"Rite of Passage" - dieses thematische Untergenre, das sich mit verschiedenen Lebensaltern und den Anforderungen von Veränderungen in der Lebensführung und Verantwortung auseinandersetzen, gibt es praktisch für jedes Alter.
Da müssen Teenager erwachsen werden, erleben Spätzwanziger ihre Quaterlife-Krise praktisch Hand in Hand mit Babywünschen und Frührentner kommen mit der Taten- und Funktionslosigkeit nicht mehr klar.
Eher stiefmütterlich ging man bisher mit den Jährchen um, die vielen Leuten besondere Probleme bereiten, der magischen 40er-Grenze, die eindeutig festlegt, daß die Hälfte des Lebens nun endgültig rum ist. Entweder ist man da schon etabliert bis gutsituiert und macht sich nur noch etwas vor oder man es schon aufgegeben, noch in die gesellschaftlichen Vorstellungen von tauglicher, volkerweiternder Lebensführung hineinwachsen zu können und mit den Falten schwindet natürlich auch das Vertrauen auf die große Liebe, die vielleicht doch noch folgt.
Der Held in Mike Mills "Beginners" steht kurz vor dieser Altersschwelle (er ist 38) und rückblickend ist die Sache nicht ganz so verlaufen, wie man sich das gemeinhin vorstellt: die Beziehungen alle gescheitert bzw. von ihm selbst an die Wand gefahren; der Vater offenbart nach dem Tod der Mutter für die letzten Jahre seine beständige Homosexualität und lebt krebskrank dann genau das aus, was der Sohn stets unterdrückt hat, nämlich einen gewissen Hunger an Leben.
Kurz gesagt: Oliver (Ewan McGregor) ist ein deprimierter Durchhänger, an dem so langsam sogar sein Freundeskreis verzweifelt.
Was früher einmal das wortreiche Terrain eines jungen Woody Allen war, gerät unter Mills Händen zu einer poetisch-versponnenen Künstlercollage, die so unzugänglich wie liebenswert zugleich ist.
Mills arbeitet nicht auf, kritisiert nicht ausschließlich, malt aber auch nicht alles rosarot und schenkt dem Protagonisten aus publikumswirksamen Gründen ein flockenlockeres Happy End. Stattdessen beobachtet er den Zustand gleich von den zwei Enden der Wurst und blickt über den Tellerrand ergänzend zurück. Einerseits kriegt das Publikum also die vier letzten Jahre des Zusammenlebens mit Olivers schwulem Vater (superb: Christopher Plummer) in Schüben präsentiert, während er gleichzeitig noch einmal eine zarte, scheue Beziehung zu einer Frau knüpft, die altergemäß auch nicht den Idealfall darstellt.
Als man sich trifft, scheint sie stumm zu sein - doch die angenehme Stille rund um das spontan-sympathische Verständnis ist das Ergebnis einer Halsentzündung. Gleichzeitig wischt Mills mit Allens Vorgaben den Boden auf, ist Oliver doch als Sigmund Freud verkleidet, der auf der Party gleich noch bar jeder Kenntnisse irgendwelche Gäste therapieren muß.
Wie sich herausstellt, ist Anna jedoch Schauspielerin, nie ganz weg, nie ganz da - und Stück für Stück erfährt man nicht nur von Olivers Schwächen, die glückliche Beziehungen verhinderten, mal kriegt auch eine Portion des Ballast seiner Freundin mitgeliefert. Zwischen den beiden sitzt Jack-Russell-Terrier Arthur, das Überbleibsel seines Dads Hal, der zu einer Art Kinderersatz und Verantwortunsmahnung mutiert; das Kind, das Oliver nicht allein lassen darf, bis die Verhältnisse geklärt und geläutert sind.
Bis es soweit ist, gibt es aber genügend Klippen und Trennungen, Schwierigkeiten und Diskussionen und das positiv gefärbte Finale ist lediglich die Bereitschaft zu einem neuen Versuch, die allgegenwärtige Traurigkeit zu akzeptieren und das Leben als solches doch mal zu umarmen, ob es den "Anfängern" jedoch gelingt, bleibt offen.
"Beginners" könnte Standard sein, ist manchmal enorm verkopft und so leise, traurig und langsam, daß unruhige Naturen vermutlich im Sessel wahnsinnig werden, für die Zielgruppe und die Liebhaber versponnener Bilderreigen hat Mills Großes geleistet, verarbeitet in Bildcollagen Zeitgeschichte, streut Humor mit Bleistiftzeichnungen und unterlegt Arthurs Blicke mit stillen Untertiteln, die dem Zuschauer aus dem Herzen sprechen. Der Humor ist fein dezidiert und versponnen (etwa wenn Graffiti-Aktionen mit bizarren Ergebnissen enden) und Klischees vermeidet Mills zumeist geschickt - nie weiß man so ganz, was als Nächstes geschieht, vor allem auch in den viel zu kurzen Rückblicken auf das Zusammenleben Olivers mit seiner Mutter (die vermutlich schönsten Sequenzen des Films), die für sein Verhalten im späteren Leben (leider?) stilbildend war. Nur im letzten Drittel scheint der Regisseur bißchen zu sehr der Demonstration von Traurigkeit und den Abgründen des Alterns und der damit verbundenen Unsicherheit verhaftet, hier stellt sich kurz die Geduldsfrage, ehe der Film doch zu dem Schluß kommt, daß man nur mit Weitermachen weiterkommt.
Für manche möglicherweise etwas prätentiös, aber eigentlich anrührend und bildgewaltig genug, um ein Publikum auch im Stillen zu begeistern, ohne das Sujet komplett zu verklären. Übrigens auch für Fortgeschrittene! (8/10)