(Einspieler aus dem Off)
Hallooo, liebe Ballettfreunde! Aufgepasst: Fox Searchlight Film präsentiert den neuen Knüller mit dem Titel „Die mit dem schwarzen Schwan“! Mit dem brünetten Superstar Natalie. Dieser Film ist eine explosive Psycho-Atombombe. „Die mit dem schwarzen Schwan“ bietet einmalige, hocherotische Szenen! Mit zwei geilen Modellen der Spitzenklasse. Kein Weg führt vorbei an der Kunstfilmperle „Die mit dem schwarzen Schwan“! Fox Searchlight Film verbürgt sich für volle Zufriedenheit. Wenn Sie für diesen Film Geld ausgeben, haben Sie die Garantie, keine Enttäuschung zu erleben. Falls sie also vorhaben, sich in den nächsten Wochen ins Kino zu bequemen, dann kann es eigentlich keine andere Alternative geben als „Die mit dem schwarzen Schwan“! Höhepunkt dieses einmaligen Streifens ist die Stelle, wo der langhaarigen Labilorakete Natalie schwarze Flügel wachsen, damit ihre innere Transformation auch wirklich verstanden wird. Dieser schwarze Computerschwan ist aber ein ganz besonderes Exemplar: Es ist eine Prätention größten Kalibers. Das heißt: Natalie hat ihn beim Tanzen bis zum Anschlag aufgefächert, damit auch jeder die Intensität spürt. Es ist schon sehenswert, wenn das große schwarze Federvieh durch das zum Bersten gefüllte Opernhaus turnt. Ebenfalls nicht zu verachten ist die supergeile Disco-Tanzszene mit Mila. Das ist „Die mit dem schwarzen Schwan“! Den Mann möchten wir sehen, der nicht schwach wird, wenn Mila mit ihren Hüften wackelt und den Arsch nach rechts und links schwingt. Ein weiterer Höhepunkt dürfte die Sexszene zwischen Natalie und Mila sein. Denn Mila hat eine Erfahrung und Ungezwungenheit, die in ihrer Altersklasse weit über dem Durchschnitt liegt. Also, Freunde, wenn es ein neuer Pseudo-Indiefilm sein darf, dann kommt nur „Die mit dem schwarzen Schwan“ in Frage!
(Einspieler stoppt)
Markus Lanz: Soweit die Werbung. Doch wer glaubt der schon. Deswegen möchte ich jetzt gerne noch eine fundierte Meinung von meinem heutigen Gast einholen. Til, du hast den Film ja mittlerweile gesehen. Wie stellt sich die Sache denn für dich dar?
Til Schweiger: Relativ unerfreulich. Den Willen zu großer Kunst habe ich dem Film schon abgenommen, aber da liegt das Problem, wie ich noch erläutern werde.
Schon die Inszenierung hat mir wenig behagt. Szenen von mitunter inhaltlich seifenopernhafter Anmutung mit Tschaikowskys Musik zu unterlegen und damit zu konterkarieren, mag, ganz ähnlich wie die beherzte Hochzeit von Anmut und Wackelkamera, ständig die Zurschaustellung innerer Zerrissenheit im Sinn haben, lässt das Gesamtprojekt aber auch in nahezu jeder Szene sur-le-cou-de-pied am Rande des Kitschabgrunds entlang tänzeln. Es mag nun ein jeder Zuschauer für sich entscheiden, ob der Balanceakt gelingt, für mich wog die Unwucht der Konstruktion zu schwer. Dazu trägt auch der latente, Aronofsky schon mal vorgeworfene Chauvinismus, der dann und wann um die Ecke lugt, und der mir persönlich sehr fremd ist, bei. Alle männlichen Figuren sind selbstbewusst. Vielleicht nur aus Ninas Sicht, zugestanden. Aber dass ihr erster dokumentierter Ausflug in eine Bar gleich zum sexuell aufgeladensten Kellner der jüngeren Kinogeschichte führen muss, ist nur einer der schwer verdaulichen und gleichzeitig abgeschmackten Einfälle von Regie und Drehbuch.
Die Darsteller machen ihre Sache trotz aller Widrigkeiten formidabel, aber wie sollen sie mir die Fähigkeit, jeden Satz, jede Entwicklung zu antizipieren, nehmen? Amüsiert blickte ich auf das Treiben und war doch unterschwellig gelangweilt: Diese Jeckyll-und-Hyde-Variante hätte auch im Bäckereihandwerk spielen können, das Ballett ist nur dramatisches Korsett eines Kunst-um-der-Kunst-wegen-Wollenden. Die Faszination für Tanz, auch und gerade abseits vom Drama der Hauptfigur, hat mir der Film jedenfalls nicht erschlossen. Dafür ist er viel zu angestrengt, zu sehr darin vertieft, seine Figuren von Hingabe reden zu lassen, statt diese einfach zu zeigen.
Summasummarum: Aronofsky kann einiges, will alles, erreicht wenig. Irgendwann sicherlich als gegenwärtiger Kommentar auf zum Erfolg geprügelte Popprinzessinnen á la Spears und Lohan tauglich, momentan aber nur unverhältnismäßig ins Rampenlicht geparkt. Tirez le rideau, la farce est jouée.
Markus Lanz: Na dann. Meine Damen und Herren, freuen Sie sich jetzt auf meinen nächsten Gast, bei dem auch nicht immer alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht ward. Bitte begrüßen Sie Johann Lafer!