„Sie klagen nur, weil sich zum ersten Mal in ihrem Leben die Dinge nicht so ereignet haben, wie sie es wollten!“
Nach „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ widmete sich US-Regisseur David Fincher („Fight Club“) im Jahre 2010 dem nicht minder seltsamen Fall des Mark Zuckerberg, Facebook-Gründer und jüngster Milliardär der Welt, in Form eines biographischen Justiz-Dramas – über dessen Realitätsgehalt es geteilte Meinungen gibt.
„The Social Network“ zeichnet anhand von gerichtlichen Verhandlungen die Entstehung des sozialen Online-Netzwerks Facebook, die Gründung des Zuckerberg’schen Imperiums und die Klagen ehemaliger Geschäftspartner, die zum Ausgangspunkt für die in Rückblenden erzählte Handlung werden, nach: 2003 wird Harvard-Student Zuckerberg (Jesse Eisenberg, „Zombieland“) von seiner Freundin verlassen, wobei sie ihm verbal kräftig eins überbrät. Daraufhin schreibt er Verächtliches über sie in seinen Blog und entwickelt über Nacht ein Programm, um Studentinnen seiner Universität durch die Besucher des Internetauftritts miteinander vergleichen zu lassen. Dafür hackt er diverse Server und kommt dadurch an entsprechendes Bildmaterial. Zwar muss er sich daraufhin seinen Rüffel abholen, doch werden auch die Rudersnobs und Brüder Cameron und Tyler Winklevoss (Armie Hammer, „Blackout“) auf ihn aufmerksam, die ihn als Programmierer für ein Verabredungs-Portal gewinnen möchten. Mark willigt ein, entwickelt jedoch stattdessen sein eigenes Projekt mit Unterstützung seines Freunds Saverin (Andrew Garfield, „The Amazing Spider-Man“): The Facebook verbreitet sich zum Unmut der Winklevoss‘ von Uni zu Uni und schließlich wird gar Napster-Gründer Sean Parker (Justin Timberlake, „Hilfe, ich bin ein Supermodel“) auf das Projekt aufmerksam, hilft, es auf ein neues Level zu hieven und es weltweit für jedermann zugänglich zu machen. Die Winklevoss-Brüder verklagen Zuckerberg derweil wegen Ideenklaus und wollen ihren Teil vom Kuchen abbekommen...
„Von jetzt an leben wir im Netz!“
Fincher & Co. zeigen Mark Zuckerberg als besessenen Programmierer, der an seine Grenzen geht, als verbissenen Typen, der nie lacht, aber auch im Winter in kurzen Hosen herumrennt. Und obschon „The Social Network“ Zuckerbergs soziale Unzulänglichkeiten, mangelnde Empathie etc. recht ungeschönt dokumentiert, zeichnet der Film ihn eben – je nach Erwartungshaltung mehr oder auch weniger überraschend – nicht als totales Arschloch, sondern liefert ein differenziertes Bild seiner Person. So war er – an gewisse Nerd-Ehren gemahnend – zunächst unkommerziell ausgerichtet und gegen Werbung auf seiner Plattform eingestellt, kümmerte sich einen feuchten Kehricht um uncoole Geschäftsangelegenheiten und war zwar kein moralisch integerer Idealist, aber auch kein skrupelloser Kapitalist. Diese Rolle wird viel eher „Mr. Napster“ Sean Parker zuteil, der als geltungs- und feiersüchtiger Großkotz eingeführt wird. Zuckerberg hingegen nimmt zunächst gar eine Art Underdog-Haltung angesichts der durchtrainierten, reichen Rudersnobs ein (s. auch das Eingangszitat).
