Um die Gefahren der schönen neuen Digitalwelt geht es in diesem Familiendrama unter der Regie von David Schwimmer: Harte Themen wie Cybergrooming, Missbrauch Minderjähriger, bis hin zu Online-Mobbing und Suizidversuchen, werden hier vielschichtig, einfühlsam und stark gespielt durchdekliniert. Heraus kommt dabei ein für Hollywood-Verhältnisse erfreulich ambivalenter Einblick in die psychischen Folgen digital ermöglichter Kriminalität.
Clive Owen und Catherine Keener verkörpern dabei die besorgten und lange Zeit ahnungslosen Eltern der jugendlichen Annie (hochintensiv gespielt von Liana Liberato). Diese schreibt seit einiger Zeit mit einem Jungen namens Charlie, der sich bei einem ersten Treffen als erwachsener Mann entpuppt. Die Begegnung endet mit einer Vergewaltigung, und die Folgen der Tat drohen das fest geglaubte Familiengefüge nach und nach auseinanderzureißen.
Die geradlinige Erzählung wird mit einer distanzierten Kamera in ruhige Bilder eingefangen, zeigt erst die idyllische Familie, um sie nach dem Verbrechen nach und nach in psychischen Ausnahmesituationen untergehen zu lassen. Das klingt vielleicht etwas nach Hollywood-Klischees, und tatsächlich wirken einzelne Szenen etwas zu didaktisch, wenn etwa über die Gefahren des unbeaufsichtigten Onlinelebens Jugendlicher aufgeklärt werden soll; über weite Strecken erweisen sich Charakter- und Storyentwicklung aber als erstaunlich tiefgründig, gut durchdacht und emotional packend. Dabei traut sich der Film auch für einen Mainstream-Beitrag einiges – trotz eines gewissen Hangs zur typischen Hollywood-Verklemmtheit dürfte die Missbrauchsszene zum Beklemmendsten ihres Kinojahres gehören. Auch der weitere Verlauf mit Einschaltung der Behörden, unangenehmer Krankenhausuntersuchung und psychologischer Betreuung kommt enorm authentisch daher und zeigt die frustrierende Ereignislosigkeit der Realität auf.
Diese Entmystifizierung verbreiteter Filmklischees zeigt sich vor allem in der starken Vaterfigur: In seiner hilflosen Wut gleitet er immer stärker in krasse Rache- und Selbstjustizfantasien ab, die stets als so erbärmlich und unrealistisch gezeigt werden, wie sie nun einmal wirklich sind. Über seiner Fanatisierung davon, den Täter zur Rechenschaft zu ziehen, vernachlässigt er seine Familie, tritt seiner traumatisierten Tochter gegenüber unglaublich empathielos und herrisch auf und wird zum zentralen Problem der schwer gebeutelten Familie. Sein Kampf mit sich selbst und einem angemessenen Umgang mit den Ereignissen entwickelt sich zu einer zentralen Storyline des Films, was die ganze Geschichte umso mehr in der Realität verankert.
Clive Owen gibt diesen zerrissenen Charakter mit erstaunlicher Intensität und Emotionalität. Im Gegensatz zu seinen üblichen Action- oder Krimirollen zeigt er hier echte Charakterdarstellerqualitäten. Catherine Kenner gibt die verzweifelte Mutter, die um die seelische Gesundheit ihrer Tochter und gegen männliche Klischeevorstellungen ankämpft, so intensiv und charismatisch wie eh und je; vor allem aber Liana Liberato ist eine echte Entdeckung. Die Verzweiflung, tiefe Verletztheit und ziellose Wut, mit der sie die Ereignisse zu verarbeiten versucht, brennt sich tief ins Gedächtnis.
Auch inhaltlich zeigt sich „Trust“ großteils angenehm vielschichtig und durchdacht. In vielen kleinen Szenen wird die männliche Überheblichkeit oder Ignoranz in Bezug auf die vielen Formen sexueller Gewalt verdeutlicht – wenn etwa ein Arbeitskollege schamlos mit einer viel jüngeren Kollegin flirtet oder später, nach dem Bericht über den Missbrauch, sich tatsächlich erleichtert zeigt, weil er sich unter einer Vergewaltigung nur einen brutalen Angriff vorstellen kann. Und die manipulative Art, mit der Charlie seine Opfer bearbeitet, wird in all ihrer toxischen Widerlichkeit dargestellt; Charlie selbst wird nicht dämonisiert, trotz einer bitterbösen Schlusspointe (auch das ein Pluspunkt: trotz einiger Versöhnungen gegen Ende verzichtet „Trust“ auf ein Rundum-Happy-End, was ihn angenehm von vielen Hollywood-Problemfilmen abhebt).
Auch wenn der Score an einigen Stellen etwas zu sehr ins Schmalzige rutscht, die dargestellte Technik eines Films aus dem Jahr 2010 bereits erstaunlich veraltet wirkt und manche Szenen dann doch zu sehr mit erhobenem Zeigefinger daherkommen, erweist sich „Trust“ als kluger, vielschichtiger, emotional packender Debattenbeitrag, der seine Charaktere ernst nimmt und sie erfreulich ambivalent inszeniert. Ein starker Film über düstere Themen, der die Schwere solcher Verbrechen ebenso aufzeigt wie leise Hoffnung auf ein gemeinsames Weiterleben.