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„Die Rache des Nerds"

Es beginnt alles mit einer Demütigung. Harvard-Student Mark Zuckerberg bekommt in einer Campus-Kneipe von seiner Freundin Erica den Laufpass. Die folgende Lebensweisheit gibt's gratis noch obendrauf: „Du wirst sicherlich einmal erfolgreich und reich werden. Und du wirst immer denken, dass die Mädchen dich nicht mögen, weil du ein Nerd bist. Aber das stimmt nicht. Sie können dich nicht leiden, weil du ein Arschloch bist."

Zuckerberg hat sich diese Ohrfeige redlich verdient. Zuvor hat er eine gefühlte Ewigkeit und in atemberaubender Geschwindigkeit über die Vorzüge des richtigen „Final Club" monologisiert und Erica dabei deutlich zu verstehen gegeben, dass sie weder geistig noch bildungstechnisch in seiner Liga spielt. Bei so viel Arroganz ist die Fallhöhe natürlich exorbitant und dementsprechend tief sitzt die Kränkung. Von Rachegelüsten getrieben bloggt der Frustrierte postwendend allerlei Gemeinheiten über Erica und erfindet noch in derselben Nacht den Vorläufer des Online-Kontaktnetzwerks Facebook. Dazu sammelt er im Netz Bilder sämtlicher Kommilitoninnen und lässt diese in zufälligen Zweierteams gegeneinander antreten, indem sie ihrem Aussehen nach bewertet werden können. Binnen kürzester Zeit bricht das Uninetzwerk zusammen und Zuckerberg wird zumindest Harvard-intern zur Berühmtheit.

Regisseur David Fincher hat bereits in Sieben und Fight Club die finsteren Abgründe vornehmlich männlicher Seelen auf schmerzliche Art und Weise ausgeleuchtet. Mit The Social Network wagt er sich erstmals an ein Biopic und bleibt dennoch seiner Linie treu. Die oben beschriebene Auftaktsequenz konfrontiert den Zuschauer brachial und ohne Vorwarnung mit dem ambivalenten Charakter des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg und gibt Tempo, Ton und Focus des Films vor.
Wer ein Heldenepos über den weltweit jüngsten Milliardär oder eine filmische Hymne über seinen Geniestreich erwartet hat, sitzt definitiv in der falschen Veranstaltung. The Social Network ist ein gnadenlos bissiger, brillant geschriebener und famos gespielter Thriller über Neid, Missgunst, Verrat und Größenwahn. Es geht um geistigen Diebstahl, Übervorteilung und Ausbootung.
Inwieweit hier die volle Wahrheit erzählt wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Das wenig schmeichelhafte Bild Mark Zuckerbergs ist nur bedingt überraschend, stützt der Film sich doch hauptsächlich auf das unautorisierte Enthüllungs-Buch „The Accidental Billionaires" von Ben Mezrich, dessen Hauptquelle - Facebook-Mitbegründer Eduardo Saverin - seinen einstigen Studienfreund Zuckerberg auf Schadensersatz in Millionenhöhe verklagte, weil dieser ihn noch vor dem schwindelerregenden Erfolg aus dem gemeinsamen Projekt gedrängt habe.

