Review
von Alex Kiensch
Nachdem James Wan und Leigh Whannell mit „Saw" einen modernen Genre-Klassiker und ein enorm erfolgreiches Franchise aufgebaut hatten, wandten sie sich weiteren Feldern des Horror-Genres zu. „Insidious", geschrieben von Whannell und inszeniert von Wan, variiert den klassischen Geisterhaus-Schocker geschickt und clever und beeindruckt auch alteingesessene Genre-Fans mit frischen, unheimlichen Ideen.
Die Grundsituation - eine Familie zieht in ein neues Eigenheim, in dem sich alsbald gruselige Vorfälle häufen - wird hier sehr schnell zugunsten einer unvorhergesehenen und dramaturgisch geschickten Wendung ausgebaut. So zieht die Familie auf Drängen der verstörten Ehefrau tatsächlich bald erneut um, was endlich einmal auf vernunftbegabte Hauptfiguren schließen lässt; kaum jemand, der solche Horrorerlebnisse durchgemacht hat, würde doch freiwillig weiter in solch einem Haus wohnen. Dass das in diesem Fall nichts bringt, liegt in der cleveren Story begründet, ist aber einer von vielen Einfällen, die dem wirklich totgefilmten Geisterhaus-Genre frisches Blut eingeben.
Neben solchen guten inhaltlichen Punkten überzeugt „Insidious" vor allem inszenatorisch. Stärker als bei den „Saw"-Filmen wird hier deutlich, dass Wan es versteht, eine finstere visuelle Atmosphäre zu erzeugen, die sich oft an klassischem Gothic-Grusel orientiert, diesem aber immer wieder originelle Untertöne verleiht. Selbst klischeehafte Settings wie dunkle Dachböden, nächtliche Flure und knarrende Türen werden hier mit einer solchen Intensität verwendet (und fernab üblicher Schock-Inszenierung aufgelöst), dass es einem kalt den Rücken hinunter laufen kann. Dazu trägt die entsättigte Farbdramaturgie bei, die alles trist und kalt erscheinen lässt. Und der konsequente Verzicht auf altbekannte Jump-Scares in der ersten Filmhälfte zugunsten einer gruselig-bedrohlichen Atmosphäre erzeugt einen fesselnden Spannungssog, dem man sich kaum entziehen kann.
Diese dichte Atmosphäre wird in der zweiten Filmhälfte leider ein Stück weit aufgegeben - erst durch einen etwas unpassend wirkenden, weil betont humorvollen Auftritt skurriler Geisterjäger (der aber immerhin den traktierten Nerven der Zuschauer ein wenig Erholung gönnt), dann durch sich immer weiter steigernde Effektschlachten mit den Geistern und Dämonen der düsteren Parallelwelt. Am Ende fühlt man sich ein wenig an „Poltergeist" und ein wenig an eine Fahrt mit der Geisterbahn erinnert. Spannend bleibt das dank der wirklich gelungenen Horror-Settings und der gruseligen Geistergestalten allemal, nur fühlt man sich hier nicht mehr ganz so unwohl wie noch am Anfang. Das sowie einige kleine Logiklöcher und Unglaubwürdigkeiten bleiben aber auch die einzigen Schwachpunkte des Films, die man gerne verzeihen kann.
Denn der Rest bleibt fast durchgehend spannend und unheimlich. Dazu trägt auch der nervenzerrende Soundtrack bei, der es an manchen Stellen vielleicht etwas übertreibt, aber von der ersten Szene an mit quietschenden Geigen, schrillen Tönen und leicht arhythmischen Themen eine enorm beängstigende Atmosphäre aufbaut. In Verbindung mit den eindrücklichen Grusel-Bildern, den guten Darstellern (vor allem die Kinder wirken hier viel echter und überzeugender als sonst üblich in Horrorfilmen) und der dramaturgisch stark aufgebauten Geschichte gehört „Insidious" damit zu den besten Geisterhaus-Vertretern seiner Dekade.