Manchmal hilft doch die Konzentration auf das Wesentliche.
Gerade mal 89 Minuten geht die fünfte Zusammenarbeit des Stakkato-Regiemeisters Tony Scott mit seinem Abonnement-Star Denzel Washington und dennoch kann man sagen: keine Minute zuviel.
Und das hat ausnahmsweise mal nichts mit minderer Qualität zu tun, auch wenn die Story eines versehentlich unbemannt dahinrasenden Zugs mit großen Massen brennbarer Chemikalien ein wenig verdächtig an den Vorgänger des performenden Duos Washington/Scott erinnert, nämlich an "Die Entführung der U-Bahn Pelham 123".
In Sachen Real-Live-Drama tut sich ja nicht wirklich etwas in der Filmszene der letzten Jahre, stattdessen nahm der Katastrophenfilm immer apokalyptische Ausmaße an, so daß es wie eine kreative Erleichterung erscheint, daß man mal an kleineren Skalen versucht, um Spannung und Dramatik aus einer einzigen unkontrollierbaren Situation zu destillieren.
Menschliches Versagen ist der simple Auslöser, die Selbstüberschätzung eines übergewichtigen Mitarbeiters bei der Umstellung einer Weiche, wozu er seinen Zug verlassen hatte, mit der dramaturgischen Garnitur, daß die Hydraulikbremsen des Zuges nicht angeschlossen sind. Von diesem Punkt an rollt der Film wie ein Uhrwerk.
Natürlich wäre es jetzt ein Leichtes gewesen, aus der realistischen Ausgangssituation ein teils emotionales Rührstück, teils eine übermenschliche Rettungsaktion mit jeder Menge Bruch, Schaden und Toten zu machen, aber der Bodycount in "Unstoppable" reduziert sich auf ein geradezu sensationell kleines Minimum, ohne daß der Film darunter Schaden erleidet.
Es ist unvermeidbar, daß die beiden Hauptdarsteller mit kleingeschliffenem Konfliktpotential (unerfahrener junger Vorgesetzter mit möglichen Beziehungen und wahrscheinlicher Familienproblematik trifft auf alten, erfahrenen, aber inzwischen entlassenen Lokomotivführer) ein bißchen aufeinander einwirken dürfen, aber glücklicherweise gewinnen die Familiensentimentalitäten (hier Frau mit Kind, da zwei Töchter) nie die Oberhand.
Stattdessen konzentriert man sich - durchaus ebenfalls realistisch - auf die eher riskant-unwahrscheinlichen Bemühungen der mächtigen Zugfirma, das Gefährt zu stoppen, ohne eine Entgleisung (und mögliche Opfer) in Kauf zu nehmen, getrieben eher von finanziellen Gesichtspunkten und einem Blick auf den aktuellen Börsenkurs.
Auf die individuellen Rettungsversuche der Aufrechten bzw. der alten Hasen hört natürlich mal wieder niemand, weswegen das klassische Motivs der beiden Buddys, die auf eigene Lebensgefahr einen riskanten Plan eingehen, weil der Großkapitalismus es mal wieder nicht hinkriegen kann, erneut zum Tragen kommt. So wird "Unstoppable" mal wieder zum Plädoyer für die kleinen, aber fachlich gut ausgestatteten Arbeiter, die immer noch besser sind als jeder bemühte Anzugträger, der sich nicht traut, eine eigene Entscheidung zu verantworten.
Daß schlußendlich die Guten, die kleinen Leute gewinnen und die Knauserer einen auf den Deckel kriegen, ist da natürlich nur logisch, aber abseits dieser Dramaklischees funktioniert dieser "death train" wirklich ganz hervorragend. Wenn man mal davon absieht, daß es ähnliche Szenarios schon gegeben hat und diese dann gröber und spektakulärer ausgefallen sind, bringt die nötige Bodenhaftung nämlich die Spannung in einen zwar perfekt durchgestylten, aber dennoch robusten Film, der auf den unbändigen modernen Bombast verzichtet. Das realistische Rennen gegen die Uhr macht immer noch den besten Druck und die in diesem Film (sicherlich auch aus dramaturgischen Gründe) geradezu penetrante Informiertheit (und Parteiergreifung) der anwesenden Medien fügt dem noch kleine Extras zu.
Natürlich ist das keine Gelegenheit groß schauspielerisch zu glänzen, Washington spielt diese Figuren inzwischen aus der Hosentasche und Chris Pine nutzt die solide, aber nicht zu anspruchsvolle Dramarolle, um sich nebenbei als junger Wilder weiter zu profilieren, während Rosarion Dawson wie üblich in ihrer Nebenrolle das Beste aus ihren Kontrollmarginalien macht. Daß der Film keinen ausgemachten Bösewicht oder nervtötenden Quertreiber mit sich herumschleppt, ist nebenbei auch sehr erfreulich.
In teils klaren, teils grisseligen Bildern (der Arbeitsumgebung geschuldet), läßt Scott zwar erneut sein Schnittgewitter los - Haus-Cutter Chris Lebenzon arbeitet hier zum zehnten Mal mit Scott zusammen - aber alles in allem ist trägt das Schneideraum-Duo damit den Anforderungen der Story und des soliden Tempos Rechnung, während in anderen Fällen damit ruhige Passagen für stärkere Unbequemlichkeit beim Publikum sorgten.
"Unstoppable" mag nicht der ganz große Wurf geworden sein, aber inhaltlich ist er so schön "retro" und simplifiziert auf eine alte Hollywoodformel, daß man unwillkürlich mitfiebert. Und nichts anderes will und soll man doch bei so einem Film. (7/10)