Die Frage lautet: Wie hätte man es in einem Filmuniversum, das sich von einer Ballade verzweifelter Männer zu einem intakten Familienkonstrukt mit reichlich Bromance-Magie entwickelt, bei einer einzigen Episode belassen können? Die Antwort müssen wir gar nicht kennen, denn es ging ja weiter. Der zweite Einsatz der L.A. Cops Roger Murtaugh und Martin Riggs, diesmal gegen kriminelle südafrikanische Diplomaten, ist eine logische Schlussfolgerung aus dem ersten Film. So einfach kann und darf man die Gesetze der Chemie nicht überwinden. Also sorgten Richard Donner und Joel Silver für ein Sequel – und das bedient sich bereits erfolgreich des “Grösser, Schneller, Lauter, Witziger”-Prinzips. Auf eine viel zu selten gesehene, nahezu perfekte Weise.
Warner-Logo, Warner-Jingle aus der Looney Tunes-Dimension, Zack, Boom, der bombastische, glänzende Schriftzug “Lethal Weapon 2″ knallt ins Bild und prompt sind wir schon mitten drin im Geschehen, ein irrwitziger Einbruch mitten in eine Autoverfolgungsjagd hinein. Das erste, was wir sehen, ist Riggs Fratze des belustigten Wahnsinns, während Murtaugh am Steuer des Kombis seiner Frau langsam die Kontrolle zu verlieren droht. “Woohoooo”, schreit der Kerl, während sein Partner verzweifelt auf die Straße starrt und nur hofft, dass der Irre neben ihm sich nicht in die Lenkung wirft – Trish würde ihm die Hölle heiß machen. In der Polizeistation wird das Treiben per Funk verfolgt. Wetten werden abgeschlossen, was der “verrückte Kerl”, wie Murtaugh seinen Partner in den folgenden drei Filmen immer wieder mit Vorliebe nennen wird, als nächstes anstellt.
Eine technisch makellose Actionsequenz ist verbraten, nachdem gerade mal ein paar Minuten Laufzeit vergangen sind, und es ist so, als hätte es die zwei Jahre zwischen den ersten beiden Teilen nie gegeben. Das Leben, es sprudelt in dieser Franchise mehr denn je, und es scheint sich flüssig Bahn geschlagen zu haben durch die Widerstände, von denen eben auch Filmproduktionen manchmal heimgesucht werden.
Denn schon bald darauf werden wir Zeuge der Veränderungen, die sich inzwischen bereits abgezeichnet haben. Denkt man an die melancholisch-pessimistische Einleitung ins Original, an einen von männlichen Wechseljahren geplagten Neu-Fünfziger und an einen jungen Kerl, dessen Leben durch den frühen Tod seiner Frau schon fast verloren war, hat sich vieles zum Guten gewendet. Riggs sitzt wie ein vollwertiges Familienmitglied am Abend mitten unter Murtaughs Familie und macht Späße mit den Kindern, als würden sie sich schon ewig kennen. Und dann kommt ein schüchterner, junger Kerl zögerlich in diese gesellige Runde, zu welcher man sich als Zuschauer schon längst selbst zählt. Es ist das Date von Murtaughs ältester Tochter Rianne (Traci Wolfe). Da steht der Junge in einer Situation, in der vor nicht allzu langer Zeit noch Riggs selbst stand. Und erneut muss nicht viel ausgesprochen werden, um sehr viel auszudrücken: Die Franchise entwickelt sich prächtig.
Der Anlass der Familienversammlung eignet sich weiterhin vorzüglich als Hort für Komödie, denn im Fernsehen läuft eine Kondomwerbung mit Rianne als Premiere, und was sich daraus ergibt, erinnert ganz massiv an die Bill Cosby Show. Bei Murtaugh werden die konservativen Werte der 80er deutlicher denn je und im Kontext der Reihe ergibt sich daraus reinstes Comedy-Gold. Die komplette Sequenz ist ein perfektes Beispiel dafür, was an “Lethal Weapon” so süchtig machen kann: Man sieht eine familiäre Einheit, die aber eben nicht wie in der besagten Cosby Show immer Bestand hat, sondern später durch den Krimiplot von dramatischen Schicksalsschlägen verdrängt wird. Ein Riggs, der mit solch positiver Wucht zurück ins Leben gezogen wird, dass man zu Tränen gerührt sein könnte; selbstironischer Humor mit süffisanten Pointen, die einmal mehr von Eric Claptons und Michael Kamens Soundtrack, der sich über alle vier Teile seine Tradition bewahrt hat, auf den Punkt gebracht werden. Dinge, die das Skript unmöglich alle hat vorgeben können, die einfach von der unschlagbaren Chemie und der selbstverständlich wirkenden Improvisation zwischen Mel Gibson und Danny Glover leben.
