Review

Season 1-7

Season 1
erstmals veröffentlicht: 31.01.2012

So etwas wie "The Walking Dead" ist etwas völlig Neues für das TV-Format und somit auch für das Genre an sich. Zombie-Filmen war es bislang noch nicht möglich, die weitreichenden Konsequenzen einer Zombie-Epidemie in allen Details zu erzählen. Die sechs Folgen der ersten Staffel geben diesbezüglich schon mal eine Vorstellung davon, was mit einer solchen Serie möglich ist. Normalerweise hat man die Zombies, man hat das apokalyptische Szenario und ein paar Überlebende, die eine Filmhandlung lang kämpfen dürfen. Jetzt kann die Epidemie in allen Stadien begutachtet werden. Das Problem wird seziert und von allen Seiten beleuchtet, was ein ganz anderes Verständnis für die Untoten aufwirft - sie sind nicht mehr länger die Filmmonster aus dem Romero-Paradigma, sondern werden als natürlicher Begleitumstand der Welt begriffen, die von den Autoren der Vorlage erdacht wurde. In sechs Folgen ist natürlich im Grunde noch gar nichts gesagt, deswegen ist die erste Staffel lediglich als erster kurzer Einblick in die Ebenen zu betrachten, die eine solche Serie als erste erschließen KÖNNTE (ob sie es dann auch schafft, ist wieder eine andere Frage).

Dass "The Walking Dead" von den Romero-Klischees ausgeht, bedeutet ja nur, dass sie diese als Ausgangslage nimmt, um in neue Bereiche einzudringen. Und das verspricht die erste Staffel trotz vereinzelter Längen in manchen Episoden (was eigentlich bei der kurzen Episodenanzahl schon verheerend ist).
7/10

Season 2
erstmals veröffentlicht: 19.08.2013

Perspektivlosigkeit lässt die Gruppe eine Staffel lang auf einer Farm verbringen, und damit nutzt “The Walking Dead” seine größten Vorteile gegenüber dem Filmformat wieder voll aus: Im Film ist es nicht möglich, die Allgegenwärtigkeit der Gefahr und den Nihilismus einer Gesellschaft im Angesicht ihres Endes derart unerbittlich bestehen zu lassen. Dass gerade dies so gerne als Schwäche ausgelegt wird (von wegen laaaangweilig und so), hat schlichtweg mit falschen Erwartungshaltungen zu tun, ein schnelles Spektakel geliefert zu bekommen. Den Zombieattacken (mit hervorragenden Maskeneffekten übrigens), mal einzelne, dann wieder in unüberschaubaren Massen, haftet eher etwas Unvermitteltes an, durchbrechen sie doch oft Momente des vorübergehenden Geborgenheitsgefühls, das wie die Ruhe eines Einschlafenden immer wieder gestört wird, bis der Wahnsinn in die Augen tritt. Diesen wiederum inszeniert die zweite Staffel überhaupt zum ersten Mal ganz deutlich, geht die Gefahr doch längst nicht mehr nur von den Untoten aus, sondern ebenso von anderen Menschengruppen und auch Mitgliedern der eigenen Gruppe.
8/10

Season 3
erstmals veröffentlicht: 18.06.2014
Das Beste, was die Endzeitserie bisher zu bieten hat, liegt im ersten Drittel der dritten Staffel. Die Eroberung des Gefängnisses ist Überlebenskampf in all seiner Zweckgerichtetheit, und die Ironie, dass die Gitter nicht mehr Freiheit rauben, sondern sie gewähren, wird dankend zur Kenntnis genommen. In der gewollten Pointenlosigkeit erreicht „The Walking Dead“ hier neue gesellschaftsphilosophische Bereiche, denn letztendlich erscheint es vollkommen irrelevant, wo und wie man seine Tage durchsteht, in der Konsequenz ist jede Minute des Daseins der Überleben eine Minute in Gefangenschaft. Insofern wäre „The Prisoners“ ein ebenso treffender Titel für die Serie gewesen, und das nicht nur in unmittelbarer Nähe des Gefängniskomplexes, dessen triste Blockwände spannende neue Szenarien aufbieten können.

