Mit "The wrestler" zeigte Aranofsky wieder seine Qualitäten als einer der talentiertesten Regisseure. "The fountain" war ein Esoterikabenteuer, welches keinen roten Faden hatte, sondern irgendwie wirr und pseudointellektuell wirkte. Optik hui, Story pfui. Und jetzt also "Black swan". Oscarnominiert sowohl der Film als auch die Hauptdarstellerin. Das kann nichts schlechtes werden, dachte ich mir und hatte im Hinterkopf eigentlich schon 8-9 Punkte gebucht. Leider sollte ich mich irren...
Kurz nochmal die Story: Nina ist Balletttänzerin und will unbedingt die Hauptrolle in "Schwanensee" ergattern. Dieses Stück beinhaltet den Tanz des weißen und des schwarzen Schwans. Ersteren bekommt sie mühelos hin, doch bei zweiterem fehlt ihr der Ausdruck und der Mut zur, ähem, sagen wir mal "Drecksau". So rackert sich Nina einen ab, bekommt die Rolle und von ihrem Lehrer immer wieder eins auf den Deckel, weil sie den Part des schwarzen Federviehs einfach nicht richtig auf die Reihe bekommt. Zudem wird sie noch von einer Konkurrentin abgelenkt und driftet langsam aber sicher in den Wahnsinn ab.
Gebrochene, gescheiterte und langsam in den Wahnsinn abdriftende Figuren sind Aranofskys Markenzeichen. So war es in "Pi", "Requiem for a dream", mit Abstrichen auch in "The fountain" und "The wrestler". Nun also auch wieder in "Black swan". Das ist auch nicht verwerflich, denn davon hat der Regisseur schließlich auch Ahnung. Und warum plötzlich was anderes machen, wenn es mit dem Konzept doch ziemlich gut läuft. Schließlich wurden 4 seiner 5 Filme von Publikum und Presse gleichermaßen abgefeiert.
Warum scheitert nun "Black swan"? Dies hat mehrere Gründe. Zum einen braucht der Film über eine halbe Stunde, bis er etwas in Fahrt kommt. Davor kann man Nina beim Training beobachten, wie sie sich mit ihrer Mutter unterhält oder man kann Nina beim Training beobachten. Es passiert also nicht wirklich viel.
Dann wird endlich mal die Schraube etwas angezogen und "Black swan" nimmt etwas Fahrt auf. Die Betonung liegt hier auf "etwas". Nina wird immer fanatischer, hat Halluzinationen, rebelliert gegen ihre dominante Mutter, masturbiert auf Rat ihres Lehrers hin und schmeißt sich von ihrer Konkurrentin in der Disco eine Pille ein.
Womit wir bei Problem Nummer zwei wären: So gut Natalie Portman auch spielt - sympathisch ist sie einem irgendwie nie wirklich. Was für eigentlich jeden Film fast schon ein Todesurteil ist. Da kann sie noch so gut spielen - Mitleid kommt beim Betrachter nicht auf.
Dritter und wichtigster Punkt: Die Mischung aus Tanzfilm, Drama, Thriller und Erotik funktioniert nicht richtig. Es wird alles in einen Topf geworfen und umgerührt. Warum sich nicht einfach auf das Wesentliche konzentrieren, anstatt alles zu wollen? Die Thrillerelemente muss man fast mit der Lupe suchen, denn Spannung erzeugt der Film nur selten. Zumindest bei mir. Alles ist irgendwie vorhersehbar, und wenn in einem Aranofskyfilm der Höhepunkt eine Lesbenszene ist, dann ist das schon ziemlich arm. Und trotzdem rettet sich der Film noch auf guten Durchschnitt.
Das liegt natürlich an den Darstellern. Ob Vincent Casell als exzentrischer Ballettlehrer, Mila Kunis als Ninas Konkurrentin oder Barbara Hershey als dominante Mutter. Sie alle sind überzeugend. Natalie Portman muss natürlich den Film tragen, was sie, wie oben beschrieben, auch bestens macht. Nur gegen dieses Drehbuch kann auch sie nichts machen. Die Oscarnominierung allerdings hat sie sich schon verdient.
Es scheint wohl das Gesetzt der Serie zu sein, dass Aranofsky nach "The wrestler" wieder ins Stolpern gerät. Ironischerweise sind der Schluss seines letzten Werkes und von "Black swan" fast identisch. Nur, dass er bei ersterem vor der Tragödie abblendet und bei "Black swan" weiter draufhält.
Hätte ein junger und unbekannter Regisseur diesen Film gemacht, wären 7 Punkte drin gewesen. Aber von Darren Aranofsky erwarte ich viel mehr als das, was er uns hier vorsetzt. Deswegen gebe ich ziemlich fassungslos 6 Punkte für ein Werk, von dem ich wohl zu viel erwartet habe. Ich hoffe nur, dass "Black swan" zumindest in der Kategorie "Bester Film" leer ausgeht. Für mich die erste Enttäuschung des noch jungen Jahres.