Review

Schwanensee ist nicht etwa einfach nur ein Ballett-Stück, es verbindet Trauer, Glück und Wahnsinn zugleich. Besonders die Musik von Tschaikowski entfacht dabei eine psychodramatische und zugleich in die tiefsten Abgründe des Menschen gleitende Musik. Bitte nicht wundern, es gibt schon eine Kritik zum Film von mir, nur fehlten einige Punkte noch. Ich musste noch etwas mehr loswerden...

Dieser Beitrag enthält Spoiler!

Lange hab ich mich vor diesem Werk gedrückt, weil mich das Thema ''Ballett'' zu sehr abschreckte. Typisches Vorurteil aller Männer. Denn bei dem ''reinen'' Vorurteil ist es letztenlich bei mir geblieben. Ein reines Vorurteil ist es, zu denken, dass Ballett nichts kunstvolles, nichts emotionales und nichts außergewöhnliches vorzuweisen hätte, dass sich in einem Psycho-Drama-Thriller verwerten ließe. Haltet also einen großen Abstand von diesem Vorurteil und überzeugt euch einfach selbst, denn euch erwartet ein Darren Aronofski, wie ihr ihn schon langer nicht mehr gesehen habt!

Darren Aronofoski beweist mal wieder, wie er seine einzigartige Darstellung und Bebilderung eben so einsetzt, dass einem so manche Szenen schlicht im Halse stecken bleiben und erst nach längerer Zeit wieder in einen klaren Verstand übergehen. Die Atmosphäre, stark angetrieben durch den Hang zu dunklen und wenig farbreichen Bildern bis hin zu hellen und überschwelligen Farben, tragen maßgeblich zur Wirkung des Films bei. Ist im einem Moment der farbreichtum hell, schon fast grell, so erwacht die Faszination, die Liebe und gleichzeitig der Wahnsinn unseren Verstand. Aronofski weiß, helle, grelle, dunkle und unheilvolle Farben gleich auf mehreren verschiedenen Ebenen zu interpretieren. Dabei sind helle und dunkle Farben unterschiedlich zu deuten. Nicht immer ist grell Wahnsinn, nicht immer dunkel auch unheilvoll. So verschreckt der Film den Zuschauer gleichermaßen, als das er ihn klar verstehen lässt. Aber das ist die Kunst des Psycho-Thrillers. Die Musik belässt Aronofski im Ballett-Stil, was ganz besonders im letzten Drittel des Films die ganze Melancholie und ''Die Metamorphose'' der Hauptprotagonistin ausmacht. Hat die Musik von Pjotr Iljitsch Tschaikowskis doch die Fähigkeit Schönheit und Wahnsinn gleichzeitig zu vermitteln und ''Die Metamorphose'' zu tragen. Keine andere Musik wäre passend gewesen. Ist das Ballett doch gekennzeichnet von Kunst und der wahrhaftigen Schönheit, durch Musik, Kostüm, Darstellung und Choreographie, zudem dies alles den Hauptprotagonisten des Stücks alles abverlangt. Die Darstellung seitens Natalie Portman ist Oscarreif und verdient gewonnen. Von Anfang an sieht man ihr bereits das Leid an, dass man in den nächsten 108 Minuten erlebt und verarbeiten muss. Blass bleibt sie dabei, bis auf die Tatsache, dass sie sich körperlich sehr zurücknehmen musste, niemals. Wie sie sich auf grauenhafte Weise abgemagert hat und diese unheilvolle und schon erschreckende Physis ihrer Figur erschaffen hat, läuft mir eiskalt, wie -40° kaltes Wasser den Rücken herunter. Wie sie die Ausgestossene ohne überzogen aufgesetzte Mine offenbart und ''Die Metamorphose'' des weißen Schwans bis hin zum schwarzen Schwan darstellt ist vollkommen beispiellos. An dieser Stelle sei gesagt, dass ich viele ihrer Filme kenne. Allerdings keinen mit einer solchen Schauspielerischen Intensität wie sie in ''Black Swan'' brilliert. Hier kommt Portman zu einer Physis, die ich von ihr überhaupt nicht kenne. Entsprechend überzeugend und faszinierend ist es also, sie in der (mMn) Rolle ihres Lebens zu sehen und erleben zu dürfen.

