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Wenn Richard Dreyfuss in der Eingangssequenz als Erster den Piranhas zum Fraß vorgeworfen wird, dann legt Aja die Messlatte für sein sehr frei interpretiertes und in aktueller 3D Technik gedrehtes Remake des 70er Tierhorrorfilms "Piranhas" sehr hoch, ohne einen Moment in Gefahr zu geraten, diese zu reißen. Doch nicht nur Dreyfuss holt hier zu Beginn gleich das nach, was ihm im "Weißen Hai" erspart blieb, auch Christopher Lloyd gibt hier, wie einst in "Zurück in die Zukunft", den leicht verrückten Wissenschaftler, dem dafür die abschließende Pointe überlassen wird. Genauso ironisch wie Aja seinen Film einrahmt, geht er auch mit der knappen Laufzeit dazwischen vor, allerdings mit der notwendigen bissigen Härte.

Ausgesucht hat sich der Europäer Aja dafür eine sehr amerikanische Veranstaltung, den "Spring break", der berüchtigt ist für seine Sexual- und Drogen - Exzesse, mit denen die Studenten ihre kurzen Frühlings - Ferien feiern. Entsprechend präsentiert der Film eine narzisstische, dauergeile Partygesellschaft, der mit Argumenten nicht bei zu kommen ist, was Deputy Julie Forester (Elizabeth Shue) leidvoll erfahren muss, als sie versucht, erst ein wenig Ordnung im allgemeinen Trubel zu bewahren und dann die gepuschten Körper vor den Piranhas zu warnen versucht. Doch selbst ihre drei Kinder kann sie nicht disziplinieren, denn ihr 17jähriger Sohn Jake (Steven R. McQueen) lässt sich schnell von den verführerischen Frauenkörpern mitreißen und landet auf dem Boot des Pornofilmers Derrick Jones (Jerry O'Connell), während sich seine beiden jüngeren Geschwister, auf die er eigentlich hätte aufpassen müssen, allein auf dem mit Piranhas verseuchten See befinden.

Die gefräßigen, urzeitlichen Ungeheuer, für deren plötzliches Auftreten Aja nur ein leichtes Erdbeben bemüht, ausgerechnet auf eine Gruppe los zu lassen, deren Übersprungshandeln sich durch die sonst sehr puritanischen Denkweise der amerikanischen Gesellschaft begründet, basiert auf der klassischen Horrorfilm – Regel, Diejenigen zu bestrafen, die sich hemmungslos verhalten – in „Piranha 3D“ sind das fast Alle. Entsprechend bedient Aja diese Regel, die die widersprüchliche Denkweise der Betrachter bedient, einem Treiben erst voyeuristisch folgen zu wollen, um es dann bestraft zu sehen, in exzessivster Form, denn sie macht den gesamten Inhalt des Films aus. Er weidet sich genüsslich an leicht bis gar nicht bekleideten Mädchen, deren Brüste nicht groß genug sein können, und an Muskel bepackten Kerlen, um deren Extremitäten dann von den Piranhas zermalmen zu lassen. In vielfältiger, detailliert gezeigter Form werden hier mit Vorliebe Körperteile vernichtet, auf deren gutes Aussehen der jeweilige Besitzer besonders viel wert legte – von schönen langen Haaren bis zum Penis.

Aja umgeht die Gefahr, hier mit der versteckten moralischen Keule zu winken oder nur Nerds zu befriedigen, die schon immer dabei zusehen wollten, wie schöne und sexuell aktive Menschen zu Hackfleisch verarbeitet werden, dadurch, dass er in straffer Laufzeit ständig um sich schlägt. Die Rahmenhandlung mit der Sheriff-Mutter und ihren drei Kindern, nebst Love - Interest des großen Sohns, orientiert sich an typischen Vorbildern und wird entsprechend wenig ernst genommen, während es drumherum ständig zur Sache geht. Da wechseln sich voyeuristische und blutige Sequenzen so schnell miteinander ab, dass keine echte Trennung mehr erfolgt, weshalb die Kausalität – erst Hemmungen fallen lassen, dann getötet werden – im Chaos untergeht. Sympathien oder Antipathien können gar nicht mehr entstehen. In Erinnerung bleibt noch am ehesten Pornofilmer Jones, der als Einziger auch charakterlich die Extreme bedienen darf, während sich alle sonstigen Beteiligten dem optischen Overkill unterordnen.

Aja persifliert damit geschickt den „Piranha 3D“ – Stoff, indem er dem Publikum gibt, was es verlangt. Die Ironie liegt dabei weniger im Detail - sieht man einmal von den Zitaten der Altstars ab - sondern in der totalen Überzeichnung von Party, Sex und blutiger Gewalt, in der es keinen Platz mehr für Moral gibt (4/10).

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