Ein trauriger, vereinsamter und mit diversen Traumata gepeinigter Mann braucht einen Menschen, der ihm zuhört und ihm so die Möglichkeit gibt, zu erkennen, dass er eine eigene Stimme besitzt. Das ist die Ausgangssituation von King's Speech. Und dankenswerter Weise vergisst der Film genauso wie der Sprachtherapeut Lionel Logue (Geoffrey Rush), dass es sich bei dem Hilfesuchenden um den britischen Thronfolger Albert (Colin Firth) handelt. Dieser stottert seit seiner Kindheit, in der er weder von seiner Familie noch von seiner Nanny die notwendige Fürsorge erhalten hat. In der Therapie trifft er auf einen warmherzigen Vater, der ihn so nimmt wie er ist, und nicht wie er sein soll.
Genau dieser Ansatz macht King's Speech so glaubwürdig, so wunderbar einfühlsam und unaufgeregt. Der Film ist frei von überdimensioniertem Pathos, lediglich in der entscheidenden Szene, in der Albert als König seine Rede ans Volk hält, übernimmt der weiche Score eine pathetische/unterstützende Aufgabe, die hier vielleicht sogar ein wenig stört. Das ist aber auch schon alles. Wenn Albert (meist widerwillen) von seiner Kindheit erzählt, wird dies nicht durch schnell dazwischen geschnittene Rückblenden untermauert. Die Kamera leiht Albert genau das, was er braucht: ein Ohr. Sie hält auf den völlig verschüchterten Mann, gibt ihm Raum und Zeit, seine Geschichte zu erzählen. Die Kamera, die gesamte filmische Ebene übernimmt die selbe Rolle wie Logue, der den König duzt, die Nähe zu ihm sucht und ihn väterlich umarmt, wie der große Albatros, von dem Albert seinen beiden Töchtern in einem Märchen erzählt.
Auch das Erzähltempo bleibt nahezu gleich. Die Rhythmuswechsel des Films geben die Protagonisten vor, wenn sich etwa Logue in seiner Therapie in Geduld üben muss oder Albert seiner Wut freien Lauf lässt. Der gesamte Film passt sich seiner Geschichte, seinen Figuren an. Diese ist zwar großartig in Szene gesetzt, aber selbst dann, wenn die Kamera dadurch bemerkbar werden könnte, wenn sie sich in langen Einstellungen kaum bewegt, bleibt sie fast unbemerkt. Und das ist eine filmische Leistung, die Regisseur Tom Hooper hoch anzurechnen ist. Denn die Inszenierung ist nie als solche auszumachen, auch wenn sie jede Sekunde spürbar ist. Das ist großartiges Kino, das nicht versucht, ein solches zu sein.
Dies funktioniert natürlich nur aufgrund des starken Drehbuchs und der noch stärkeren Darsteller. Selbst die Nebenrollen sind sehr gut besetzt, bleiben aber das, was sie sein sollen. Der Film konzentriert sich auf die beiden Hauptdarsteller. Ihre Rollen und ihr Spiel sind sehr unterschiedlich angelegt. Der eine ruhig und überlegt, der andere extrovertiert und in seinen emotionalen Wechseln wild. Hier treffen Vater und Sohn aufeinander, sie begegnen beide den Schwierigkeiten ihres jeweiligen Lebens. Sie bekämpfen und lieben einander, aber stets mit dem notwendigen Respekt voreinander. In Logue findet Albert den warmherzigen Vater, in Albert findet Logue den aufmüpfigen Sohn. Am Ende finden beide einen gemeinsamen Weg und eine unendliche Freundschaft.
Fazit: Einer der großartigsten Filme der vergangenen Jahre. Handwerklich in seiner Art perfekt umgesetzt mit zwei außerordentlichen Hauptdarstellern, die von einem Regisseur inszeniert wurden, der genau wusste, was er zu tun hatte - und genau wusste, wann er nichts zu tun haben darf. King's Speech ist ein ruhiger Film, dem man zuhören muss, um seine Liebe zu der Geschichte und zum Kino zu erleben.
9,5/10