Indem er die Handlung aus verschiedenen Perspektiven erzählt, entgeht Fincher allerdings geschickt der Gefahr, den Facebook-Gründer vollständig zu diffamieren, oder ein abschließendes Urteil über dessen Charakter zu fällen. Da wären zunächst die schwerreichen Winkelvoss-Brüder Cameron und Tyler, die Zuckerberg als Programmierer für eine College-Datingseite anheuern. Sie verkörpern all das, wozu Mark keinen Zugang hat. Die zwei Modellathleten haben beste Verbindungen und sind Mitglieder in Harvards exklusivstem Studentenclub. Nach einer mündlichen Zusage meldet er sich nicht mehr bei ihnen und entwirft statt dessen Facebook. Die so schnöde im Stich Gelassenen fühlen sich in ihrer Studentenehre gekränkt und verklagen Zuckerberg auf Ideenklau. Inwieweit dieser Vorwurf berechtigt ist, erscheint im Film aber als Grauzone, zumal die Zwillinge als dümmlich-naive Streber karikiert werden.
Auch der hinausgedrängte Eduardo Saverin ist nicht fehlerlos. Zwar wird er als charakterlich integer und treuer Freund porträtiert, beweist allerdings in seiner Funktion als CFO (Chief Financial Officer) ein gehöriges Maß an Kurzsichtigkeit und mangelndem Wagemut. Moralisch ist seine Ausbootung fraglos verwerflich, rein geschäftlich war sie für den globalen Erfolg des Unternehmens aber sicher von Vorteil. darüber hinaus macht der zunehmende Einfluss des aalglatten Napster-Gründers Sean Parker - Popstar Justin Timberlake gibt eine Galavorstellung als größenwahnsinniger, paranoider Internet-Guru -, dessen sardonischem Charme Zuckerberg von der ersten Sekunde an erliegt und der entgegen Saverin in großen Dimensionen denkt, diese Entscheidung wenn auch nicht vertretbarer, so doch zumindest erklärbarer. All dies bedeutet am Ende aber nicht, dass man als Zuschauer große Sympathien für Zuckerberg hegt. Den Eindruck, den er am Anfang hinterließ, kann er bis zum Schluss nicht verwischen.

Jungstar Jesse Eisenberg (Adventureland, Zombieland) gelingt das Kunststück zumindest Verständnis für diesen eigentlich durch und durch unsympathischen Charakter zu vermitteln. Aus der Ablehnung die ihm vor allem von Personen entgegenschlägt um deren Gunst er buhlt - Frauen und Mitgliedern exklusiver Studentenclubs - , macht er eine Tugend, indem er kurzerhand einen riesigen Kennenlernclub im Internet eröffnet, dem buchstäblich jeder angehören will. Diese beißende Ironie bringt dem filmischen Zuckerberg wenigstens ein imaginäres Schulterklopfen. Seine Facebook-Idee ist auch ein Sieg des kleinen Mannes - hier in der Form eines verschrobenen Computerfreaks - über die Schönen und Reichen - hier vor allem verkörpert durch attraktive Studentinnen und die für den Ostküsten-Geldadel stehenden Winkelvoss-Zwillinge - und damit auch eine klassische (amerikanische) Erfolgsgeschichte.

Es ist nicht allein Finchers Verdienst, dass The Social Network trotz seiner simplen Story bis zum Schluss zu fesseln vermag. Neben dem groß aufspielenden Cast sind dafür in erster Linie die brillant geschriebenen Dialoge verantwortlich, die messerscharf und auf den Punkt sind. Drehbuchautor Aaron Sorkin hat ja bereits bei der Polit-TV-Serie "The West Wing" sein Talent für ausgefeilte und scharfzüngige Wortgefechte bewiesen. Zusammen mit der nötigen dramatischen Verdichtung - die sicherlich stellenweise zu Lasten der Wahrheit geht - entstand ein spannender und überaus unterhaltsamer Wirtschafts-Thriller über die Internet-Generation.
Trotz des wenig schmeichelhaften Bildes ihres Gründers wird der Film der Online-Platform Facebook zu weiterer Aufmerksamkeit und zwangsläufig zu noch mehr Usern verhelfen. Darüber, ob der echte Zuckerberg wirklich dem eingangs zitierten Bild seiner Filmfreundin entspricht, darf weiterhin ausgiebigst spekuliert werden. Zumindest etwas Gespür scheint der so Gescholtene jedenfalls dann doch zu haben, hat er doch kürzlich ein mehrseitiges Portrait im angesehnen Magazin "The New Yorker" veröffentlichen lassen, in dem er wenigstens einen kleinen Einblick in sein Privatleben gestattet.

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