Kritischer ist dagegen die Darstellung der Überlebenden-Kleinstadt im Mittelteil und der an Schach erinnernde Wechselschnitt zwischen beiden Handlungsorten im letzten Teil der Staffel zu bewerten: Zwar überzeugt die Grundidee, auch weil sie den Menschen endgültig als größtes aller Monster entlarvt und weil die inzwischen sehr vertrauten Charaktere sich durch die Drucksituation entwickeln müssen (und das nicht immer zwangsläufig in eine positive Richtung), was die Gruppendynamik immer wieder in unvorhergesehene Bahnen treibt. In der Umsetzung hapert es dann leider ein wenig. Sobald der Governor (David Morrissey) auf den Plan tritt, verliert die nunmehr immerhin auf 16 Episoden angewachsene Staffel ein wenig ihre Dichte und holpert so ein bisschen von einem Ereignis ins Nächste, bevor das Ende der Season, das eigentlich dank diverser Western-Elemente auf einen großen Showdown hinauszielte, relativ ereignislos verpufft, ganz anders noch als in der zweiten Staffel. Aber gerade weil eben auch mal dramaturgische Formeln nicht bis zum Ende ausgereizt werden, sondern immer wieder der dumme Zufall dazwischen kommt, behält das Konzept ja auch irgendwo wieder seinen Reiz.
7/10

Season 4
erstmals veröffentlicht: 17.07.2016

Das Gefängnis, in der verkehrten Welt von "The Walking Dead" ein Symbol der Geborgenheit, fällt zu Beginn der vierten Staffel – eine naheliegende Entwicklung, die von der trügerischen Stille der ausklingenden dritten Staffel vorbereitet wurde. Sie untermauert das schwer zugängliche, aber hoch interessante Konzept der Serie, eine Endlosspirale zu inszenieren und den finalen Akt klassischer Filmdramaturgie zu untergraben. Keine Erlösung wartet am Ende des Weges, sondern lediglich ein weiterer Weg.

So verschiebt sich das narrative Moment wieder vom Status Quo der Erhaltung in die Road-Movie-Nische, wenngleich mit dem ominösen "Terminus" eine weitere Endstation versprochen wird. Ein paar Probleme hat das Drehbuch, die Gemeinschaft der Überlebenden zum Aufbruch zu bewegen. Die Handlung wirkt holprig, bis, ja bis ein alter Bekannter eine eigene Episode gewidmet bekommt und den ersten Impuls zur Veränderung von allem gibt. Nicht seine Figur ist es, mit der die vierte Staffel plötzlich erstarkt, sondern der mit ihr einhergehende Perspektivwechsel. Die Handlung bewegt sich von nun an in Parallelmontage mehrerer Handlungsstränge voran und schließt sich zum Ende zu einem großen Ende mit "jetzt erst recht"-Gefühl. Bis dahin hat man viele intime Einzelgeschichten miterlebt, die einem mitunter wahrlich die Kehle einschnüren; Momente, die fast schon zur Misanthropie verführen, da der Mensch trotz vieler Zombie- und Gore-Situationen immer noch das gefährlichste Wesen in dieser Serie darstellt.

Eine Serie, die tatsächlich immer besser wird, je weiter und zielloser sie voranschreitet.
8/10

Season 5
erstmals veröffentlicht: 02.05.2017

Für einen adrenalinsteigernden Cliffhanger wie jenen, der am Ende der vierten Staffel platziert wurde, handelt man den Schauplatz Terminus nun womöglich etwas zu hastig ab. Binnen einer Episode ist der Spuk vorbei und Ricks Gruppe muss sich „nur“ noch mit den Nachwirkungen herumschlagen. Trotzdem war der Besuch bei der vermeintlichen Endstation einer langen Reise von großem Nutzen, um die Wirkung dieser fünften Staffel zur Entfaltung zu bringen.

Erst mit den Erfahrungen von Terminus bekommt die herbeigesehnte Rückkehr in die Zivilisation nämlich ihren perfiden Twist, der die Menschlichkeit in der Gruppe der Überlebenden in Frage stellt. Wenngleich sich die Muster oberflächlich längst wiederholen, ringen die Autoren dem Situativen immer wieder neue anthropologische Erkenntnisse ab. Infolge der Fokussierung auf das Terminus-Substitut „Alexandria“ wird ein zusätzlicher Nebenstrang um ein nach strengen Regeln geführtes Krankenhaus sogar unter Gebühr verkauft; selbst aus diesem Mikrokosmos sozialer Normen hätte man noch mehr Substanz ziehen können.

Die spannendere Beobachtung ist aber dann doch, wie Menschen, die Monate ihres Lebens mit der Gefahr im Nacken verbracht haben und gar kein anderes Leben mehr kennen, mit einer unverhofft sich bietenden Luftblase der Sicherheit umgehen. Das Ergebnis ist eine komplexe Studie zu Faktoren wie Misstrauen oder Gewöhnungsmustern, auch wenn dies bedeutet, dass einige Charaktere recht wunderliche Züge anzunehmen beginnen (Melissa McBrides freundliches Lächeln, während sie in biederner Hausmütterchen-Tracht steckt, wirkt gruseliger als jeder der vielen Zombies).

