Review

Affären, Kriege & Psychoanalysen

Alain Resnais "Hiroshima Mon Amour" ist so ein Film, vor dessen Review man fast Angst hat. Vor allem wenn man ihn keine 37 mal gesehen hat & alle dazu verfügbaren Analysen & Deutungen zusammengetrieben hat. Der Film ist wunderschön, spürbar vielschichtig & wahrhaft Kunst, ein wichtiges Werk der Nouvelle Vague, der (Nach-)Kriegsfilme & des Weltkinos. Wie soll man so einem Mammutwerk gerecht werden? Insbesondere, wenn man den Film gar nicht so toll fand & auch nicht überdurchschnittlich gut verstanden hat? Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass mein Review Lob & Warnung zugleich sein kann, seine Daseinsberechtigung hat. Denn auch wenn ich mit so einem Brocken von Kriegs- & Psychoanalyse nicht gerechnet habe, schätze ich den Film & verstehe, warum ihn manche lieben. Diese Eigenschaft ist vielen Reviewern & Menschen heutzutage gefühlt abhanden gekommen - Dinge sehr zu schätzen, für äußerst gelungen zu halten, sie jedoch persönlich nicht zu mögen. Manchmal kommt es mir mittlerweile so vor, als ob es nur noch Top oder Flop, Hype oder Hate gibt - keine gute Einstellung.

Zurück zu diesem Klassiker des traumgleichen Kinos, der auch Arthouse-Hardliner sicher vor Herausforderungen stellt & der mich an eine Art der Nouvelle Vague erinnert, wie sie wohl in Russland entstanden wäre, zum Beispiel bei Tarkovsky. In der "Geschichte", oder besser den oft diffus aber hypnotisch schön zusammengestellten Bildern, geht es um eine verheiratete, französische Schauspielern, die in Hiroshima während den Drehpausen zu ihrem "Film über Frieden", einen ebenfalls verheirateten Japaner kennenlernt, mit dem sie eine leidenschaftliche Affäre hat. Zwischen ihren Liebesspielen, unterhalten sich die beiden über die Welt, vor allem den Krieg, über ihre Erinnerungen, Liebschaften, Hiroshima & das besetzte Frankreich ein paar Jahre zuvor. Träume, Ängste, Erinnerungen verschwimmen, vermischen sich mit Vorurteilen & Hoffnungen. Ebenso sind die Zeitebenen irgendwie schwer voneinander zu unterscheiden & alles wirkt collagenartig, wirr, faszinierend, langatmig & extrem anstrengend. Ist man nur ein wenig müde, wird dieser Geisteszustand sicher noch drastisch verstärkt. Das man sich in den Bildern, gerade bei Interesse an Psychologie, verlieren kann, ist klar - auf mich wirkten aber nur die ersten Minuten samt furchtbarer, dokumentarischer Bilder aus Hiroshima wachrüttelnd & angsteinflössend. Der Rest ließ mich wirklich kalt, kein Zugang wäre noch untertrieben.

Neben seinen extrem guten Darstellern, seinem zeitlosen Feeling & revolutionären Bildern, mag ich auch, dass der Film mein Interesse an den Geschehnissen rund um Hiroshima geweckt hat. Auch wenn Wikipedia-Artikel oder Ähnliches natürlich nur oberflächlich sind, ist das Thema doch gleichzeitig interessant wie furchtbar, sonst oft totgeschwiegen, auch im Geschichtsunterricht an deutschen Schulen. Das die Story keine ist & auf der Stelle tritt, der Film einschläfernd wirkt & für mich zu verkopft, ist absolut subjektiv. Aber das ich nicht der Einzige bin, der ihn so sieht, ist verständlich. Wenn man Extreme mag, gibt es hier eigentlich nur Lieben oder Hassen. Mehrmaliges Sehen ist fast unumgänglich & verbessert fast sicher die Rezeption - vor allem da der Film sich am Ende in einer wahrhaften Spirale verliert & seinen Scwanz frisst. Allein die Aussagen zu Liebe & Krieg, zu Verhältnis zwischen persönlichen Erinnerungen & historischen Erlebnissen von Nationen, sind mehrere Masterarbeiten wert.

Fazit: schwer zugänglich für mich, aber für seine psychologische Tiefe & traumgleichen Bilder, kann ich ihn schätzen, fast etwas preisen. Für mich aber kein Film, den ich gerne wiedersehe, egal wie viel man in ihn hinein interpretieren kann - aber was muss, das muss!

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