, Dame,. König, grAs”) sind längst Kult, und auch andere Ersttäter wie bspw. die McDonagh Brüder (“Brügge sehen… und sterben?” und “The Guard“) sowie Shane Black (“Kiss Kiss Bang Bang”) wussten mit ihren kriminellen Grotesken ein Zeichen zu setzen. Nun ist der nächste an der Reihe: William Monahan siedelt seinen Regie-Einstand in der Londoner Unterwelt an, von welcher sich Colin Farrell loszureißen versucht. Auch wenn alle wichtigen Zutaten vorhanden sind, mundet der Mix eben jener drehbuchbedingt nicht ganz so gut wie bei den bereits genannten Erstlingswerken - ein stilvoll inszenierter Streifen ist “London Boulevard” aber allemal.
Der Kleinkriminelle Mitchell (Colin Farrell) wurde gerade aus 3 Jahren Haft entlassen. Da er nie wieder ein Gefängnis von Innen sehen will, probiert der geläuterte Gangster fortan ein aufrechtes Leben zu führen. Dieser Plan scheint zunächst auch aufzugehen: Als ihn die ebenso prominente wie öffentlichkeitsscheue Charlotte (Keira Knightley) als Bodyguard anheuert, kann der Ex-Häftling endlich auf ehrliche Weise Geld verdienen. Seine Vergangenheit holt ihn jedoch jäh ein: Als eine ihm nahestehende Person ermordet wird, sinnt der frisch Freigekommene auf Rache. Die nötigen Informationen dafür erhofft er sich vom Unterwelt-Boss Gant (Ray Winstone), welcher jedoch ganz andere Ziele verfolgt: Der einflussreiche Exzentriker möchte Mitchell um jeden Preis rekrutieren - ein schlichtes “Nein” wird nicht akzeptiert…
Gleich zu Beginn deuten die feschen Bildcollagen im Zusammenspiel mit dem fetzigen Soundtrack an, mit welch stilsicherer Hand der Regisseur hier zu Werke geht. Auch im weiteren Verlauf gelingen einige elegante Einstellungen, die allen voran durch die schmissigen Songs an Fahrt gewinnen - optisch ansprechend, akustisch ein Hochgenuss. Nicht zuletzt aufgrund des rauen Umgangstons ist somit für eine stimmige Atmosphäre gesorgt. Die inhaltliche Ebene kann indes leider nicht die Klasse der audio-visuellen Aspekte erreichen - zu unausgegoren wirken die angerissenen Konflikte, welche nur relativ oberflächlich behandelt werden. Sei es nun die sich entwickelnde Liebesbeziehung oder der Clinch mit dem kriminellen Oberhaupt; dramaturgische Tiefe lassen beide zentralen Krisenherde etwas vermissen. Erst zum Schluss hin schaltet der Streifen ein paar Gänge hoch und mündet schließlich in einem rohen Gewaltausbruch, der die bis dahin vorherrschende Ruhe geschickt konterkariert.
Dass die Geschichte bis zu ihrem fatalistischen Finale nicht immer vollends mitzureißen weiß, verwundert beinahe ein bisschen: Die interessanten Charaktere bieten mitsamt der starken Darstellerriege eigentlich die besten Voraussetzungen. Colin Farrell bewies bereits in “Brügge sehen… und sterben?”, dass er die Rolle des geläuterten Gangsters perfekt beherrscht. Sein Ex-Sträfling mit guten Vorsätzen wirkt im direkten Vergleich zwar weitaus weniger innovativ und markant, wird durch den kernigen Iren aber dennoch mit einem ordentlichen Maß an Charme verkörpert. Mal wieder erstklassig präsentiert sich Keira Knightley, welche die Verletzlichkeit ihres scheuen Stars präzise auf den Punkt bringt. Tragischerweise dient ihre Beteiligung in erster Linie wohl dem werbeträchtigen Wunsch, eine berühmte Schönheit auf dem Filmplakat zeigen zu können; wirklich viel Aufmerksamkeit wird ihrer Figur nämlich nicht geschenkt.
Die Hauptprotagonisten werden letztendlich von Ray Winstone komplettiert, der mit seiner stämmigen Ausstrahlung eine prägnante Präsenz aufzubauen vermag und daher einen formidablen Unterwelt-Boss abgibt. Den bleibendsten und daher besten Eindruck hinterlässt jedoch ein Anderer: David Thewlis garantiert mit seiner verrückten Vorstellung als durchgeknallter Handlanger von Miss Knightley unbeschwerte Unterhaltung und sorgt somit im Alleingang für lockere Leichtfüßigkeit. Gott sei Dank erging es ihm nicht so wie einer Handvoll weiterer Nebencharaktere (angefangen beim korrupten Polizisten, über den stoischen Stalker bis hin zum ehemaligen Hausbesitzer), deren Auftritte im bedeutungslosen Nichts verpuffen und die Schwachpunkte des Drehbuchs nochmals betonen.
Fazit: “London Boulevard” hätte mehr werden können, als schlussendlich dabei herauskam: Die stilvolle Inszenierung lässt nur wenige Wünsche offen - Optik sowie allen voran Akustik sitzen schnittig. Das Skript offenbart jedoch dramaturgische Defizite, die das Gesamtbild ein gutes Stück weit trüben. Auch wenn die interessanten Charaktere einiges an Potenzial besitzen, erweisen sich die Interaktionen zwischen ihnen zu selten als wirklich mitreißend. Der Kultstatus wird diesem Debüt somit verwehrt bleiben, eine solide Gangster-Ballade ist dem Regie-Frischling aber dennoch gelungen.
6/10