Auch wenn man nicht so weit gehen will zu behaupten, der Tod könne jeden ereilen, so gehen die Drehbücher doch nicht zimperlich mit den Figuren um und fordern auch gerne mal Opfer unter den sympathischeren Zeitgenossen. Der oftmals geäußerte Vorwurf, die Zombies seien gar keine echte Bedrohung mehr, ist kaum nachzuvollziehen; dass die Mitglieder der Gruppe sich an die neuen Lebensumstände gewöhnen, ist nur allzu logisch und durch unglückliche Fügung von Umständen oder manchmal auch nur aus Unachtsamkeit entstehen immer wieder bedrohliche Momente, die normalerweise mit dem gewohnten Maß an Erbarmungslosigkeit zu Ende geführt werden. Mit memorablen Make-Up-Effekten, diesmal unter anderem repräsentiert durch aufgedunsene Wasser-Zombies oder die wie Kaugummi am Asphalt klebenden Zombie-Schmierflecken auf dem Parkplatz des Krankenhauses, folgt man auch weiterhin der Tradition, die bittere Ironie der Apokalypse auszukosten – und sorgt bei konstant sich steigernder Gesamtqualität für einen stabilen Unterhaltungswert.
8/10

Season 6
erstmals veröffentlicht: 17.03.2018

Etablierte Charaktere verschwinden längst genauso erbarmungslos wie unzählige Minirollen, neue fädeln sich ganz nahtlos in die Gruppe oder eben auch in die Gegnerscharen ein. "The Walking Dead" ist zum niemals stoppenden Karussell geworden, welches die Figuren im fliegenden Wechsel betreten und verlassen. Je mehr der Handlungsablauf diesem Bild gleicht, desto geschlossener scheint sich das Publikum abzuwenden. Es sieht sich in der Erwartung getäuscht, jede Geschichte müsse sich auf ein Ziel, eine Pointe zubewegen. Dass sich die Serie auch nach sechs Staffeln dagegen verwehrt, eine über Jahrzehnte konditionierte Vorstellung zu bedienen, Dramaserien müssten bedingungslos einem linearen Erzählakt folgen, lässt sie mit jedem Gezeitenwechsel aus "Stellung halten" und "Angriff einleiten" nur stabiler werden - eine Stabilität, der nur noch die Sendeanstalten etwas anhaben können.

Die sechste Staffel beschäftigt sich inzwischen vornehmlich mit der Frage danach, ob die Handlungen Ricks und seiner Gefolgschaft überhaupt noch dem Guten und Aufrichtigen entsprechen, das man ihnen im Laufe der Jahre einfach unterstellt hat, oder ob man inzwischen nicht mindestens ebenso gnadenlos vorgeht wie der Feind, wenn nicht gar noch gnadenloser. An den Jagd- und Überlebensfähigkeiten der Kerngruppe zweifelt inzwischen niemand mehr. Damit gelangt die Dominanz ins Spiel, mit welcher die Gruppe auch neuen Bekanntschaften gegenübertritt. In vielen Momenten kommt gerade seitens des Anführers eine gewisse Überheblichkeit durch angesichts der vielen Erfolge bei der Verteidigung gegen die wandelnden Toten wie auch gegen menschliche Opponenten. In ihrer Anhäufung machen die vielen Kämpfe gegen Herden oder einzelne Zombies mürbe, sie führen zu teils irrationalen Entscheidungen, schwächen aber niemals die Motivation zu überleben.

In der ersten Hälfte folgt vieles den bisherigen Mustern: Die vermeintliche Sicherheit Alexandrias steht auf dem Spiel und muss in einer großen Schlacht verteidigt werden. Phasen des Chaos und Affekts werden von Phasen der Ruhe und Reflektion abgelöst, letztere erneut angetrieben von einer ausgekoppelten Charakter-Episode, in der psychologische Grundsteine für die weitere Entwicklung einer Figur gelegt werden, die wiederum einen großen Einfluss auf die gesamte Gruppe ausübt.

Was in der zweiten Hälfte geschieht, ist dagegen relativ neu. Die Konflikte verschieben sich mehr noch als in der Vergangenheit auf rivalisierende Menschengruppen, die Zombies werden zunehmend zum Hintergrund-Spezialeffekt. "Negan", ein Name, der im Diskurs längst seine Echos zieht, wird auch innerhalb der Serie unheilvoll angeteasert, aus dem Kleinen aufgebaut. Mit viel Suspense baut man Ricks Selbstüberzeugung auf temporären Erfolgen weiter auf, nur um in kleinen Schritten die Machtverhältnisse zu verlagern - mit einem finalen Fünf-Minuten-Auftritt von Jeffrey Dean Morgan, der so viel Spielfreude an den Tag legt, dass selbst unverbesserliche Meckerer kurzzeitig wieder ein Leuchten in den Augen hatten.

