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Comic-Verfilmungen gibt es mittlerweile en masse in Hollywood, und die meisten laufen nach Schema F ab: Unbekannter Held, der der Bevölkerung auf lange Zeit suspekt bleibt, macht in einem gigantischen Effektfeuerwerk, bei dem es nahe liegt, dass jede Menge Material zu Bruch gehen muss, die bösen Jungs allesamt zur Schnecke, rettet nebenbei noch seine Beziehungskiste über die Zeit und alle sind ausnahms- und wunschlos glücklich. Sam Raimi will von diesem stereotypen Konzept nichts wissen. Er sich das klare Ziel gesetzt, mit seinem „Spider-Man“ auch einem anspruchsvolleren Publikum gerecht zu werden, und wir sind ihm sehr dankbar dafür, da uns vermutlich allen noch gut im Gedächtnis ist, wie Joel Schumacher einst die brillant begonnene „Batman“-Reihe verhunzt hat. Mit gewissen Anleihen bei Bob Kanes beflügeltem Rächer wie dem Antrieb zur Verbrechensbekämpfung, welcher hier allerdings nicht erst später nachgeschoben wird, ist auch Spider-Man natürlich vorzugsweise in schwindelerregender Höhe unterwegs, unterscheidet sich von seinen Artgenossen allerdings dadurch, dass er auch gerne tagsüber, im wahrsten Sinne des Wortes, seine Fäden zieht. Ebenfalls ungewöhnlich fällt das Ende aus, denn während andere Comic-Verfilmungen eigentlich immer mit einer in sich abgeschlossenen Handlung aufwarten, ist bei „Spider-Man“ klar, dass sein Abenteuer mit dieser Episode noch nicht vorüber ist, weshalb es auch nicht verwundert, dass die Fortsetzung, von der man sich jetzt schon denken kann, wer dort den Gegenspieler abgeben wird, vertraglich bereits unter Dach und Fach ist. Für diese wäre es jedoch wünschenswert, wenn die Romantik-Schiene etwas zurückfahren und dafür ein wenig mehr in Richtung Unterhaltungswert investiert werden würde, da „Spider-Man“ in dem Punkt leider kläglich versagt. Raimi verliert sich bei der Figurenzeichnung zu stark in der Liebesgeschichte zwischen Peter Parker und Mary Jane, ohne zu merken, dass der Zuschauer zunehmend Gefahr läuft, geistige Anteilnahme mit der Zeit vermissen zu lassen. Die nicht-eingefleischten Kirsten-Dunst-Fans bei der Stange zu halten, haut auf Dauer nicht hin, zu zäh ist die Handlung, zu dünn gesät die Action. Wenn in einer Szene mal Fahrt aufkommt, ist dies zugegeben eine wahre Augenweide. Vor allem die atemberaubenden Kamerafahrten, wenn sich Spider-Man zwischen den Hochhäusern durch die Lüfte schwingt (und die verwendete Tricktechnik nur selten zum Vorschein kommt), machen Lust auf mehr, was aber dummerweise ausbleibt.
Schauspielerisch ist das Aufgebot insgesamt zwar passabel, wenn auch leicht durchwachsen. Tobey Maguire war sicher die optimale Besetzung für Peter Parker, obwohl mir manche Szenen wie die emotionalen Momente, in denen Parkers Vater stirbt oder Peter an Daddy zurückdenkt, etwas lächerlich gespielt vorkamen. Kirsten Dunst dagegen sieht zwar nett aus, bleibt aber durchweg austauschbar, zumal ihre Rolle doch arg schablonenhaft wirkt. Ein ganz besonderes Ärgernis ist allerdings die Darstellung des Goblins alias Norman Osborn. Inwieweit Willem Dafoe in seiner Rolle nun überzeugt oder nicht mag ja Ansichtssache sein (für mich kam er nur unmerklich über den Durchschnitt hinaus). Ausser Frage steht jedoch der schwerwiegende Fehler, dass ausgerechnet seine Figur von Raimi so an die kurze Leine gebunden wurde. Es bleiben viel zu viele Fragen über den Goblin offen und seine ebenso kurzen wie seltenen Auftritte (angesichts des billig zusammengeschusterten Kostüms fast schon wieder positiv zu bewerten) sind allenfalls Handlanger-Klasse. Eines sogenannten Oberschurken absolut unwürdig kann man da nur sagen. Wahrhaft gelungen ist wiederum die Inszenierung des Zeitungschefs, der seiner Vorlage so gerecht wird wie kein anderer Charakter in „Spider-Man“. Auch Nebendarsteller anderer Comic-Verfilmungen dürften es schwer haben, da mit zu ziehen.
Die Musik hätte vielleicht noch ein bisschen was rausreissen können, wenn Danny Elfman nicht derart unter seinem Niveau gearbeitet hätte. Nachdem, was er schon alles zustande gebracht hat, war auch das eine herbe Enttäuschung und man sollte es sich mehr als einmal überlegen, ihn für den kommenden Nachfolger von „Spider-Man“ erneut als Komponist zu engagieren.

Fazit: „Spider-Man“ ist eine Comic-Verfilmung der äussergewöhnlichen Sorte, der nur leider der Drive fehlt. Dass Sam Raimi es beim nächsten Mal noch besser hinbekommt, ist ihm ohne weiteres zu zu trauen, aber bis dahin gehört die Krone nach wie vor Tim Burtons „Batman“.

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