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Mein lieber Schwan, da hat sich Fräulein Portman aber so richtig in die Ballett-Schale geworfen und dafür folgerichtig den begehrten Oscar gewonnen. Darren Aronofsky schießt mit seinem Paranoia-Thriller zwar ab und an ein wenig übers Ziel hinaus, doch immerhin:
Wer meint, mit der Weihnachtsserie „Anna“ erfahren zu haben, wie das professionelle Tanzgeschäft läuft, wird hier auf eindringliche Art eines Besseren belehrt.

Nina (Natalie Portman) tanz bereits seit vier Jahren unter der Leitung von Thomas (Vincent Cassel), der ihr die Rolle der Schwanenkönigin in Tschaikowskis Neuinterpretation von Schwanensee zutraut. Allerdings beherrscht sie den düsteren Part im Sinne des titelgebenden schwarzen Schwans noch nicht und so steigert sich Nina in die dunkle Seite ihrer Rolle hinein…

Da geht schon so einiges in die Knochen, unter die Haut und selbige hin und wieder flöten, - so drastische Darstellungen in Kombination des im Kern filigranen Tanzes bilden einen starken Kontrast, wobei Portman eine unfassbare Präsenz und Perfektion ihrer Figur und körperlicher Disziplin an den Tag legt.
Selten wirkte sie schmaler, zerbrechlicher und dennoch so entschlossen, dass sie die komplette, wenn im Grunde auch dünne Handlung auf ihren spitzen Schultern allein tragen kann. Und tatsächlich strahlt sie, trotz aller Schönheit, genau diese zu ehrgeizige, zu kontrollierte Attitüde aus, die ihr Choreograph an ihr kritisiert: Sie lässt sich nicht fallen, sie wirkt wie im eigenen Körper gefangen und repräsentiert genau das Gegenteil zu ihrer bitchy Konkurrentin Lily (Mila Kunis).

Die Sache funktioniert deshalb über weite Teile so gut, weil man auf einen Jackpot der Klassik, nämlich den facettenreichen „Schwanensee“ von Tschaikowski zurückgreift und mit dessen umarrangierter Wucht auch wahrlich nicht zurückhält. Stellt man sich einige Szenen im Nachhinein ohne fulminanten Score vor, - sie würden kaum Wirkung zeigen.
Hinzu kommt die Nähe der Kamera zu den Gesichtern, denn in Sachen Tanz sieht man selten ganze Körper, sondern konzentriert sich stark auf die Haltung des Oberkörpers, vor allem der Arme. Auch wenn es an die Selbstverstümmelungen geht, greift man hin und wieder zur Nahaufnahme, die Wunden und der Schmerz werden phasenweise fühlbar und was zuweilen im Spiegel erblickt wird, ist schon eine überaus sehenswerte Inszenierung.

Dennoch kommt das Skript im Gesamtbild eher ohne Überraschungen aus, auch wenn Aronofsky mit einigen visuellen Tricks in Form von Visionen, Trips und Einbildungen in die neurotische Welt einer von Ehrgeiz zerfressenen Frau eindringt und damit den Zuschauer zu täuschen versucht, - die Geschichte bleibt vom Rahmen her geradlinig und bietet keinerlei Twists.

„Black Swan“ bietet eine interessante Grenzerfahrung, einen phasenweise dokumentarisch anmutenden Blick hinter die Kulissen des knallharten Profi-Tanzes anhand einer überambitionierten jungen Frau.
Das gerät durchaus packend, intensiv und final recht spannend, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass trotz der atemberaubenden Hauptfigur und der packenden Musik viel mehr in Szene gesetzt wird, als die dünne Geschichte eigentlich hergibt.
Obwohl, - das will auch gekonnt sein…
6,5 von 10

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