Kennzeichnend für den Wunsch nach Entwicklung ist auch der Einbau des neuen Sidekicks Leo Getz, der von Joe Pesci verkörpert wird. Über den wiederum eher formelhaften Thrillerplot eingebunden, bekommen die inzwischen zu einer Einheit mutierten Cops neuen Zündstoff an ihre Seite gepackt, der auch wieder nach dem klassischen Buddy-Muster funktioniert: Da Leo Getz ein Kronzeuge ist, der vor den bösen Südafrikanern beschützt werden muss, entsteht eine Zwangsgemeinschaft zwischen dem hilflosen kleinen Würstchen und seinen beiden zum Schutz abgestellten Bewachern. Pesci bringt mit seinem manischen Spiel – dem Regisseur schlug der Schauspieler vor, Leo als jemanden anzulegen, der bei allen beliebt sein und es jedem recht machen will – die komödiantischen Aspekte noch weiter in den Mittelpunkt und spielt damit Joel Silvers Konzept entgegen, dem Actionfilm zunehmend eine Aura des Familiären zu verleihen, ihn von der humorlosen Ballerei vergangener Tage zu lösen. Und das funktioniert tatsächlich erstaunlich gut, denn Riggs und Murtaugh finden in Leo eine Zielscheibe, an der sie all ihre Gemeinsamkeiten ausspielen können und ihre funktionierende Kollaboration unter Beweis stellen.
Vergangenes bleibt aber nicht vergessen und so spendiert man Riggs – wiederum über den antreibenden Plot, der folglich diesmal doch etwas stärker in das fein gezeichnete Beziehungskonstrukt eingreift – eine Love Interest. Die Britin Patsy Kensit (“Das tödliche Dreieck“) spielt Rika van den Haas, die nur eine Funktion bekleidet: Sie soll dem zwar nicht mehr selbstmordgefährdeten, aber immer noch auf eine positive Art wahnsinnigen Riggs in Anspielung auf seine verstorbene Frau einen weiteren Boost in der Charakterentwicklung verleihen, die Murtaughs Familie bereits am Anfang angetrieben hatte. Es handelt sich ohnehin um eine Fortsetzung, die stark auf ihren Vorgänger fixiert ist und gar nicht erst versucht, es zu leugnen und sich zu emanzipieren – im Gegenteil, es komplettiert diesen Film und steht gewisser Weise in einer symbiotischen Beziehung zu ihm, auch wenn man keineswegs Vorwissen benötigt. Als Unwissender bekommt man einen einfachen Einstieg geboten (in Zeiten der chaotischen TV-Ausstrahlungs-Kultur der späten 80er vielleicht etwas wichtiger als heutzutage), doch die Wurzeln werden hier weitergepflegt, und um der Pflanze von Anfang an beim Wachsen zuzusehen, muss man ins Jahr 1987 zurückkehren, als die Geschichte ihren Anfang nahm.
Wie erwähnt, folgt die Storyline zwar ganz bewusst wieder den archaischen Mustern des Action-Krimis, das auch ordentlich auf den Arm genommen wird (Stichwort: Plastikplane), hat dabei aber beinahe noch die interessanteren Ansätze, zumal alte Wunden zwar vorhersehbar, aber erfreulich emotional wieder aufgerissen werden. Mit Joss Ackland (“Rasputin – Der wahnsinnige Mönch“) und Derrick O’Connor nehmen weiterhin zwei Villains den vorgefertigten Platz ein, den vor ihnen nicht überzeugender Mitch Ryan und Gary Busey besetzt haben.
Obwohl “Lethal Weapon 2″ einem Konzept gehorcht, das heute eher für kalkulierte und enttäuschende Fortsetzungen steht, funktioniert das Rezept auf diese Reihe bezogen in diesem zweiten Fall ausgezeichnet. Zwar werden funktionierende Mechanismen stets einfach in größeren Dosierungen als zuvor wiederholt, doch solange es Riggs und Murtaugh sind, die sich durch diesen Aufbau kämpfen, wirkt der aufgestockte Aufwand in Sachen Action und Humor keineswegs fehl am Platz. Die bösen Jungs sind noch böser, die Comedy noch spritziger und die Action ist in diesem Fall sogar so etwas wie eine Referenz ihrer Art. Ähnliches bieten andere Fortsetzungen zwar auch, laufen damit jedoch ins Leere – warum?
Andere Fortsetzungen besitzen einfach nicht das Charakterpotenzial, das immer noch auf Drehbuchautor Shane Black zurückzuführen ist. Exemplarisch die feurige Toilettenszene, in der Humor, Action und Charakterentwicklung vorbildlich auf einen Nenner gebracht werden und alles in einer grandiosen Szene punktgenau auflöst wird. Über die unnachahmliche Bruderschaft, die Gibson und Glover ausstrahlen, bekommt jede ihrer Szenen einen unwiderstehlichen Charme, der auch Dramatisches zu tragen imstande ist. Das ist ein unbezahlbares Alleinstellungsmerkmal. Gefeit gegen Abnutzung ist diese Rezeptur nicht, das haben die Teile 3 und 4 bewiesen, die zwar beide noch herrliche Unterhaltung boten, aus verschiedenen Gründen aber langsam schon an Qualität verloren. Es hat aber immerhin noch für eine der besten Actionreihen überhaupt gereicht. “Lethal Weapon 2″ ist Nutznießer dieser glücklichen Fügung und reiht sich damit zweifellos auf die gleiche Stufe wie sein Vorgänger.