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Mit der Ankunft eines Zuges kommt der Mann ins Bild, Cournai ist der Bahnhof, zehn Minuten Aufenthalt, der Mann steigt aus, ist hier am Ende einer Reise und am Anfang vom Ende sowieso, der Blick müde, die Stirn gerunzelt, das Gesicht skeptisch, auf Probleme eingestellt. Der Mann ist bekannt in der Gegend, von früher, ein “verdammter Mörder! Abschaum! Saukerl! Saukerl! Saukerl! Schweinehund!“, man hat ihn ebenso wenig vergessen wie er vergessen hat, die Geschichte hat hier erst begonnen, ist aber schon längst angefangen und gleichzeitig auserzählt. Ein Aufenthalt nicht wünschenswert, und auch nicht gewünscht:

Der aus bescheidenen Verhältnissen stammende François Leclercq [ Jean-Paul Belmondo ] kehrt nach 7 Jahren Haft nach Cournai zurück, wo er seine Beziehungen mit der Familie Beaumont-Liégard wieder aufnimmt, dem trotz des Bürgermeisters Victor Verbruck [ Daniel Ivernel ] heimlichen Führers der Stadt, Jean-Baptiste Beaumont-Liégard [ Bernard Blier ], und dessen Tochter Gräfin Gilberte Beaumont-Liégard [ Marie-France Pisier ], mit der er zuvor schon eine Beziehung hatte. Und denen er auch Schuld an seiner Gefängnisstrafe gibt.

Ob das Arschloch wohl bei meinem Prozess war?

Die Reise ist eine Rückkehr, sieben Jahre sind vergangen, die Gegend ist gleich geblieben und hat sich doch verändert, der Mann war die letzte Zeit weg, stattlich in einem gedrungenen dunklen Raum eingesperrt, in der Justizvollzugsanstalt gefangen. Vor und zurück wird hier geblickt, ein Thriller, ein Krimi, ein Psychogramm, die Romanadaption von Félicien Marceaus "Le Corps de mon ennemi", veröffentlicht 1975; Marceau hat sich auch hierbei engagiert, er ist zusammen mit Henri Verneuil und Michel Audiard beim Schreiben des Drehbuchs und somit als 'Überwacher' des Übertragens von einem Medium in das andere (und dies deutlich hervorstechend in der Art und Weise der Narration) aufgezählt. Die Handlung wird gezeigt, das Gesagte gesprochen, die Gedanken dahinter still für sich angedeutet, längere Wegstrecken von der Kamera, längere eingespeiste Texte von der Hauptperson dargeboten, eine Kongruenz oftmals nicht vorhanden, widersprüchliches offen gelegt, die Konflikte daraus resultierend visualisiert. Was ist geschehen, was ist wie warum passiert.

Doppelt so viele Arschlöcher, entsetzliche Vorstellung.

Es geht hier nicht bloß um die Veränderung des Mannes, sondern vor allem auch um die seiner Umwelt, der Gesellschaft allgemein, der Zivilbevölkerung, die von wenigen beeinflusst und gesteuert wird, von wenigem befeuert, von oben gelenkt und manipuliert, aber auch am unteren Ende oftmals nur den eigenen Vorteil, den eigenen Kommerz, den eigenen Gewinn kalkuliert. Früher war das genauso, vorher war nicht alles besser, “Damals glaub’ ich hat mein Hass begonnen.“, Erinnerungen an die Kindheit, die geprägt hat, an die Jahre dazwischen. Zwischendurch wird Sex als Waffe eingesetzt, Verführung und Geschlechtsverkehr als Rache, eine Bettgeschichte als mögliche Option, als Einstieg ins Textilgeschäft. Der Film geht von der Breite in die Tiefe, in die Erschließung, in die Ursächlichkeit des Ganzen, raus aus der nackten Bebilderung, rein scheinbar in die Gefühle.

"Die Königin Mutter tritt auf." - "Welche denn? Der Blumentopf oder die Federmiezi?"

Für einen Moment erinnert der Film an Der Unverbesserliche, bloß in ruhig, ernst und konsequent; Belmondo sitzt am Tisch der Schönen und der Reichen wie das personifizierte Falschgeld, nur verkleidet wirkend und wie zur Tarnung, zumal das Etablissement hier affektiert gezeichnet wird und mit der Nase hoch oben in die Luft bestückt. Eine trotz Beschäftigung gelangweilte Schickeria, mit Ausritt, mit Golf, mit dem Liegen am Pool zu tun, von dem 'François der Teestunde' angeheitert und entzückt. Das wird ein bisschen ausufernd und konstruiert, Treffen hier und Treffen da, Politik, Polizei, Presse, Partei, Prostitution; es gibt den Versuch einer Bestechung, es gibt einen blutigen Kopfstoß, es springt wieder zur Chronologie, es geht wieder voran statt in die Vergangenheit zurück. Es wird mondäner, es wird schmutziger, es geht wieder in das Sexuelle bis nun Obszöne, es geht in den Schmutz der Stadt, die ihr wahres Gesicht dann zeigt, im Dunkel der Nacht zumindest, nach außen hin wird weiter Theater gespielt.





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