Ein Familienvater stirbt während eines Schaufensterbummels an einem mysteriösen Anfall. Als die Nachricht seines Todes seine Familie erreicht, sind Mutter, Tochter und die beiden Söhne bestürzt und das aus zweierlei Hinsicht: 1.) Wegen dem Verlust des Vaters, 2.) wegen dem Verlust ihres Ernährers. Alle Familienmitglieder sind nämlich Kannibalen und Papa war bislang der, der immer für frisches Happahappa gesorgt hatte. Die Familie droht zu zerfallen. Die beiden Söhne nehmen es trotzdem in Angriff, etwas zu Essen auf den Tisch zu zaubern. Doch sie sind im Jagen und Erlegen menschlicher Beute alles andere als geübt…
Mit SOMOS LO QUE HAY (“We Are What We Are”) erreicht uns ein trister, staubtrockener und von Grund auf ernster Horrorfilm auf dem Niveau eines hochwertigen B-Movies. Die Lebensumstände der Protagonisten sind bescheiden, ihre Situation nach dem Tod des Vaters wirkt ausweg- und hoffnungslos… Wäre das Produktionsland nicht Mexiko, sondern die USA oder ein anderes im westlichen Wohlstand badendes, würde man sich wahrscheinlich nicht viel dabei denken. Mit dem Produktionsland Mexiko, einem Land, das mit Armut, Korruption, Übervölkerung und vielerorts schlecht ausgebildeter Infrastruktur zu kämpfen hat und damit auch noch repräsentativ für die meisten Südamerikanischen Länder steht, stellt sich wohl doch die Frage, was ein derartiger Film mit einer derartigen Thematik dem Zuschauer, vor allem dem westlichen Publikum sagen möchte. Will der Film auf soziale Missstände hinweisen? Herrschen da drüben derartig katastrophale Zustände? Fressen sich die Einwohner dort buchstäblich oder im übertragenen Sinne tatsächlich auf? Um die Frage nach der Aussage des Films beantworten zu können, fehlt mir persönlich leider der Einblick über den Alltag in einem Land südlicher der US-Grenze.
Ganz kann man das mit der Sinnbildlichkeit leider noch nicht abschließen, arbeitet SOMOS LO QUE HAY ein weiteres nicht ganz alltägliches und in jedem Film stattfindendes Thema heraus, dass genaueren Hinsehens würdig ist, und zwar das Thema der Homosexualität. Einer der Söhne geht während seiner Menschenjagd einem inneren, bislang verleugnetem Drang nach und bekennt sich schließlich selbst zur gleichgeschlechtlichen Liebe. Dieser Akt der Selbstentfaltung und Ich-Findung wird aber schon bald im Keim erstickt. Von der Inakzeptanz der anderen Familienmitglieder mal ganz abgesehen, hat sich der Sohn in einen anderen Jugendlichen verkuckt, der eigentlich als Abendbrot vorgesehen war. Widrige Lebensumstände, kaum Möglichkeiten zur freien Meinungsäußerung bzw. Selbstentfaltung… Ob man da nicht doch vielleicht irgendeine versteckte Kritik hinein interpretieren… Okay, lassen wir das!
Als Horrorfilm an sich funktioniert SOMOS LO QUE HAY ganz gut, obwohl es sich nicht um einen Horrorfilm im klassischen Sinne handelt. So baut der Streifen weder auf Schockeffekte, noch auf übertriebenen Gore. Ferner mischt sich zu dem eher minder ausgeprägten Kannibalen-Thema ein hoher Anteil Familiendrama, mit dem Thema „Wie weiterleben nach Wegfall des Familienoberhaupts“. Wer sich weiter einen Einblick in das Familienleben der Family aus TEXAS CHAINSAW MASSACRE erhofft, wird auch nur minder befriedigt, agieren alle Mitglieder beinahe zu „gesund“, um Kannibalen zu sein, und lassen nur in wenigen Raserei gleichen Ausbrüchen ihre inneren Abgründe erahnen. Der Plot dümpelt ohne nennenswerte Hochs oder Tiefs vor sich hin und strebt dem Höhepunkt, einer kannibalistischen Zeremonie entgegen, die – so schreibt es ein alter Ritus vor – bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vollzogen sein muss. Der Showdown ist gelungen, einen Paukenschlag sollte man jedoch nicht erwarten.
Was bleibt, ist ein düsterer, trister Film, spannend durch seine atmosphärische Dichte, sehenswert wegen seiner gekonnten Inszenierung, in seinen Bann schlagend aufgrund des Fehlens jeglichen Hoffnungsschimmers, aber – und dieses Aber wiegt schwer – oftmals zu uneindeutig, sodass man stellenweise echt nicht weiß, was man von dem Film halten soll. Die versteckte Sozialkritik mal hin oder her. Wenn ich zu doof bin das richtig zu interpretieren, kann ja der Film nix dafür. Allerdings ist die Verwurstung der Themen urbaner Kannibalismus, Familientragödie und Coming Out-Drama zu einem einzigen Film schon ein wahrlich gewagter Mix. Was hat denn bitteschön Menschenfressen mit Homosexualität zu tun? Besteht da irgendein Zusammenhang? Außer vielleicht der, dass unerfüllte Liebe nahezu immer in Katastrophe und Blutbad endet? Egal, bevor das große Philosophieren wieder losgeht, hier das…
Fazit:
Anti-Hollywood-Kino über Schwule und Kannibalen. Leider weder visuell, noch emotional sonderlich schlagfertig oder beeindruckend. Bleibt allein die wahrlich bitterböse, nahtlos fesselnde, wie ein engmaschiges Fangnetz über den Zuschauer fallende Atmosphäre, die hier zu begeistern weiß.
Echt sehenswert, hat aber seine Schwächen.