Christian Ulmen goes Poland ! - Nachdem er sich 2009 in "Maria, ihm schmeckt's nicht!" mit den italienischen Lebensgewohnheiten auseinandergesetzt hatte, verschlägt es ihn diesmal Richtung Osten. Es ist seine Darstellung eines nach Aussehen und Habitus typisch deutschen Mannes, vermischt mit einem großen Herzen und einer toleranten Einstellung, die Ulmen für diese Rolle prädestiniert. Einerseits können an ihm alle Vorurteile abgearbeitet werden, andererseits straft er diese letztlich durch sein Verhalten Lügen. Das verleiht seinen Filmen eine gewisse, vor allem komödiantisch genutzte Leichtigkeit, die eine echte Auseinandersetzung mit der Thematik scheut.
Doch "Hochzeitspolka" ist weniger harmlos als Ulmens Konfrontation mit der italienischen Lebensfreude. Der Film bohrt stärker in der Wunde der gegenseitigen Vorurteile zwischen Polen und Deutschen, was vor allem der Besetzung von Fabian Hinrichs als Jonas zu verdanken ist, Frieders (Christian Ulmen) langjährigem Freund aus alten Rockband-Zeiten. Wie schon in "66/67" und "Schwerkraft" verbirgt sich hinter seiner bürgerlichen Fassade und seiner braven Optik der radikalste Charakter. Als er in der ersten Szene vor einem Rock-Konzert zu Frieder sagt, dass man ihm einen tollen Job mit sehr guter Bezahlung und Dienstwagen angeboten hätte, den er selbstverständlich ausgeschlagen hätte, da für ihn nur "Rock' n Roll" zählt, weiß der Betrachter noch nicht, dass das genau der Job ist, den darauf hin Frieder annimmt. Sehr zum Unwillen seiner Eltern, für die ein Job in Polen nur Chaos und Gefahr bedeutet.
Doch weder davon ist drei Jahre später - zum Beginn der eigentlichen Handlung - etwas zu merken, noch von Frieders alten Rocker-Zeiten. Stattdessen steht seine Hochzeit mit der hübschen Gosia (Katarzyna Maciag) kurz bevor, das neue Einfamilienhaus wartet nur noch darauf eingerichtet zu werden und Frieder beruhigt seine Belegschaft mit einer Gehaltserhöhung, obwohl er weiß, dass der Chef in Deutschland längst beschlossen hat, dass Werk in die Ukraine zu verlegen, weil dort noch billiger produziert werden kann. Ulmen wirkt dabei schon so gesetzt bürgerlich, dass nur sein spezieller Charakter in davor bewahrt, gänzlich unsympathisch rüber zu kommen. Vor allem erschließt sich kaum, was Gosia an ihm findet, was ihre jüngere Cousine Patti (Maja Bohosiewicz) auch offen anspricht. Aus Gosias Worten klingen Vernunft und materielle Sicherheit heraus, aber letztlich funktioniert die Beziehung nur, weil Ulmen eben Ulmen ist.
Nach dem diese Ausgangssituation kurz vorgestellt wurde, wird die sowieso nur an der Oberfläche herrschende Ruhe mit der Ankunft von Frieders alten Rocker-Kumpels endgültig zerstört. Das Interessante an dieser Konstellation ist, dass hier - wie zuvor schon unzählige Male durchgekaut - keine Freaks auf eine konservative Landbevölkerung treffen, sondern ganz einfach Deutsche auf Polen. Zwar wirft vor allem Jonas dem ehemaligen Sänger der Band vor, sie fluchtartig in Richtung Spießerleben verlassen zu haben, aber bei ihm und seinen Freunden handelt es sich auch nicht gerade um abgefahrene Künstlertypen. Im Gegenteil ist Jonas das klassische Reiche-Leute-Söhnchen, dass sich, dank materieller Sicherheit, ein Rockerleben leisten kann, gleichzeitig aber voller Vorurteile und Anspruchsdenken ist.
Die polnische Landbevölkerung ist dagegen ein durchaus lockeres Völkchen, dass keineswegs durch die Neuankömmlinge geschockt wird. Im Gegenteil spielt der Film bewusst mit den Vorurteilen der Deutschen gegenüber den Polen. So denkt Paul (Lukas Gregorowicz), der hübscheste der Band, gleich, dass die attraktive und auffällig gestylte Patti etwas von ihm will, weil sie ein bisschen mit ihm flirtet - so, als müssten alle jungen Polinnen gleich auf so einen coolen Deutschen abfahren. Doch "Hochzeitspolka" bleibt nicht bei diesem üblichen Geplänkel stehen, sondern wird in seinen besten Momenten richtig böse und gibt einen guten Eindruck von den gegenseitigen Vorurteilen wieder, die mit einer Flasche gemeinsam geleerten Wodkas nicht zu überwinden sind.
"Hochzeitspolka" bleibt seinem Genre "Komödie" zwar treu und erzählt zwischendurch absurde, teilweise auch unnötig übertriebene Geschichten, aber man spürt jederzeit den realen Kern, dem nichts Komisches mehr anhaftet. Frieder alias Christian Ulmen ist es letztlich zwar zu verdanken, dass der Film versöhnlich - und damit scheinbar Genre gerecht - endet, aber mit einem klassischen Happy End hat das wenig zu tun. Viel zu sehr entstand zwischendurch der Eindruck, tief sitzender Vorurteile und damit eines konstant vorhandenen Missverständnisses zwischen den beiden Nachbarvölkern, die zumindest abzuschwächen noch viel Mühe und Zeit erfordern wird - vielleicht kann der Film ein wenig dazu beitragen (8/10).