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In den 90ern war Tony Scott fast schon ein Garant für Granaten, „Last Boy Scout“ und „Der Staatsfeind Nr. 1“ sprechen eine deutliche Sprache, doch seit Anbruch des neuen Jahrtausends brachte nur „Man on Fire“ dem Actionfan so wirklich die Geschenke.
Auch der überraschend positiv aufgenommene „Unstoppable“ darf nicht als großer Wurf gelten, ist aber wie ein Schritt nach vorn. Interessanterweise gewinnt Scotts Film vor allem durch seine Reduzierung aufs Wesentliche: Keine überlebensgroßen Helden, keine außergewöhnliche Geschichte, keine Superschurken – überhaupt keine menschlichen Antagonisten, die man den Working Class Helden Frank (Denzel Washington) und Will (Chris Pine) da vorsetzt. Diese passen wunderbar in den Scottschen Reigen hemdsärmeliger, pflichtbewusster Heroen, zumal Washington nun schon zum fünften Mal den Leading Man für ihn gibt.
Alter Hase Frank und Rookie Will sollen nur einen Güterzug von A nach B fahren, doch auf dem Gleis gerät ein mit hochexplosivem Material beladener, führerloser Zug außer Kontrolle…

Realismus lautet die Devise, auch wenn der Film sie leider zwischendurch torpediert. Dass die beiden Helden nicht nur den eigenen Hintern retten und vom Gleis kommen, sondern irgendwann auch noch den Zug anhalten und den Tag retten wollen, das kann man als Prämisse akzeptieren, jedoch sind es dann Kleinigkeiten, die dem Konzept in die Parade fahren. Da sind zum einen die klischeehaft gezeichneten Bahnchefs, welche die Katastrophe noch verschlimmern und einfach nur als schmieriges Gewicht zu den guten Working Class Jungs dastehen, da ist das triefige Friede Freude Eierkuchen Ende und da sind einige herbe Logikschwächen. *SPOILER* Warum zum Geier muss am Ende des Films ein am Bein verletzter Protagonist erst auf einen Jeep und von dort aus auf die Lok hüpfen? Wäre es da nicht einfacher gewesen einfach einen gesunden vorher einzusacken, der dann nur einen Sprung absolvieren muss? Warum versucht man keinen zweiten Versuch jemanden via Helikopter auf die Lok herabzulassen, als die beiden Helden den Zug abbremsen? *SPOILER ENDE*
Freunde von „Speed“ und Co. dürfen sich aber doch über temporeiche Action der Marke Mensch contra Maschine freuen und obwohl man weiß, dass alle Versuche den Zug anzuhalten vor der Schlussphase eh scheitern werden und dass der letzte Versuch es natürlich bringen wird, ist „Unstoppable“ erfreulich kurzweilig geraten. Das liegt zum Großteil an Scotts Inszenierung, die – dem Realismus entsprechend – wieder bodenständiger geraten ist als bei „Man on Fire“ oder „Domino“, jedoch immer noch mit den Scottschen Videoclipästhetik aufwarten kann, welche mal wieder extrem edel aussieht. Im Hintergrund peitscht ein treibender Score von Harry Gregson-Williams, welcher den Bildern noch den rechten Drive verpasst – ihr Handwerk haben alle Beteiligten hier verstanden.

Im punkto Schauwerte darf man natürlich nicht zuviel erwarten, aber Scott präsentiert an Action was die Prämisse hergibt. Ein Zusammenstoß des führerlosen Zuges mit den letzten Wagen eines anderen Zuges sorgt für Kleinholz und eye candy, mit einer Zugentgleisung im Mittelteil ist dann jenes Feuerwerk da, für das man Scott so schätzt, und auch sonst wird reichlich gehangelt, geklettert und gesprungen beim Versuch den Zug anzuhalten, wobei Scott die schweißtreibende Körperlichkeit jener Aktionen zu vermitteln. Zwischendrin gibt es noch ein paar Sprüche zur Auflockerung, den Figuren verpasst man ein wenig Profil durch Hintergrundgeschichten um die liebe Family, auch wenn die Subplots den Film nur bedingt weiterbringen und die abgewandten Familienmitglieder am Ende als geläuterte Jubelperser dastehen, da sie gelernt haben welchen Wert der Daddy oder Ehemänne denn nun hat.
Gewohnt souverän agiert Denzel Washington als verschmitzter alter Hase, der auch die etwas aufgesetzte Klassenkampfrhetorik seiner Rolle noch brauchbar zu vermitteln weiß. Mit Chris Pine hat er den jungen, ungestümen Partner, der als Gegenpart wunderbar funktioniert und ihn ergänzt. Der Rest vom Fest ist dann nicht ganz so tadellos wie das Hauptdarstellerduo, gerade die Darsteller der Bahnchefs können die Eindimensionalität ihrer Rollen nicht brechen und Rosario Dawson sieht man an, dass sie mit ihrer simplen Rolle als gute Seele in der Bahnzentrale wohl auch nicht so viel anzufangen wusste. Ein Highlight hingegen ist Lew Temple als schräger Bahntechniker, der wirklich jede Szene an sich reißt und eine wahre Glanzleistung abliefert.

Unterm Strich bleibt also ein solides Actionvehikel der reduzierten Art für die Freunde von „Speed“ und „Runaway Train“, wenngleich Scotts Werk nicht mit den genannten mithalten kann. Dafür torpedieren einige eindimensionale Nebenfiguren und Logikschwächen doch zu sehr das realistische Konzept und auch im punkto Figuren könnte „Unstoppable“ hier und da etwas runder sein.

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