"Privatleben ist ein Relikt vergangener Zeiten."
In Anlehnung realer Ereignisse thematisiert David Fincher ("Fight Club", "Der seltsame Fall des Benjamin Button") mit "The Social Network" die Entstehung von Facebook und das ereignisreiche Leben des Gründers Mark Zuckerberg.
Nach der plötzlichen Trennung von seiner Freundin Erica Albright (Rooney Mara) beginnt der sozial inkompetente Harvard Student Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) eine Webseite zu entwickeln, auf der man sämtliche Studentinnen seines Campus bewerten kann. Um an Bildmaterial für seine Webseite zu gelangen, hackt er sich in die Datenbanken aller Wohnheime der Harvard Universität und stiehlt digitale Fotos der Studentinnen. Bereits nach kurzer Betriebszeit der Seite sprengen die Besucherzahlen die Leistungsfähigkeit des Universitätsnetzwerks. Durch diesen Vorfall muss sich Mark vor einem Gremium der Universität verantworten und zieht die Aufmerksamkeit der Zwillinge Cameron und Tyler Winklevoss (Armie Hammer) auf sich. Sie besprechen mit ihm eine Idee über ein elitäres soziales Netzwerk. Mark verspricht ihnen seine Unterstützung, nutzt die Idee jedoch für eine Eigenentwicklung, für die sein Freund Eduardo Saverin (Andrew Garfield) die nötigen Mittel bereit stellt. Schon bald geht die Entwicklung unter dem Namen thefacebook.com online.
Es ist banal und schon beinahe ein Klischee, wie "The Social Network" den Einstieg beschreitet. Das Gesellschaftsdrama beschreibt die Entstehung des aktuell weltweit größten sozialen Netzwerkes als Geistesblitz eines frustrierten Twens.
Wie so häufig im Netz geht es um Sex, beziehungsweise die Abwesenheit dessen. Männliche, sexuell frustrierte Arschlöcher regieren die virtuelle Welt. Fincher bringt diese Tatsache sehr sarkastisch auf den Punkt und inszeniert die ersten Gehversuche von Facebook wie einen reißerischen Thriller. So erinnert das Hacken der Server von Zuckerberg sowie der Einfall der Erweiterung um den Beziehungsstatus auf der Webseite eher an einen temporeichen Actionfilm statt an ein Drama. Und das völligst ohne explosives Material.
Aufgeteilt ist "The Social Network" in zwei Anklagefälle der gegenwärtigen Zeitlinie, von denen via Rückblick immer wieder in die Vergangenheit gesehen wird. Anstatt die ganze Entstehung nun träge aufzubauen, setzt Fincher auf bissige Dialoge sowie Kurzweil, und schafft es somit, die Aufregung des schnell steigenden Imperiums ständig beizubehalten. Selbst Szenen, in denen Zuckerberg in Gedanken versunken am Bildschirm sitzt und stundenlang Programmzeilen tippt, sind spannend und unterhaltsam inszeniert, obwohl gerade zu Beginn das Fachchinesisch selbst Kennern der Materie eine Menge abverlangt.
Kritisch aber ohne großen Anspruch thematisiert "The Social Network" die Auswirkungen des Netzwerks. Dabei lässt sich der Film weniger auf globale Probleme in der Öffnung der Privatsphäre oder mögliche Rufmorde ein, sondern beschränkt sich auf die Probleme der Hauptfiguren. Der Verlust von realen Kontakten und der Wahn des Kapitalismus stehen im Mittelpunkt, wobei erfreulicherweise auf eine schwarz-weiß Malerei verzichtet wird.
Das Gesellschaftsdrama präsentiert die Stärken und Schwächen der Figuren ohne Partei zu ergreifen. So wird Zuckerberg als verbissener, genialer, fast schon autistischer IT-Freak mit sozialer Inkompetenz gezeichnet, der am Ende jedoch auch nur Opfer gesellschaftlicher Strukturen ist. Geradezu genial sind seine pedantischen Anflüge, Wortwahl und Semantik der Anwälte und Lehrer zu korrigieren. Einen Großteil der Laufzeit verbringt der Film um durchs Zuckerberg's scharfzüngige Dialoge ein enormes Tempo zu arrangieren, dass den Zuschauer immer wieder fordert.
Trotz fehlender Überraschungen ist "The Social Network" eine packende und absolut sehenswerte Charakterstudie. Zwar hält sich Fincher diesmal sehr zurück was ausgefallene Motive und Kamerafahrten angeht und schafft den Suspense lediglich aus dem Rhythmus der Dialoge. Die musikalische Untermalung von Nine Inch Nails Frontmann Trent Reznor treibt die Atmosphäre des Films aber immer wieder in absolute Höhen, was besonders während einer rasant geschnittenen Montage eines Ruderrennens spürbar ist.
Die Darsteller verkörpern ihre anspruchsvollen Figuren grandios. Jesse Eisenberg ("Zombieland“, "Verflucht") macht Mark Zuckerberg zu einer ungemein charismatischen Figur, die entgegen vieler Befürchtungen nicht auf einen einsilbigen Bösewicht reduziert wird. Ebenfalls erwähnenswert sind Andrew Garfield und Rooney Mara ("A Nightmare on Elm Street") in wenigen, aber starken Szenen, sowie Popstar Justin Timberlake ("Black Snake Moan"), der jedoch erst mit zunehmender Laufzeit Gewichtung bekommt.
"The Social Network“ ist ein relativ fiktiver, aber dennoch ungemein interessanter Blick hinter die Kulissen einer unglaublichen Erfolgsgeschichte. Insbesonders die provokanten Dialoge sind eine Wucht, ebenso wie die Präsentation und Darstellung der Figuren. Die Möglichkeiten zur kritischen Betrachtung des sozialen Netzwerks Facebook werden sicher nicht ausgereizt, aber dennoch enorm unterhaltsam und neutral vorgetragen.
10 / 10