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Unter den großen amerikanischen Filmemachern dürfte Terrence Malick wohl eine einmalige Erscheinung sein: Seit seinem Debüt "Badlands - Zerschossene Träume" 1973 hatte er bis "The Tree of Life" gerade einmal fünf Filme inszeniert - jeder einzelne davon ein formales und oft auch inhaltliches Meisterwerk. "The Tree of

Life" stellt in diesem Sinne vielleicht den Zenit seines Schaffens dar.

In diesem epochalen Film geht es um die Schönheit des Lebens, die Schwierigkeiten des Heranwachens unter einem strengen Vater (Brad Pitt) und die Traumata, die die Verletzungen der Kindheit den Menschen bis ins Erwachsenenalter hinein zufügen. Das Besondere an Malicks Herangehensweise an diese Themen ist die sanfte, mäandernde Inszenierung: Hier wird nicht eigentlich eine Story in Form einer sich logisch aufbauenden Handlung erzählt, hier wird viel mehr gezeigt. Beinahe jede Szene steht stellvertretend für einen Lebensabschnitt oder für typische, sich oft wiederholende Ereignisse. So entstehen lange Abschnitte, in denen der Familienfriede durch verschiedene Spiele zwischen Eltern und Kindern gezeigt wird; die Jahre schwinden dahin, oft werden Zeitsprünge von mehreren Jahren gemacht, auch wird chronologisch vor und zurück gegangen. Selbst die meist spärlichen Dialoge der Figuren müssen eher stellvertretend aufgefasst werden für allgemeine Lebenseinstellungen zu bestimmten Zeiten. Der eigentliche Mittelpunkt des Films sind dabei zu jedem Zeitpunkt die Sinne; über den Kopf kann man die allumfassende Eleganz dieses Films nie völlig verstehen. Eine so flüssige und konsistente Darstellung des Erwachsenwerdens hat es selten gegeben. Und dass ein Film über zwei Stunden eine solche Dynamik durchhält, ist wirklich bemerkenswert.

Ein Großteil am Funktionieren dieser Inszenierung ist gewiss der Bildsprache zu verdanken. Selten gab es Bildreihen von so vollendeter Schönheit, selten wurde das Leben, die Welt, die gesamte Existenz mit so purer Eleganz gefeiert. Wundervolle Aufnahmen von der Schönheit der Natur durchwuchern immer wieder die Familiengeschichte, und die Dramaturgie scheut auch nicht vor ganz großen Parallelen zurück: So wird am Anfang in einer atemberaubenden Sequenz die Entstehung des Universums, der Erde und schließlich des Lebens dargestellt, und dies auf so unbeschreiblich ästhetische Weise - Gaswolken, die wie Gemälde durch die Leere schweben, untermalt von donnernder klassischer Musik, Lavamassen, die sich über die raue Oberfläche des gerade entstehenden Planeten schieben - dass es einem die Tränen in die Augen treiben kann. Dass diese grundlegende Schönheit des Lebens - gegen Ende sogar explizit - mit einem christlichen Verständnis von Gottes Schöpfung in Verbindung gebracht wird, stört nicht weiter: Auch nichtgläubige Zuschauer müssten schon bar jeden Einfühlungsvermögens sein, um nicht die pure, gewaltige Erhabenheit dieser gezeigten Natur in sich aufzunehmen.

Man mag sich fragen, inwieweit die inszenatorische Grazie des Films notwendig oder bloße Spielerei des Regisseurs ist. Sicher wirken manche Stellen etwas übertrieben oder zu lang gezogen und auch die am Ende angedeutete Vereinigung des Menschen mit Gott ist sicher nicht jedermanns Geschmack. Doch die erzählerische Intelligenz, mit der Malick seine Themen angeht - die Verbindung der allgemeinen Geschichte der Welt mit der Entwicklung des einzelnen Menschen und die grundlegende Anmut einer Welt, die man wirklich mit allen Sinnen genießt - und die ausdrucksstarken, selten so gesehenen Bilder, spektakulären, aber kaum aufdringlichen Kameraeinstellungen und das zurückhaltende Spiel der Darsteller sollten diese kleinen Schwächen problemlos wett machen. Terrence Malick feiert die Welt und das Leben in einem elegischen, zutiefst ästhetischen Bilderrausch und man sollte die Gelegenheit nicht verpassen, sich an diesem Fest zu beteiligen: Wenn der Film vorbei ist, hat man das Gefühl, aus einem Traum zu erwachen, dem man fast sofort hinterher trauert. Ein wirklich einzigartiges Erlebnis!

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