Terrence Malick steht als Regisseur für wundervolle Bilder, intensive Eindrücke, exotische Kameraeinstellungen, tiefgründige Totalen und vielsagende Perspektiven auf eigentlich Gewöhnliches. Seiner visuellen Kreativität zu folgen war bereits in "Der schmale Grat" ein absoluter Augenschmaus, welcher im Spannungsfeld traumhafter Naturlandschaften und abscheulicher Kriegsszenarien seinen Figuren eine unheimliche Tiefe verliehen hat. Vor dem Hintergrund zutiefst religiöser und existentialistischer Fragen des Lebens treibt er es hiermit auf die Spitze.
Nicht nur deshalb ist "The Tree of Life" in meinen Augen einer der größten und wichtigsten Filme aller Zeiten. Das ist an dieser Stelle auch nicht als euphorische Übertreibung, sondern als möglichst sachliches Urteil zu einem Filmgenuss zu verstehen, den man als Ganzes kaum fassen, geschweige denn verarbeiten kann. Dieser Film ist so einzigartig, unnachahmlich und in seiner das Dasein und die vermeintliche Schöpfung hinterfragenden Ausrichtung so vielschichtig, dass man eigentlich ein Leben lang über ihn philosophieren kann.
Für mich entpuppte sich der Film als ein das Bewusstsein veränderndes Erlebnis. Man hinterfragt seine Ansichten zu gewissen Lebensfragen und beginnt nach Malicks optisch eindrucksvoll dargebotenen Denkanstößen nach einem Sinn zu suchen. Dabei begleitet man hauptsächlich die drei heranwachsenden Jungs der Familie O'Brien und lernt den Wert der Kindheit erneut zu schätzen. Schlussendlich erschien es mir, als liegen die meisten Fragen des Lebens in der Kindheit begraben. Man muss nur wissen, wo man buddeln muss.
Das Ausmaß von "The Tree of Life" wird gleich zu Beginn deutlich. Hier breitet Terrence Malick seinen gewaltigen Bilderrausch mit einem ellenlangen Prolog aus und lässt seinen so schon formidablen Film auch wieder mit einem gigantischen Epilog enden. Dabei spannt er den Bogen auf allumfassende Existenzfragen, die er natürlich nicht beantworten kann, welche er aber den Zuschauer andenken und erschließen lässt. Die naturalistischen visuellen Kreationen Malicks sind dabei mit das Beste, was ich je gesehen habe. In ihrer puren Schönheit liegt so viel Reinheit, dass sich jeder Zuschauer sein Stückchen Wahrheit aus ihr herausziehen und darüber sinnieren kann. Sowas sieht man wahrhaftig nur einmal im Leben.
Obgleich die Schauspieler in ihren Darbietungen über alle Maßen erhaben sind, spielen sie für das Gewicht des Films an sich keine übergeordnete Rolle. Mit der grandiosen Mimik von Sean Penn öffnet und schließt sich lediglich ein Kreis und mit den unglaublich intensiven Leistungen von Jessica Chastain und Brad Pitt als Ehepaar O'Brien erfährt man beide Pole eines Spannungsfeldes, welches jeder Mensch als Erziehung und Prägung kennt. In diesem Spannungsfeld bewegen sich wiederum die drei Söhne der Familie und besonders Jack, dem ältesten Sohn, fällt es zunehmend schwerer, die damit einhergehenden Grenzen nicht zu überschreiten. Aufgeladen mit differenten Energien, die den entgegengesetzten Erziehungsansätzen seiner Eltern entstammen, versucht er sogar noch als Erwachsener einen Weg zu finden, wie man damit umgeht. Er scheint als zerrissene Persönlichkeit ergründen zu wollen, warum in seinem aufgewühlten Seelenleben keine Ruhe einkehren kann.
Das ist mit die schwerste und anspruchsvollste Filmkost, die ich bisher erlebt habe, und mit das Beste, was mir in meinem Leben als Filmfan passiert ist. Obwohl ich nicht religiös bin, habe ich mich in Terrence Malicks Meisterwerk komplett verlieren können und begab mich auf eine Suche, die auch nach dem Filmgenuss nicht einfach endet. "The Tree of Life" ist der für mich wichtigste Film zum Thema Kindheit, Menschsein und Wunder des Lebens überhaupt und insgesamt mit das Bedeutsamste, was man gesehen haben muss.