Ben Affleck spielt den Kopf einer Bande aus Bankräubern. Er und seine Männer rauben einmal mehr eine Bank in Charlestown, einem Vorort von Boston, aus und nehmen die Filialleiterin, gespielt von Rebecca Hall, als Geisel. Sie lassen die Bankmanagerin schließlich laufen, beschließen dann aber, ihr noch einmal zu Leibe zu rücken, weil sie mit dem FBI geredet hat. Bei der Überwachung verliebt sich der talentierte Bankräuber in seine Zielperson und beginnt schließlich eine Beziehung, die bei seinem besten Freund und Mittäter, gespielt von Jeremy Renner, sauer aufstößt, da die Geliebte seines Freundes die einzige Person ist, die der Bande gefährlich werden kann. Doch auch ohne die Mithilfe der Bankmanagerin macht das FBI Fortschritte bei der Jagd auf die Gangsterbande.
"The Town" kündigte sich nicht großartig an, wenngleich recht prominent besetzt, als er aber auf einmal da war, überschlugen sich viele Kritiker vor Lob. Vom besten Gangsterfilm seit "Heat" war des Öfteren die Rede, was letztlich ein wenig überzogen ist, weil da ja immer noch "Departed" und "American Gangster" waren, aber Ben Affleck, der ja schon mit "Gone Baby Gone" gezeigt hat, dass er ein ambitioniertes Talent auf dem Regiestuhl ist, hat hier zumindest einen guten bis sehr guten Genrefilm abgeliefert.
In erste Linie ist "The Town" ein spannender Thriller, der mit der hervorragend konstruierten Personenkonstellation und einem jederzeit überraschenden Plot durchweg eine gewisse Spannung aufrechterhält. Immer wieder werden neue Fragen aufgeworfen, neue Situationen und Szenarien entworfen, die das Geschehen vorantreiben und den Zuschauer fesseln. Findet die Bankmanagerin heraus, was ihr neuer Freund getan hat? Erkennt sie dessen besten Freund durch sein Tattoo wieder? Findet der ehrgeizige FBI-Ermittler Beweise, um die Bankräuber festzunageln? Lässt sich die Hauptfigur, die eigentlich aussteigen will, doch noch zu einem neuen, noch riskanteren Coup überreden?
Affleck leistet dabei inszenatorisch gute Arbeit und treibt den Plot gelungen voran, sodass er dem Spannungsaufbau nicht schadet, überhastet aber auch zu keinem Zeitpunkt. Die Banküberfälle sind dabei spannend inszeniert, schnell geschnitten aber dennoch sehr übersichtlich, die Action-Szenen ebenso sehenswert, aber keinesfalls allzu übertrieben oder überdosiert, sodass sie nicht zum Selbstzweck verkommen. Vielmehr heizen sie immer mal wieder gelungen ein und treiben die Spannung voran. Auch ansonsten ist "The Town" ordentlich inszeniert, wenn auch nicht mit der visuellen Gewalt eines "Heat", oder der handwerklichen Perfektion eines "American Gangster" und eines "Departed".
Aber "The Town" ist nicht nur ein ausgezeichneter Genrefilm, er hat auch andere gute Ansätze. Affleck taucht tief in die Abgründe Charlestowns ein, in eine Gegend, die mehr oder weniger das Sammelbecken für die Unterschicht Bostons ist, eine Gegend, in der Gewalt, Drogen, Diebstahl und Prostitution an der Tagesordnung stehen. Er geht immer wieder auf die Vergangenheit des Protagonisten ein, der in Charlestown aufgewachsen ist und dort ein Leben führt, wie man es im Milieu durchaus häufiger antreffen kann. Seine Mutter lief weg und beging Selbstmord, sein Vater sitzt seit Jahren im Knast, er wuchs bei der Familie eines Freundes auf, seine Ex ist drogensüchtig und hat ein kleines Kind, das von ihm sein könnte, oder eben nicht. Er träumt vom Ausstieg, dieser ist jedoch schwer, weil sein Freund an seine Loyalität appelliert und sein Auftraggeber, ein recht gefährlicher Gangster, ihn nicht ohne Weiteres gehen lassen will. Dabei wühlt Affleck nicht überzogen lang im Dreck, zeigt keine Bilder düsterer Gossen, die genauso gut aus einem Entwicklungsland stammen könnten, sondern bleibt im Bereich des Realistischen.
Doch so gut die Milieustudie auch ist, so gelungen die Personenkonstellation ausfällt, es bleibt am Ende leider doch ein fader Beigeschmack. Der Abgang ist dann doch allzu versöhnlich, fast schon kitschig und nicht so konsequent, wie der Rest des Films. Warum man sich hier doch noch den Stereotypen Hollywoods fügt, die man so lang so geschickt umschifft hat, bleibt unklar. Außerdem ist es etwas ärgerlich, dass der ermittelnde FBI-Agent, der letztlich doch eine relativ wichtige Rolle im Gesamtzusammenhang spielt, keinen derart tiefen Hintergrund bekommt, wie ihn die Gangster, besonders die Hauptfigur, haben.
Nun kann man sicherlich nachvollziehen, dass Ben Affleck in seinem Film eine tragende Rolle übernehmen wollte, doch dies hätte er besser nicht getan, weil er nun mal nicht der beste Darsteller ist. Während er wie ein kleiner Eastwood inszeniert, spielt er leider recht hölzern und ist mit so ziemlich jeder Szene überfordert, in der er mal mehr zeigen muss, als seine Stirn in Falten zu legen. Die restlichen Darsteller sind allesamt besser. Jeremy Renner spielt seinen deutlich aggressiveren Charakter fast schon beängstigend gut und untermauert damit seine Leistung aus "Tödliches Kommando". Rebecca Hall, die in "Vicky Christina Barcelona" zuletzt gut aufspielte, ist charmant und sympathisch, aber auch darstellerisch absolut überzeugend, während die kurzen Auftritte der Routiniers Chris Cooper und Pete Postlethwaite kleine Highlights sind, wobei auch der eher als Seriendarsteller aktive Jon Hamm in der Rolle des FBI-Agenten lobend zu erwähnen ist.
Fazit:
"The Town" ist ein durchweg spannender Gangster-Thriller, der mit seiner hervorragenden Charakterkonstruktion sowie seiner spannenden Personenkonstellation durchweg gelungene Unterhaltung bietet, während Ben Affleck eine ordentliche Inszenierung abliefert, bei der auch die wenigen Action-Szenen sehr spannend umgesetzt sind. Hinzu kommt eine realistische Milieustudie, die durchaus zu Denken gibt. Zum Meisterwerk reicht es nicht ganz, weil das Ende zu konventionell und süßlich daherkommt und Affleck darstellerisch mit seinen starken Kollegen nicht Schritt halten kann.
82%