Der Film zum Vorruhestand.
Von Comicverfilmungen sind wir ja so einiges gewöhnt, von der ganz großen Blockbusterpackung bis zur skurilen Outsiderverfilmung, bei der man sich durchaus berechtigt fragt, für welche Zielgruppe dieser Film nur gemacht werden sollte.
Eine weitere Variante wäre da noch, am besten gleich die graphischen Wurzeln der Vorlage praktisch unter dem Teppich zu belassen und stattdessen einfach die Prämisse für sich arbeiten zu lassen, wie eben im Falle von "RED".
Da wirkt ganz bezaubernd der Plot schon an sich: eine Gruppe im Ruhestand befindlicher Ex-Geheimagenten bzw. CIA-Mitarbeiter wird plötzlich zur Zielscheibe einer Reihe von mörderischen Angriffen, so daß sowohl die Betroffenen als auch die Zuschauer baldigst die Ahnung beschleicht, daß hier aufgrund einer Geschichte aus der Vergangenheit ein paar Mitwisser platt gemacht werden sollen. Doch die alten Haudegen sind bei weitem noch nicht so eingerostet, wie sie gemäß Seniorenpass eigentlich sein dürften - und sehen die Abkehr vom beschaulichen Lebensabend zurück in die anstrengende Tätigkeit eigentlich ganz belebend an.
Für so eine Story eignet sich ein ebenfalls langsam in die Jahre schlingernder Ex-Actionstar wie Bruce Willis natürlich ganz vortrefflich, wie er da einsam und gelangweilt in seinem Reihenvorstadtheim bemüht ist, zwischen all den typisch-amerikanischen Weihnachtsschmucknachbarn nicht aufzufallen. Verschüchtert und steif läßt man ihn sein kleines Charmespielchen mit seiner Ansprechpartnerin bei der Rentenversicherung durchziehen, die er vermutlich doch nie treffen wird, die jedoch passenderweise von den typischen Mamasöhnchen in ihrer Umgebung ziemlich angenervt ist. Und prompt reist sie an des Zuschauers Stelle als Unbeteiligte mit in den Strudel der Gewalt.
Das mag jetzt etwas härter klingen, als es im Film tatsächlich ist, denn Robert Schwendtkes entspannte Inszenierung gleicht mehr einem ironisierten Reisebericht quer durch Vereinigten Staaten, was auch die Kitschpostkarten, die jede neue Szenenfolge mit Ortswechsel stimmungsvoll einleiten, nur unterstreichen. Die Jagd gerät zum "Road Trip", bei dem jede Station ein scheinbar neues Türchen im Adventskalender öffnet, hinter dem sich entweder alte Bekannte, neue Feinde oder brisante Informationen verbergen, nicht selten gekrönt von kurzen, aber heftigen Ausbrüchen von Gewalt.
Das Skript der Hoeber-Buam sammelt fleißig "face values" - hier ein krebskranker Morgan Freeman, da ein paranoider John Malkovich, hier einen russischen Spion, da eine britische Agentin (für die Brian Cox und Helen Mirren einen charmanten Flirtwalzer aufs Parkett legen) und zwischendurch arbeitet sich der engagierte Auftragskiller in Gestalt des jungen und fitten Karl Urban sichtlich an den Senioren ab, die er eigentlich nur beiläufig ausschalten wollte.
Zwischendurch schauen auch Richard Dreyfuss und Ernest Borgnine noch mal vorbei und vergolden die Reste, während für die junge Fraktion nur Mary-Louise Parker bleibt, die wie eine Flipperkugel durch die Geschehnisse geschleudert wird, aber adrenalinselig nach und nach alles nur noch mehr genießt, was um sie geschieht, als wüßte sie bereits, daß Willis nichts geschehen kann.
Der Hintergrund an sich ist dabei gar nicht so sonderlich wichtig, im Gegenteil: er ist in bester MacGuffin-Manie eigentlich nur dazu geeignet, die Figuren zusammenzuführen und die interne Chemie zu entwickeln, die auf den langjährigen Erfahrungen und Karrieren der Figuren untereinander beruht. Wenn sich die Agenten mit todernstem Gesicht zufrotzeln, während sie den technologisch hochausgerüsteten Jungspunden praktisch beiläufig eine lange Nase drehen, dann macht das den Hauptspaß an der Sache aus, weswegen wohl alle den Film mehr als leichten Partyspaß angehen.
Ein paar ernste Momente mögen dabei sein, aber an ein bitteres Fazit oder eine ernsthafte Ausleuchtung des gelebten Lebens traut sich hier niemand ran: alle sind froh, noch am Leben zu sein und jetzt, wo einem die Kugeln und Granaten um die Ohren fliegen, kann es ja nur noch besser werden, notfalls korrigiert man ein paar Fehler in der Lebensplanung halt noch nach. Besser spät als nie.
Das mag so manch unschuldige Seele als zynisch oder berechnend empfinden, trotzdem wird ein ungewohnt leichter Spaß aus diesem tödlichen Thema, fast atmet die Produktion ein wenig den Touch der 60er Jahre, als gewaltige Starcasts sich zu In-Jokes von Filmen zusammenfanden, die dann in alberner und knackebunter Frivolität ersoffen.
So kann man sich durch den (intern) einigermaßen schlüssigen Plot fröhlich treiben lassen, während Willis als scheinbar kindliches Unschuldslamm seine mögliche große Liebe in tiefste Gefahren schleift, Cox die Mirren vollschmachtet, Malkovich in wunderbarer Frequenz Abstrusitäten äußert (die in beunruhigender Quote tatsächlich wahr werden) und im Hintergrund Morgan Freeman milde altväterlich alles zusammen lächelt. Bis dann wieder eine Bazooka einen Flughafencontainer abfackelt.
Insofern ist dieses Kunstprodukt ein kreativer Glücksfall, denn er funktioniert praktisch barrierelos durch alle Altersklassen. Für die Jungen ist genügend Action mit Onelinern im Spiel, die Erwachsenen feiern ein Wiedersehen mit ihren liebsten Darstellern und die ältere Generation erfreut sicherlich, daß ein paar Figuren mit Problemen ihrer Altersklasse so entspannt auf den Putz hauen dürfen. Mag auch nicht der ganz große Erfolg an der Kinokasse drin gewesen sein (weltweit immerhin das Dreifache des moderaten Budgets), hat "RED" genügen "Tongue-in-Cheek"-Humor zu bieten, um sich den Film später für gemütliche Abende kritikfrei ins Regal zu stellen.
Unbeschwert und durchgeladene : 8/10