Friss oder stirb: So lautet das Gesetz der Straße, speziell in Mexiko City, und es ist hier ganz wörtlich zu nehmen. Denn zum Überlebenskonzept einer verarmten Sippe im Bauch der Stadt gehört es, gelegentlich auch Fleisch auf den Teller zu bekommen... menschliches. Als der Vater stirbt, müssen sich die Teenager Alfredo, Julian und Sabina darum kümmern, dass niemand verhungert (auszugsweises Zitat aus dem Programmheft des Fantasy Filmfestes 2010).
Diese hart an der Grenze zum Sozialdrama stehende Kaniballade (erst im letzten Filmdrittel geht es genregerecht und zugegebenermaßen ziemlich wild daher) steht ganz in der Tradition des düster-kritischen Erzählkinos, welches man eher aus den 1970er Jahren und zumeist noch aus Frankreich oder Italien kennt. So ist dann auch „We are what we are“ ziemlich spröde sowie trocken inszeniert und verlangt von dem geneigten Zuschauer viel Geduld. Oftmals tritt die Handlung einfach nur auf der Stelle, angerissene Szenen werden nicht immer logisch zu Ende geführt. Doch ab der Mittelmarke konzentriert sich Jorge Michel Grau ganz auf den ursprünglichen Sinn von Horrorfilmen (gerade unter Bezug auf den strengen Katholizismus, den sein Herkunftsland geprägt hat), kratzt an den in der mexikanischen Gesellschaft noch existierenden Tabus um Inzest und Homosexualität und liefert rückblickend betrachtet doch seine, höchst moderne Version einer „Saw-Family im Hartz-IV-Plattenbau-Stil“ ab. Fazit: definitiv nicht jedermanns Sache, aber irgendwie böse und verstörend. Im Kino 2,35:1. Mit Francisco Barreiro, Alan Chávez, Paulina Gaitán, Carmen Beato u.a.
© Selbstverlag Frank Trebbin