Bebilderung, Wahrnehmung, Musik, Darstellung und Psyche sind hierbei so markant und unumgänglich, dass sie alle zusammen den Zuschauer in ihren Bann, ihre eigene Welt zieht und so mitnimmt und nachdenklich zurück lässt. Der Film ist ebenso ein wichtiges Statement an die menschliche Psyche. Die wird in der Beziehung Nina-Thomas sehr deutlich. Anfangs ist man noch dazu hingezogen Thomas als den schlimmsten Peiniger zu sehen, werden ihm zum Ende hin aber einige Sympathien zugesprochen. Es bleibt trotzdem schwer seinen Charakter zu mögen. Diese Ambivalenz seines Charakters bleibt immer unheilvoll und gruselig. Cassell's Leistung ist ebenfalls grandios. Stehen ihm (gerade bei Betrachtung seines Aussehens) am besten. Er hat das richtige Gesicht für einen kontrollsüchtigen Irren. Ob passend oder nicht, sei hier ein kleiner Vergleich zu ''Whiplash'' anzumerken, da hier der selbe Konflikt zum tragen kommt. Auch hier wusste man am Ende nicht ob Terence Fletcher nun im eigenen Sinne ein Held ist oder schlicht ein überzeichneter, unberechenbarer und skrupelloser Sadist. Auf diese Frage habe ich bei Thomas keine Antwort parat. Es ist schlicht etwas von beidem. Er ist für die Verwandlung Nina's zu jeder Zeit verantwortlich, ebenso wie Lilly. Ohne die zahlreichen Mittel, denen sich ein Darren Aronofski annimmt, wäre es dem Film um einiges schwerer gefallen, seine Geschichte, die sich mehr oder weniger in 3 Akte einteilen lässt, nachvollziehbar und authentisch zu vermitteln.

3 Akte, die sich in 3 Akte einteilen lässt. Wie bei einem echten und wahrhaftigen Drama. 1. Intro 2. Erste Auswirkungen und Wahnvorstellungen bis hin zu 3. Höhepunkt, Wendung und Schluss. Der Film verliert nie seinen Ton und geht keinerlei Kompromisse ein. Schnitt und Kameratechnik sind brilliant. Zu jeder Zeit fiebert man mit Nina mit und kann bei mancher Szene nur schwer auf den Bildschirm gucken. So viel Leid, Verzweiflung und Demütigung. Das alles verpackt Portman in einer einzigartigen Darstellung aus wahrer Liebe zum Ballett und purem Wahnsinn in der Konsequenz ihrer Aufgabe im Ballett und ihrer Darstellung. Und das Ende in seiner unglaublichen Konsequenz ist zwar hart aber wunderschön und darüber hinaus nur logisch. Das ist das Ende einer unglaublich stilvoll erzählten Geschichte über Liebe, Sehnsucht, Verzeiflung und Wahnsinn. EInzigartig in Szene gesetzt, unglaublich gespielt und Konsequent eingefangen und beendet. Auch die intimen Szenen sind gekonnt eingesetzt und unterstreichen stilvoll die Gestaltung der Sehnsucht. Das alles in 108 Minuten unterzubringen ist schlicht die Kunst des Films !

Was die Handlung jederzeit dabei unterstützt sind die Ambivalenzen in allen Charakteren. Ihre Mutter, die anfangs einfach nur voller Sorge ist, wird zunehmend auch einnehmend, komisch und gruselig, genauso wie Lilly. Sie wird einem zwar nie sympathisch, erschien aber auch sie anfangs nicht krank im Sinne des Films, sondern eigentlich nur billig und arrogant. So erleben alle Figuren, mit zunehmenden Verlauf der Handlung einen Bruch, der sich durch das Verhalten bemerkbar macht und sich auf den Charakter der Nina auswirkt. Schwer zu beschreiben, aber des einen Leid, ist des anderen Wahnsinn und umgekehrt.

Ein anderes ist dann noch die Kamera. Was in Aronofskis Filmen immer auffällig ist, ist und bleibt die sagenhaft gute Kamera-Arbeit. Sie hängt sich stets an die Charaktere und ''verfolgt sie''. Meist sitzt sie dem Protagnonisten direkt im Nacken und folgt ihr, wie ein Gefährte, der sich ihr nicht entziehen kann, was die ganze Darstellung an sich noch viel imposanter macht. Außerdem ist es schlicht auch einfach wunderschön anzusehen. Genauso, wie die Kamera in allen Ballett Szenen und ganz besonders im Opening mich vollkommen eingenommen hat, wenn sie rund um die Charaktere dreht und läuft, während sie gerade ihren Tanz vollführen. Es ist schon beinahe romantisch, die Kamera weiß in schnellen Umkreisungen aber auch hektisch und sagenhaft verführerisch zu wirken. Die Kamera-Arbeit ist maßgeblich für den Film und drückt die Verführung, die Sehnsucht und das Verlangen aus, dass wir im Film erfahren. Sie ist hektisch, sie ist langsam, die Kamerafahrten in den Ballett Szenen einfach einnehmend. Ich konnte meinen blick nicht davon abwenden. Und wenn ein Film das schafft, verdient er eine ordentliche Würdigung. Und er war mir wichtig genug, meinen kommentar neu aufzurollen!

Würde ich Wertung für den Beitrag zum Genre und eine Gesamtwertung vergeben, so komme ich nach sehr kurzer und komlexer Rechnung auf satte 10 Punkte. Gekonnt, kunstvoll, spannend, einnehmend und atemberaubend !

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