Nachdem mit dem „X-Men“ eine wirklich gelungene Comicadaption geschaffen wurde strömen nun weitere Marvelhelden auf die Kinoleinwand. Während „X-Men“ schon bald in die zweite Runde geht und nächstes Jahr der „Hulk“ durchstartet, darf Spider-Man nun sein erstes Leinwandabenteuer bestreiten, wobei aber nichts mehr an die alten trashigen Spinnenfilme der 70er Jahre erinnert.
Wer nach dem Trailer, wie ich,eine effektgeladene, sinnlose Schlacht zwischen zwei Superhelden befürchtete, wird positiv überrascht sein, denn Sam Raimi nimmt sich viel Zeit (etwas zu viel), um die Charaktere vorzustellen und sich entwickeln zu lassen. Die grobe Geschichte des Comics behielt Sam Raimi bei, nahm aber ein paar Veränderungen vor, um dem Zeitgeist zu entsprechen.
In der ersten Hälfte verfolgt man so den jungen und schüchternen Peter Parker, der davon träumt ein berühmter Reporter zu werden und unsterblich in seine Nachbarin Mary Jane verliebt ist. Als er bei einem Schulausflug von einer genmanipulierten Spinne gebissen wird, kommt es wie es kommen muss: Peter Parker erhält übermenschliche Spinnenkräfte, die er von nun an für sich und die Gerechtigkeit einsetzt.
Derweil wird der Vater seines besten Freundes bei einem Selbstversuch schwer geschädigt und schizophren. Da der reiche Industrielle vor dem Ruin steht, beginnt er seine Gegner auszuschalten. Der grüne Gnom wird geboren...
Von nun an werden dem Zuschauer die beiden Hauptcharaktere nähergebracht, wobei sich aber stärker auf Peter bezogen wird, der am nächsten Morgen mit unheimlicher Sehstärke und einem muskelbepackten Oberkörper aufwacht und gar nicht so recht weiß, was mit ihm geschehen ist, als er schon mit Spinnenfäden um sich schießt. Auf Humor wurde hier viel Wert gelegt, denn Peters erste Gehversuche mit den Superkräften sind sehr tollpatschig oder witzig inszeniert worden
Dramaturgisch schwach geriet aber dafür sein erster Einsatz der neuen Kletterfähigkeiten. Denn nicht so ganz nachvollziehbar ist für mich die Tatsache, dass er nachdem er am wegfahrenden Schulbus an einem Stück Papier hängen blieb, gleich auf die Idee kommt Hauswände hoch zulaufen. Im Film durfte er dafür die Schuhe im Gegensatz zum Comic übrigens anlassen.
Spätestens bei seinem ersten Sprungversuch mit Netz, aber ohne doppeltem Boden werden zum ersten Mal Erinnerungen an „Matrix“ wach, da auch Neo etwas unbeholfen vor seinem ersten Häusersprung wirkt und ähnlich wie Peter erst mal einen Dämpfer erlebt. In den späteren Kämpfen mit dem Gnom tauchen dann auch immer wieder Kampfszenen auf (Zum Beispiel das nach hinten lehnen, bei den Gnomgeschossen), die an bestimmte Matrixfights deutlich erinnern.
Nach dem er seine Fähigkeiten aber genug erkundet hat und mal wieder von Mary Jane nicht richtig wahrgenommen wird beschließt er mit seinen Talenten das große Geld zu machen, um mit seinem ersten, lächerlichen Kostüm zum Wrestling zu gehen, wo Bruce Campbell in einem Cameoauftritt ihn zum „Amazing Spider-Man“ macht, um ihn dann gegen „Macho Man“ Randy Savage antreten zu lassen.
In der Folge wird dann die leider zu dünne Story zaghaft weitergestrickt. Wer die Comics kennt, weiss welches Schicksal Peter noch erwartet. So verhaftet er reihenweise Räuber und knipst sich dabei selber, um ein wenig Geld in die Kasse zu bekommen. Platz bleibt aber nach wie vor für bekannte Comiccharaktere. Herausragend ist dabei eindeutig sein Zeitungschef J. Jonah Jameson (verkörpert von J.K. Simmons), den man getrost das Prädikat „perfekte Comicumsetzung“ aufdrücken kann.
Enttäuschend und etwas zäh verläuft der Film dann aber weiter, denn zwischen den Kämpfen der beiden Superhelden herrscht zu viel Leerlauf. Sam Raimi beschäftigt sich minutenlang mit Peters Liebeskummer, in dem er ihn zufälligerweise immer wieder mit seiner Angebeteten zusammentreffen lässt, Peter aber nie mehr als über einen kurzen Dialog hinauskommt. So kann man ruhigen Gewissens sich mal zwischendurch im eine Cola holen oder aufs Klo gehen, ohne wirklich was zu verpassen.
