Es fällt mir etwas schwer bei „Sherlock“ von einer Serie im eigentlichen Sinn zu sprechen. Klar haben wir wiederkehrende Personen und einen, sich durch die Folgen ziehenden, übergreifenden Handlungsrahmen (Moriarty). Dennoch, bei 1,5 Stunden pro Folge könnte man genauso gut argumentieren, auch "Indiana Jones", "Star Wars" und "James Bond" könnten als Serie betrachtet werden. Zudem ist auch bei Folge 2 „Der blinde Banker“ die production value wieder deutlich über dem gewöhnlichen TV-Standard (einen Vergleich mit deutschen Krimiserien wagt man fast nicht anzustreben). Kein Wunder, hat ja schon der nie ausgestrahlte Pilot 800.000,- Pfund verschlungen.
In Fall Zwei haben sich die beiden WG-Kollegen Holmes und Watson mittlerweile aneinander gewöhnt (soweit das bei einem überdreht autistischen Mitbewohner wie Holmes überhaupt möglich ist) und werden gleich mit einem neuen mysteriösen Fall konfrontiert. Ein alter Studienkollege von Sherlock beauftragt ihn, einen Fall von Vandalismus in einem Bankgebäude in der Londoner Innenstadt aufzuklären. Bald haben die Beiden es auch schon mit der ersten Leiche zu tun und kommen mit einer chinesischen Verbrechervereinigung in Berührung. Zudem hat Watson nicht nur einen neuen Job sondern wagt außerdem erste amouröse Schritte in Richtung Weiblichkeit. Leider fällt diese Folge, nach dem extrem starken Pilot, ein wenig ab. Klar harmonieren die beiden Protagonisten immer noch wunderbar miteinander, dennoch fehlt der culture-clash-Moment, der der ersten Folge noch die gewisse Würze verpasst hat. Hier haben sich die Beiden schon miteinander arrangiert und sind quasi beste Freunde. Auch lässt Holmes ab und an die Momente absoluter Arroganz vermissen und zeigt am Ende gar so etwas wie Einfühlungsvermögen. Was natürlich nicht bedeutet, dass er den Wunsch Watsons nach weiblicher Gesellschaft nachvollziehen kann. Im Gegensatz zu Fall Nummer Eins wird es im Verlauf der Geschichte auch etwas actionreicher, was ja an sich immer positiv ist, in diesem Fall jedoch nicht allzu überzeugend inszeniert wurde. Den Kämpfen geht zuweilen ein wenig die Dynamik ab und alles wirkt etwas zu sehr einstudiert. Dramatisch und spannend wird es dennoch, dank zahlreicher „In letzter Sekunde“-Rettungen. Man merkt insgesamt halt dann doch deutlich den Regiewechsel. Hier haben wir es im Gegensatz zu "Ein Fall von Pink" (vom "Lucky Number Slevin"-Macher) mit einem reinen Serienregisseur zu tun - und das merkt man.
Das alles jedoch ist natürlich Jammern auf äußerst hohem Niveau. Denn immer noch weiß „Sherlock“ in seinen 90 Minuten mehr zu fesseln als so manche 30-Minuten Folge einer anderen Serie. Immer noch schnell, witzig und gespickt mit pointierten Dialogen. Die Verquickung der Motive altbekannter Fälle (hier „Im Zeichen der Vier“ und „Die tanzenden Männchen“) zu etwas Neuem gelingt fabelhaft. Kamera, Story, Darsteller also nach wie vor Top. Von dem her, trotz Abstriche und kleiner Längen im Mittelteil ein toller zweiter Teil der auf jeden Fall Lust auf mehr macht. Ich bin jetzt schon ein wenig traurig, dass nach Folge 3 vorläufig Schluss ist. Und da britische Serien ja meist nach zwei Staffeln ein Ende finden, muss ich mir schon jetzt eine kleine Träne verdrücken.
7,5/10