„The Social Network“ zeichnet das digitale Zeitalter eines bestimmen Zeitraums vornehmlich aus der Perspektive des Facebook-Projekts nach, das man in schwindelerregende Höhen wachsen sieht. Das ist auf gewisse Weise faszinierend mitanzusehen, weckt bei diese Zeit als Internet-Surfer miterlebt habenden Zeitgenossen Erinnerungen an diese jüngste Vergangenheit und erlaubt den einen oder anderen neo-nostalgischen Blick zurück. Fincher zeigt aber auch, wie ein solches Projekt Freundschaften verändert, gefährdet, schließlich zerstört und wie es den Werdegang eines talentierten jungen Programmierers beeinflusst – Zuckerberg zieht schließlich nach Kalifornien, ausgerechnet gegenüber von Parker, und schasst letztlich seinen ursprünglichen Investor und Mitbegründer, der den eingeschlagenen Weg nicht mitgehen möchte, zumindest nicht in diesem Tempo. Dem wohnt natürlich eine gewisse Ironie inne, schließlich wirbt Facebook damit, Freundschaften zu festigen oder erst zu ermöglichen. Außerdem bietet der Film interessante Einblicke ins Milieu erfolgreicher, eigentlich viel zu junger Nerds, wobei ich jedoch nicht zu beurteilen vermag, inwieweit hier evtl. schlicht auf Klischees zurückgegriffen wurde. Erzählerisch jedenfalls macht Fincher vieles richtig, schafft es, seinen Film ebenso spannend wie unterhaltsam zu gestalten und probiert einen gewagten Spagat zwischen technikaffinem Nerd- und thematisch unbelecktem Mainstream-Zielpublikum. Diesem wird geschuldet sein, dass auf für Erstgenanntes interessante technische Hintergründe kaum eingegangen wird. Weniger verständlich jedoch ist, dass der Themenkomplex um Privatsphäre, Datenschutz etc. wenn überhaupt nur kurz und nebensächlich angerissen wird. Dass sich Fincher die Auseinandersetzung damit spart, erleichtert ihm indes die relativ neutrale, wertungsfreie Darstellung Facebooks und dessen Sinns und Zwecks; nichtsdestotrotz erlaubt er sich einen feinen, sehr sympathischen Seitenhieb auf die „Generation Facebook“, wenn er als Schlusseinstellung Zuckerberg in einer typischen Facebook-Nutzer-Haltung zeigt, die augenzwinkernd zumindest einen Teil der Absurdität des Ganzen aufgreift. Dass man sich um die visuelle Gestaltung bei einem Fincher-Film nicht viel sorgen machen muss, sollte mittlerweile ebenso Usus sein wie dass er keine unmotivierten schauspielerischen Leistungen durchgehen lässt (z.B. Timberlake spielt besser als er Musik macht und Hammer mimt gleich in einer Doppelrolle die Winklevoss‘) und ein Song der „White Stripes“ als Titelmelodie macht sich in seiner minimalistischen, handgemachten Instrumentierung auch wesentlich besser als vermeintlich passendere Computer-Sounds.
Nun habe ich den mir bei Finchers „Zodiac – Die Spur des Killers“ nicht ausreichenden Realismus angekreidet. In diesem Falle erscheint die Sachlage noch eine Spur undurchsichtiger. Drehbuchautor Aaron Sorkin legt Wert auf seine Aussage, dass es sich um keinen faktentreuen Dokumentarfilm handele, Zuckerberg selbst verweigerte sich jeglicher Kooperation. Wenn dessen Hauptkritikpunkt allerdings zu sein scheint, dass der Film nahelege, er habe Facebook gegründet, um Frauen kennenzulernen (was der Film meines Erachtens nicht aussagt) und ausgerechnet Cameron Winklevoss, der in „The Social Network“ nicht sonderlich gut wegkommt, den Film als faktisch korrekt bezeichnet, ist möglicherweise doch mehr dran, als die Filmemacher mit ihrem Understatement offen zugeben wollen. Ich kann es mir nicht verkneifen und sage „gefällt mir“, Herr Fincher – nur eines: Sie hätten das „The“ weglassen sollen. Einfach „Social Network“.