Review

Leider teilweise öde Schilderung des Gefangenendilemmas…23.11.2008

Und wieder einmal ein Remake, man merkte also schon im Jahr 2002, daß der Stoff, aus dem die Träume sind, langsam ausgehen wird. Es ist ja auch ein Kreuz mit dem Filmemachen, irgendwann ist jede halbwegs vernünftige Idee verfilmt, und Innovationen darf man mit der Lupe suchen. Das muß nicht immer schrecklich sein, denn hier und da wird man auch von einem Remake einfach nur gut unterhalten, und so geht es auch mit diesem Streifen hier. Er eignet sich ganz vortrefflich für einen ruhigen Sonntagabend daheim, da man eine gepflegt bebilderte Geschichte ohne große Aufreger über sich ergehen lassen kann, die hier und da ein Fitzelchen Spannung vorweist, wieder einmal mit Frau Bullock besetzt ist und leider schon während der Eingangssequenz Mörder und Motiv verrät. So ist es auch um eine mögliche Zweitsichtung schlecht bestellt, denn Sehenswertes fehlt gänzlich, worüber auch das aufgesetzt wirkende Actionende nicht hinwegtäuschen kann.

Detective Cassie, Indizienexpertin und mit einem Trauma geschlagen, soll zusammen mit ihrem neuen Partner den Mord an einer Frau aufklären. Alle Beweise deuten auf den Hausmeister der örtlichen Schule, doch der ist nicht der Mörder. Sein vermeintlicher Selbstmord und das arrogante Verhalten eines Schülers bringen Cassie auf die richtige Spur – die Täter sind zwei Schüler, die aus Langeweile den perfekten Mord begehen wollten, aber nicht mit dem Spürsinn der Polizistin gerechnet haben. Schließlich ist es für den Zuseher nur noch von Interesse, welcher der beiden Schüler nun wirklich den Mord begangen hat, dies dient aber eher der Vollständigkeit als einem wirklich gelungenen finalen Kniff. Viel interessanter als die durchschaubare Mordgeschichte ist indes das Gefangenendilemma, welchem sich die beiden Buben nun ausgesetzt sehen. Hier nun ein kleiner Exkurs:

Die Bezeichnung „Gefangenendilemma“ stammt von Albert William Tucker von der Universität Princeton. Das Gefangenendilemma ist ein Paradoxon, das zentraler Bestandteil der Spieltheorie ist. Zwei Gefangene werden verdächtigt, gemeinsam eine Straftat begangen zu haben. Die Höchststrafe für das Verbrechen beträgt hier im Film die Todesstrafe. Beiden Gefangenen wird nun ein Handel angeboten, worüber auch beide informiert sind. Wenn einer gesteht und somit seinen Partner mitbelastet, kommt er mit einer geringen Strafe davon – der andere wird hingerichtet. Entscheiden sich beide zu schweigen, bleiben nur Indizienbeweise, die aber ausreichen, um beide für lebenslänglich einzusperren. Gestehen aber beide die Tat, steht möglicherweise eine längere Gefängnisstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Raum. Nun werden die Gefangenen unabhängig voneinander befragt. Weder vor noch während der Befragung haben die beiden die Möglichkeit, sich untereinander abzusprechen.

Die Ausgangssituation des Films verhindert nun die Verständigung zwischen den Gefangenen und provoziert so einen einseitigen Verrat, durch den der Verräter das für ihn individuell bessere Resultat „Freispruch“ (falls der Mitgefangene schweigt) oder verkürzte Gefängnisstrafe (falls der Mitgefangene gesteht) zu erreichen hofft. Versuchen dies aber beide Gefangenen, so verschlimmern sie – auch individuell – ihre Lage, da sie nun einen längeren Gefängnisaufenthalt statt der geringen Strafe erhalten. In diesem Auseinanderfallen der möglichen Strategien besteht das Dilemma der Gefangenen. Die vermeintlich rationale, schrittweise Analyse der Situation verleitet beide Gefangenen dazu zu gestehen, was zu einem schlechten Resultat führt. Tatsächlich ist am Ende des Films einer tot, der andere sieht einer langen Gefängnisstrafe entgegen.

Das Gefangenendilemma läßt sich auf viele Sachverhalte in der Praxis übertragen. Vereinbaren zwei Länder wie die USA und Rußland eine Rüstungskontrolle, so wird es immer individuell besser sein, heimlich doch aufzurüsten. Keines der Länder hält sich an sein Versprechen und beide sind durch die Aufrüstung schlechter gestellt (höheres Gefahrenpotential, höhere ökonomische Kosten), allerdings besser, als wenn nur der jeweils andere aufrüstete (Gefahr einer Aggression durch den anderen). Soviel also zur wissenschaftlichen Theorie, die dem Finale des Films zugrunde liegt. Man findet ähnliches auch bei der Analyse des Feiglings-Spiels, einer immer wieder gern gesehen Situation des amerikanischen Actionkinos. Hier fahren zwei Autos aufeinander zu. Wer ausweicht, beweist damit seine Angst und hat verloren. Weicht keiner aus, haben beide Spieler zwar die Mutprobe bestanden, ziehen jedoch daraus keinen persönlichen Nutzen, weil sie durch den Zusammenprall ihr Leben verlieren. Bekannt wurde dies in „denn sie wissen nicht, was sie tun“, aber selbst im aktuellen „Doomsday“ findet sich eine Variante wieder.

Schade nur, daß man sich seitens der Regie diesem Thema nicht ausführlich gewidmet hat. Es bleibt in Ansätzen stecken, ohne die Brisanz, die weitaus heftiger ist als der restliche Film, zu erläutern und möglicherweise durch Fallbeispiele zu erzählen. Hier hätte man dem ansonsten zumeist belanglosen Film, der wertvolle Zeit mit der Vergangenheit der Detektivin samt nicht aufgearbeitetem Traum und beginnender Liebesgeschichte mit ihrem Partner verschwendet, tatsächlich eine Besonderheit mitgeben können, die ihn auch nach Jahren noch diskussionswert macht. Man opfert diesen intelligenten Handlungsstrang aber zugunsten eines actionhaltigen und schlecht getricksten Finales, was wieder einmal beweist, daß man den geneigten Zuseher seitens der Filmindustrie doch für dumm hält - 6/10.

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