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Elle (eine französische Schauspielerin, die in einem Film über die Gräuel des atomaren Krieges mitspielt) und der japanische Architekt Lui lernen sich in Hiroshima kennen. Die beiden, obgleich jeweils in festen Händen, fangen eine Affäre miteinander an und verlieben sich leidenschaftlich ineinander. Dumm nur, dass Elle bald wieder zurück nach Paris muss. In der Zeit, die sich noch miteinander verbringen können, erzählt Elle Lui von ihren schlimmen Jugenderlebnissen: Während des zweiten Weltkrieges verliebt sie sich in einen jungen Deutschen Soldaten. Gegen Ende des Krieges, die Wehrmacht befindet sich auf dem Rückzug, wird dieser erschossen, während Elle als „Verräterin“ gedemütigt sowie von ihren Eltern, als sie über den Tod ihres Geliebten verzweifelt, eingesperrt wird und zwei Jahre später nach Paris flüchtet…

Der Film beginnt mit Bildern aus einem Museum in Hiroshima, das den Atombombenabwurf über selbiger Stadt zum Thema hat. Wir sehen die Überbleibsel der Häuser, nachgestellte Szenen aus einer Doku (inklusive einer brennenden Modelstadt), Fotos und Archivaufnahmen, welche die Zerstörung und die Opfer der Katastrophe zeigen. Die sind zum Teil durchaus heftig: Der Anblick des Jungen mit der weggeätzten Mundpartie zum Beispiel wird mich noch lange verfolgen (diese Bilder dürfte auch der Grund sein, weshalb der ansonsten durch und durch harmlose Film eine Freigabe ab 16 erhalten hat). Darüber der Dialog unserer beiden Protagonisten, in dessen Verlauf Lui der mitfühlenden Elle vorwirft, von den Gräuel, von denen sie spricht, in Wirklichkeit keine Ahnung zu haben, kennt sie das alles ja nur aus den Zeitungen oder dem Nachrichtenschauen.

Sie aber zieht Parallelen zwischen der atomaren Katastrophe und ihrem eigenen tragischen Erlebnis und insbesondere verzweifelt sie daran, dass beide Ereignisse, je länger sie zurückliegen, je mehr vergessen gehen, allen Gegenmassnahmen und Erinnerungsversuchen zum Trotz. Hier handelt der Film davon, wie Hinterbliebene versuchen, die Erinnerung an die Opfer aus Respekt ihnen gegenüber einerseits und andererseits die Notwendigkeit des Vergessens zum Weiterleben in Einklang zu bringen. Das sind Stellen, die mich durchaus rühren.

Von den Folgen der Atombombe spricht der Film, ohne die USA als Übeltäter hinzustellen, nimmt aber eindeutig Stellung gegen die atomare Aufrüstung (vor allem im Film im Film). In den Schilderungen der europäischen Verhältnisse werden überraschenderweise nicht die Deutschen (die werden uns eh nur in Gestalt des einen Soldaten näher gebracht), sondern die Franzosen ins negative Licht gerückt, sind es doch diese, die Elle verachten und demütigen, wobei diese doch bloss das Verbrechen begangen hat, sich zu verlieben. Als Elle Lui in einem Teehaus diese Geschichte erzählt, ist der Film am packendsten und entwickelt einen unheimlichen Sog (man achte auch darauf, wie an der Stelle die Umgebungsgeräusche mehr und mehr zurückgefahren werden und schliesslich nur noch Elles Stimme zu hören ist). Sehr intensiv.

So wunderbar gelungen HIROSHIMA MON AMOUR in solchen Momenten ist, so sehr schwächelt er in anderen. Die eigentliche Story des Filmes, also die Liebesgeschichte zwischen Elle und Lui, folgt keiner Dramaturgie und schlendert mal hierhin, mal dorthin, ohne endlich mal irgendwo anzukommen. Dazu die eher misslungenen Dialoge, die nicht nur betont künstlerisch gestelzt und oft richtiggehend zäh, sondern auch redundant sind. So bittet Lui seine Liebste ungefähr zwanzig Mal, doch in Hiroshima zu bleiben, sie antwortet jeweils, das unmöglich machen zu können, und auch sonst ist das banale Liebesgesäusel der beiden alles andere als geistreich oder besonders interessant. Die Folge: Über weite Strecken zieht sich der Film ziemlich hin und ist langweilig.

Ansonsten wird der Streifen durchgehend getragen von einer unheimlich starken Emmanuelle Riva (EVA UND DER PRIESTER, DREI FARBEN: BLAU, SCHÖNE VENUS) und einem ebenso starken Eiji Okada (DIE FRAU IN DEN DÜNEN, GUILA – FRANKENSTEINS TEUFELSEI). Zudem überzeugen der einfache, aber so lebendig wie stimmungsvolle Score von Geroges Delerue und Giovanni Fusco sowie Kameraführung und Montage, die dank vieler Fahrten, Jump Cuts und Split Second Shots sehr dynamisch wirken. Schliesslich die wunderschönen, kontraststarken Schwarzweiss-Bilder, die immer wieder die Architektur sowohl der altmodischen, aber charmanten Altstadt von Nevers, als auch des modernen Hiroshima mit seinen Leuchtreklamen einbeziehen.

Hätten Regisseur Alain Resnais (DER KRIEG IST VORBEI, FERN VON VIETNAM) und Drehbuchautorin Marguerite Duras (DER LASTWAGEN, INDIA SONG) etwas mehr Rücksicht auf das Publikum genommen und eine eingängigere Dramaturgie gewählt sowie bessere Dialoge geschrieben, hätte HIROSHIMA MON AMOUR ganz grosses Kino werden können. Stattdessen stellt sich der Film mit seiner gekünstelten Art oft selbst ein Bein.

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