Dass die siebte Staffel trotz des brillanten Spannungsaufbaus und der fortlaufenden Opferung liebgewonnener Charaktere wieder in ihre alte Form zurückspringen wird, daran besteht aber wohl kein Zweifel; und genauso muss eine Serie über wandelnde Tote funktionieren.
8/10

Season 7
erstmals veröffentlicht: 19.01.2019

Der Akt äußerster Grausamkeit, mit dem die siebte Staffel eröffnet wird, kommt durch den Cliffhanger der sechsten Staffel zwar nicht unverhofft, trifft sein Ziel (unsere Empathie) jedoch mit voller Wucht. Derartige Gewaltexzesse in einer TV-Serie wären noch vor wenigen Jahren völlig unvorstellbar gewesen, insbesondere da sie aus niederen Beweggründen vom Menschen am Menschen begangen werden und Figuren treffen, die man einen langen Weg begleitet hat, dessen abruptes Ende den Überlebenskampf im ersten Moment völlig sinnlos erscheinen lässt. Entsprechend paralysiert reagieren die Verbleibenden auf die neue Situation, inklusive Anführer Rick, dessen Stärke und Selbstbewusstsein in dem Moment zerschlagen werden, als "Lucille" auf einen Schädel trifft. Der vorherrschende Status Quo ist von einer Sekunde auf die nächste völlig auf den Kopf stellt.

Dabei ist die Argumentation der Serienmacher durchaus schlüssig: Hätte man alles Explizite ausgespart, wäre der neue König unter den Antagonisten nicht der, der er ist. Negan (Jeffrey Dean Morgan), ein permanent milde lächelnder Soziopath mit Baseballschläger, ist nicht einfach irgendein aus dem Hut gezauberter neuer Gegenspieler; er bestimmt die neuen Regeln auf dem Spielfeld. Er legt die Restriktionen ebenso hart fest wie die Freiheiten, die Ricks gespaltene Gruppe in den folgenden Ereignissen erfährt. Seine anfangs noch schwer durchschaubare Persönlichkeit legt die Grundlage für alle nachfolgenden Entscheidungen der Machthabenden. Und mehr denn je wird die Zombieserie zum sozialen Experiment.
Es mag eine unbequeme Staffel sein, denn sie stellt schonungslos die Schwächen der Gruppe bloß, deren Werdegang wir seit sieben Jahren verfolgen - im Gegensatz zur sechsten Staffel, die dies nur unterschwellig tat. Die Machtlosigkeit des einst so starken Anführers wird immer wieder vorgeführt; Andrew Lincoln ist sehr damit beschäftigt, im Staub zu kriechen, zu flehen und um Gnade zu betteln. Den Balanceakt an der Schwelle zur Gebrochenheit untermalt er schauspielerisch immer wieder mit dem wild entschlossenen Blick aufkeimender Rebellion - ein Blick, der dem geschulten Auge seines offenbar intelligenten Gegners keineswegs entgeht.

Während sich zwischen Rick und Negan so ein psychologisches Schachduell entwickelt, das Nebenfiguren wie Carl, Daryl oder Eugene in Subplots geschickt als Bauern einsetzt, verschiebt das Hauptskript seinen Fokus immer mehr zwischen verschiedenen Gruppen aus Überlebenden, wobei neben Ricks Gruppe und den Saviors mit den Scavengers, Oceanside und dem Königreich drei bisweilen sehr exotische neue Vereinigungen eingeführt werden. Taktik und Strategie im Umgang mit Fremden, mit Feinden und Verbündeten nehmen eine zunehmend größere Rolle ein.

Mögen die Setpieces sich mit Alexandria und umliegender Waldlandschaft kaum geändert haben und weiter den Unmut enttäuschter ehemaliger Fans auf sich ziehen (ebenso wie die fortschreitende Bedeutungslosigkeit der Zombies, die dennoch mit viel Liebe zum Make-Up in Dutzenden durch die Gegend wanken), so unterscheidet sich Staffel 7 doch wieder grundlegend von allen anderen Staffeln. Ungeduldige Naturen mögen zwar die Position vertreten, dass der Fall "Negan" spätestens am Ende der Staffel hätte zu den Akten gelegt werden müssen, aber manchmal geht die Gleichung eben nicht so glatt auf, wie man sich das vorstellt. Das Pathos der letzten Episode lässt immerhin erschaudern und hält das Versprechen, dass die Karten auch für Staffel 8 wieder ganz neu gemischt werden.
7/10

weitere Staffelbesprechungen können folgen.

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