Spannend wird es dann auch erst wieder, als der Gnom alias Norman Osborn bei einem familiären Essen Peters Verletzung entdeckt, welche ihm der Gnom zufügte. So entdeckt der Bösewicht die Identität des Spider-Mans, um ihn und seine Familie daraufhin ernsthaft zu schaden.
Die Spezialeffekte des Films brauchen sich übrigens vor den anderen Konkurrenten um „Blade 2“ oder „Episode 2“ nie verstecken. Es gibt atemberaubende Kamerafahrten durch die Häuserschluchten New Yorks und ein kletternder und springender Spider-Man, dass einem schier die Augen aus dem Kopf kullern. Auch die Kämpfe zwischen ihm und dem jettendem Gnom sind erstklassig inszeniert worden und präsentieren sich auf meist auf Matrixniveau. Leider gerieten sie zum Beispiel im brennendem Haus etwas zu kurz, wofür aber das, sogar recht harte Ende zu einem großen Teil hinwegtröstet.
Anzumerken sei ich hier, dass Spider-Man keinesfalls Superman ist, denn seine Fähigkeiten und Kräfte werden beim finalen Showdown doch etwas übertrieben. Wenn man Peters Kraft am Ende mit der einer Spinne vergleicht, müsste die mal eben eine Ratte oder ausgewachsene Vögel in ihrem Netz fangen und halten können.
Auszusetzen gibt es vor allem etwas an der Figur des Gnoms, der durch Willem Dafoe erstklassig verkörpert wurde. So ganz anfreunden kann ich mich mit dem künstlichen Kampfkostüm nicht. Mag aber daran liegen, dass ich den Kobold insgesamt eher für einen schwächeren Spider-Man Gegner halte. Bleibt zu hoffen, dass im schon fest stehenden zweiten Teil Figuren wie Dr. Doom oder Dr. Octopus zum Einsatz kommen die um einiges eindrucksvoller agieren.
Während Kirsten Dunst als Mary Jane erschreckend einfältig und blass bleibt (Naja, sie ist aber meist auch irgendwelchen bösen Jungs ausgeliefert ;-)) punkten vor allem der vorher umstrittene Toby Maguire, welcher als Peter Parker einen bravourösen Part hinlegt. Bis zum Ende scheint er nicht wirklich zu realisieren, was ihm da für eine Fähigkeit gegeben wurde und leidet nebenbei unter seiner hoffnungslosen Liebe. Eine Identifikation mit dem Superhelden, der trotzdem ein normaler Mensch geblieben ist sind so Tür und Tor geöffnet.
Auch Willem Dafoe, inzwischen scheinbar prädestiniert für durchgeknallte Rollen, darf als schizophrener Bösewicht viel, aber nicht alles, vom Stapel lassen, was er so zu bieten hat. Allein die Szene, in der scheinbar zwei Gesichter in seinem Gesicht zu sehen sind oder er das Zwiegespräch mit seinem Spiegel führt sind faszinierend verstörend.
Etwas zu kurz kamen im Film aber die trockenen, sarkastischen und oft ironischen Sprüche des Spider-Mans, die man aus dem Comics kennt. In dieser Realverfilmung ist er mit leider etwas zu ruhig in den Kämpfen, während er sonst seine Gegner mit seiner Frechheit doch auch ganz gern mal zur Weißglut trieb.
Zu klischeehaft, ungeschickt und übertrieben ist leider das Ende, welches (die schon feststehenden) Fortsetzungen ankündigt und sogar schon auf den Gegner hinweist. Hier wird noch mal gewaltig auf der Emotionsschiene geritten, damit Spider-Man eine neuen Feind hat und seine Liebe zu Mary Jane (die zwischendurch auch noch mit seinem besten Freund anbandelt) kein glückliches Ende findet.
Auch Danny Elfmans Musik konnte mich hier nicht vom Hocker reißen, da sie weder die Szenen wirklich spannend untermalen noch Dramatik erzeugen konnte. Das der Mann es besser kann, hat er in der Vergangenheit dabei doch so oft unter Beweis gestellt.
Fazit:
Trotz der guten Schauspieler ist „Spider-Man“ leider eine der schwächeren Comicverfilmungen. Klar, die Effekte sind top und Raimi nahm sich auch viel Zeit für die Figur Peter Parker, aber das ist nicht leider alles. Zwischen den Kämpfen herrscht auf Grund der Story, die so dünn wie ein Spinnennetz ist, sehr viel Leerlauf, den man mit den Liebesproblemen Peter Parkers auffüllt. Die Kämpfe sind, ausgenommen der Endkampf, etwas zu kurz und bessere Bösewichter sind im Spider-Man Universum auch vorhanden. Richtig anfreunden kann ich mich weder mit dem verhunzten Ende auf dem Friedhof , noch mit der schwachen Begleitmusik Elfmans. Akzeptabel, aber keinesfalls der Sommerblockbuster 2002.